EZB belässt Leitzins im Euroraum auf Rekordtief

Mario Draghi

EZB-Präsident Mario Draghi.

Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht für den Euroraum höhere Inflationsrisiken bei einem nach wie vor ungünstigen Wachstumsausblick. So senkte die Notenbank abermals ihre Wachstumsprognosen für das laufende und das kommende Jahr und hob zugleich ihre Inflationsprognose für 2012 deutlich an. EZB-Chef Mario Draghi sprach am Donnerstag in Frankfurt von nunmehr aufwärts gerichteten Inflationsgefahren bei nach wie vor hohen Wachstumsrisiken. Zuvor hatte die Notenbank sowohl beim Leitzins als auch bei ihren Krisenmassnahmen keine neuen Schritte ergriffen.

Im laufenden Jahr dürfte die Teuerungsrate wohl nicht mehr unter die Schwelle von zwei Prozent sinken, sagte Draghi im Anschluss an die Ratssitzung der Notenbank. Damit revidierte er frühere Aussagen: Bis zuletzt hatte die Notenbank noch erwartet, dass die Inflation in den kommenden Monaten unter zwei Prozent sinken wird. Draghi begründete die neue Einschätzung insbesondere mit zuletzt deutlich gestiegenen Energiepreisen. Im Februar war die Inflationsrate im Währungsraum von 2,6 auf 2,7 Prozent geklettert – das ist deutlich mehr als der Zielwert der EZB von knapp zwei Prozent. Nicht wenige Experten hatten deshalb davor gewarnt, dass die Notenbank angesichts ihrer sehr expansiven Geldpolitik unter Druck geraten könnte – obgleich die Kerninflation ohne schwankungsanfällig Komponenten wie Energie mit 1,5 Prozent deutlich niedriger liegt als die Gesamtrate.

Draghi: EZB-Geldspritzen wirken
Die Wachstumsperspektiven beurteilt die EZB unterdessen nach wie vor verhalten, obgleich sie erste Anzeichen einer Stabilisierung sieht. Auch die Wirkung der beiden riesigen Geldspritzen mit der aussergewöhnlich langen Laufzeit von drei Jahren sieht die Notenbank positiv. Die Dreijahresrefis seien zweifelsfrei ein Erfolg, sagte Draghi. Zusammen mit fiskalischer Konsolidierung und Reformen in mehreren Euro-Ländern hätten sie das Umfeld an den Finanzmärkten deutlich verbessert. Zugleich unterstrich Draghi, der EZB stünden alle Instrumente zur Verfügung, um Inflationsrisiken rechtzeitig zu begegnen.

Lage am Interbankenmarkt verbessert
Nicht zuletzt die Lage am Interbankenmarkt hat sich laut Draghi zuletzt verbessert. Dort war es insbesondere im Herbst 2011 zu starken Spannungen gekommen. Darüber hinaus seien auch Geldmarktfonds wieder eher bereit, europäischen Banken Geld zu leihen. Im vergangenen Herbst hatten sich insbesondere US-amerikanische Geldmarktfonds nahezu vollständig aus dem europäischen Interbankenmarkt verabschiedet. Ausschlaggebend war die Schuldenkrise und das starke Engagement europäischer Banken in Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Länder.

Leichte Rezession erwartet

Die Aussagen Draghis werden durch die neuen Projektionen des Mitarbeiterstabs der Notenbank bestätigt: Für das laufende Jahr erwartet die EZB nun eine Inflationsrate von durchschnittlich 2,4 Prozent. Das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als noch vor drei Monaten. Zugleich prognostiziert sie für 2012 eine leichte Rezession mit einer um 0,1 Prozent schrumpfenden Wirtschaft (bisher plus 0,3 Prozent). Die Projektionen des Mitarbeiterstabs werden in Bandbreiten angegeben und dienen dem geldpolitischen Rat lediglich als Entscheidungshilfe.

EZB nimmt griechische Anleihen wieder als Sicherheit an
Unterdessen nimmt die EZB griechische Staatsanleihen trotz unzureichender Ratings und des bevorstehenden Athener Schuldenschnitts wieder als Sicherheiten in ihren Refinanzierungsgeschäften an. Grund: Der Euro-Rettungsschirms EFSF garantiert für die Anleihen mit bis zu 35 Milliarden Euro. Dieses Programm wurde bereits im Sommer 2011 von den Staats- und Regierungschefs des Euroraums beschlossen. Ende Februar hatte die EZB die Annahme griechischer Staatstitel im Refi-Geschäft ausgesetzt, nachdem die Papiere von der Ratingagentur Standard & Poor’s auf «selective default» herabgesetzt wurden. Hintergrund war die bevorstehende Umschuldung Athens. (awp/mc/upd/ps)

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