Eurozone: Inflationsrate fällt im Mai auf 0,5 Prozent

Mario Draghi

EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

Neuste Zahlen setzen den obersten Währungshüter Mario Draghi weiter unter Druck. (Bild: EZB)

Luxemburg – Der Preisauftrieb im Euroraum ist im Mai stärker gesunken als erwartet – das setzt die EZB weiter unter Handlungsdruck. Die jährliche Inflationsrate fiel von 0,7 Prozent im Vormonat auf 0,5 Prozent, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag in Brüssel nach einer ersten Schätzung mitteilte. Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 0,6 Prozent gerechnet.

Die schwache Inflation macht der Europäischen Zentralbank (EZB) zu schaffen, die stabile Preise bei einer Jahresrate von knapp zwei Prozent als gewährleistet ansieht. Finanzprofis gehen fest davon aus, dass die Währungshüter ihre Geldpolitik an diesem Donnerstag weiter lockern werden.

Kernrate ebenfalls schwächer als angenommen
Die von der Notenbank besonders beobachtete Kernrate der Inflation, bei der stark schwankende Komponenten wie Energie und Lebensmittel ausgeklammert werden, fiel im Mai von 1,0 Prozent im Vormonat auf 0,7 Prozent zurück. Experten hatten eine Rate von 0,8 Prozent erwartet. Das bringt die EZB noch stärker in Zugzwang.

«Der sich fortsetzende Prozess schwacher Inflation dürfte die ohnehin schon erheblichen Sorgen der Notenbanker weiter vergrössern», kommentierte Experte Johannes Jander von der Helaba. Für Analyst Heinrich Bayer von der Postbank ist der Fall klar: «Dass die EZB expansive geldpolitische Massnahmen ergreift, dürfte jetzt eigentlich keine Frage mehr sein.»

Deflationsrisiko im Euroraum steigt
Die niedrige Teuerung birgt zum einen das Risiko, dass die Euro-Wirtschaft in eine Deflation abgleitet. Darunter verstehen Volkswirte eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und schwachem Wachstum. Dazu kann es kommen, wenn Verbraucher und Unternehmen in Erwartung weiter sinkender Preise Konsum und Investitionen aufschieben.

Die EZB hat aber oft betont, dass auch eine zu lange Phase mit niedriger Inflation eine Gefahr darstelle. Dauerhaft geringer Preisauftrieb erschwert den Schuldenabbau, weil ein grösserer Teil der Wirtschaftsleistung für Zinszahlungen aufgewendet werden muss. In fast allen Staaten im Euroraum ist die Verschuldung hoch.

Finanzmärkte rechnen fest mit Lockerung
An den Finanzmärkten gilt es als ausgemachte Sache, dass die EZB sich gegen die unangenehm schwache Inflation und das magere Wachstum im Währungsraum stemmen wird. Eine Senkung der Leitzinsen unter das im vergangenen November beschlossene Rekordtief von 0,25 Prozent ist bei Investoren fest einkalkuliert. Entsprechend verhalten fielen die Reaktionen auf die Inflationsdaten aus. Der Euro zuckte nur kurz und pendelte sich dann rasch wieder an der Marke von 1,36 US-Dollar ein.

Allerdings dürfte die EZB nach Einschätzung vieler Ökonomen Massnahmen über die klassische Zinspolitik hinaus ergreifen. Als wahrscheinlich gilt ein negativer Einlagenzins, also Strafgebühren auf gehortete Mittel der Geschäftsbanken. Auch eine erneute Finanzspritze für die Geldhäuser im Euroraum wird von der Notenbank diskutiert. Die Kredite sollen jedoch diesmal zweckgebunden vergeben werden, damit sie auch tatsächlich bei den Unternehmen der Realwirtschaft ankommen. (awp/mc/pg)

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