EZB zieht Anleihekäufe wegen Sommerflaute vor

Benoît Coeure

EZB-Direktor Benoît Coeure.

London – Die Europäische Zentralbank (EZB) wird wegen der geringeren Handelsaktivität in den Sommermonaten und der erhöhten Marktschwankungen einen Teil ihrer milliardenschweren Wertpapierkäufe vorziehen. Das sagte EZB-Direktor Benoit Coeure am Dienstag in London und löste damit starke Reaktionen an den Devisen-, Anleihen- und Aktienmärkten aus. Weil der Handel am Anleihemarkt von Mitte Juli bis August meist schwächer ausfalle, werde ein Teil der Käufe bereits im Mai und Juni erfolgen, sagte Coeure. Damit sei sichergestellt, dass das durchschnittliche Kaufvolumen von 60 Milliarden Euro je Monat auch dann erreicht werde, wenn in den Sommermonaten weniger gekauft werde.

Die Finanzmärkte reagierten prompt auf die Aussagen: Der Euro fiel um mehr als einen US-Cent auf ein Tagestief bei 1,1160 Dollar. Am Markt für europäische Staatsanleihen kam es zu starken Kursgewinnen. Im Gegenzug gingen die Renditen für Papiere aus den führenden Euro-Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien deutlich zurück. Auch an den Aktienmärkten zeigten sich starke Kursreaktionen. Der Deutsche Aktienindex DAX sprang 1,75 Prozent auf 11 796,31 Punkte nach oben.

Anleihe-Turbulenzen kein Grund für Schritt
Falls notwendig, würden die Wertpapierkäufe auch nach der Ferienzeit im September etwas höher ausfallen, erläuterte der Franzose. Dann sei die Liquidität an den Anleihemärkten höher. Coeure unterstrich, dass das Vorziehen der Käufe nicht unmittelbar mit den Turbulenzen der vergangenen Wochen am Rentenmarkt in Verbindung stehe: «Das etwas höhere Kaufvolumen, dass Marktanalysten in den kommenden Wochen beobachten könnten, steht daher in keinem Zusammenhang mit der jüngsten Episode der Marktvolatilität.»

Coeure versicherte, dass er wegen der Kursturbulenzen am Anleihemarkt von Anfang Mai generell nicht beunruhigt sei. Hier habe sich eine Marktkorrektur gezeigt, so der EZB-Direktor. Allerdings gab er sich dann aber doch besorgt über die Geschwindigkeit, mit der die Korrektur ablief. In der Zeit von Ende April bis Mitte Mai kam es zu starken Kursverlusten bei Euro-Staatsanleihen.

EZB bei Anleihekäufen im Plan
Zuletzt hatte die EZB am Montag Daten zum Kauf von Wertpapieren veröffentlicht. Demnach hat die Notenbank bisher öffentliche Anleihen im Volumen von 122,4 Milliarden Euro in den Büchern. Im März war die EZB in den grossangelegten Kauf von Staatsanleihen (Quantitative Easing, QE) eingestiegen. Bis zum September 2016 sollen pro Monat Wertpapiere im Volumen von 60 Milliarden Euro gekauft werden.

Das Programm gilt unter Experten als umstritten. Zuletzt hatte sich auch Bundesbankchef und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann kritisch zum Kaufprogramm geäussert. (awp/mc/ps)

 

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