Jan-Christoph Herbst, Portfoliomanager MainFirst Global Equities Fund, im Interview

Jan-Christoph Herbst

Jan-Christoph Herbst, Portfoliomanager MainFirst Global Equities Fund. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Herbst, seit den Pandemie-bedingten Lockdowns boomt der Onlinehandel wie nie zuvor. Ob Amazon, Zalando, Shopify oder auch die Schweizer Online- Apothekenkette Zur Rose – sie alle haben im vergangenen Jahr Zuwächse von bis zu 100 Prozent oder mehr erreicht. Wie schätzen Sie die aktuellen Bewertungen ein?

Jan-Christoph Herbst: Der Onlinehandel boomt. E-Commerce Experten erwarten jedoch alles andere, als dass es sich dabei nur um ein Strohfeuer handelt. Statt von einem Rückgang auf das alte Niveau einer Zeit vor der weltweiten Corona-Pandemie, geht man davon aus, dass die Umsätze der Branche von diesem hohen Niveau aus weiterwachsen. Das liegt unter anderem auch daran, dass viele Branchen im Lockdown neue Kunden gewonnen haben, von denen ein gewisser Anteil auch künftig erhalten bleibt. Spannend wird es insbesondere in Deutschland bei den Online Apotheken. Die führenden Anbieter haben sich für die anstehende gesetzliche Einführung des E- Rezepts hier bereits positioniert.

Klassische Bewertungsparameter von Aktien wie Amazon, die davon profitieren, dass sich in der Welt strukturell etwas ändert, waren in der Vergangenheit eher ungeeignet als Kaufindikator. Der Kursverlauf solcher Unternehmen, die einen Grossteil ihrer Gewinne reinvestieren, orientiert sich vielmehr an der Fähigkeit des Unternehmens über einen langen Zeitraum schneller zu wachsen als die Gesamtwirtschaft. Das Cloudgeschäft – Amazon Web Services – und der Verkauf von Werbung, sollten Amazon hier in den nächsten Jahren weiteres Wachstum bescheren.

Das Kaufverhalten hat sich in den letzten Monaten stark verändert – aber wie nachhaltig ist der Trend zum E-Commerce, speziell auch im Lebensmittelbereich?

Lebensmittel ist eine der Branchen mit dem niedrigsten Online-Anteil von deutlich unter 5 %. Hier geht es gerade erst los und das Potenzial ist riesig. Nicht nur finanziell kann es sich lohnen, Lebensmittel ausschliesslich online zu verkaufen, ohne Ladenfläche, Kassen und 18-stündiger Produktbeleuchtung. Auch für die Umwelt könnte dies in Zukunft die bessere Lösung sein, denn ein Lieferfahrzeug ersetzt je nach Region und Kundenstruktur bis zu 25 Autos, die stattdessen individuell zum Supermarkt fahren würden. In Deutschland, den Niederlanden und UK zeigen junge Unternehmen wie Gorillas mit Lieferzeiten von 10 Minuten was möglich ist.

Die schlechte Umweltbilanz ist aber ein oft gehörtes Argument im Zusammenhang mit dem Onlinehandel. Welche negativen Einflüsse bestehen?

Negativ fällt sicher der hohe Verpackungsaufwand ins Gewicht. Auch wenn Kartons zum grössten Teil recyclefähig sind, besteht hier sicherlich noch grosser Verbesserungsbedarf. Der Einzelhandel steht hier jedoch keineswegs besser da.

«Aus der Klimaperspektive (CO2-Fussabdruck) bietet E-Commerce grosse Chancen.»
Jan-Christoph Herbst, Portfoliomanager MainFirst Global Equities Fund

Sie sagen: Wer in E-Commerce investiert kann nicht nur Renditen erwarten, sondern tut auch etwas für die Umwelt…

Aus der Klimaperspektive (CO2-Fussabdruck) bietet E-Commerce grosse Chancen. Diverse Studien zeigen, dass online Einkaufen häufig besser abschneidet als das klassische Ladengeschäft, wenn Aspekte wie Heizung und Beleuchtung von Verkaufsräumen, sowie Anfahrt der Kunden und viele weitere Parameter mit in die Rechnung einbezogen werden sollten. Viele vergessen, dass auch Geschäfte täglich mit Ware beliefert werden müssen. Selbst bei Schuhen oder Kleidung, der Produktgruppe mit den höchsten Rücksendequoten von 0,7 pro gekaufte Artikel, besteht hier ein CO2-Vorteil beim Online Einkauf. Da ein Lieferfahrzeug nur kurze Strecken fährt und mehrere hundert Pakete laden kann, beträgt das CO2-Äquivalent pro Sendung deutlich weniger als häufig angenommen.

Können Sie uns eine grobe Aufschlüsselung Ihrer Investitionen im E-Commerce-Bereich nennen?

Wir sehen für die nächsten Jahre grosses Potenzial bei Essenslieferdiensten, Fahrdiensten, Online-Apotheken und hier sind wir entsprechend positioniert. Des Weiteren sind wir an Unternehmen beteiligt, die indirekt profitieren. Starke Konsumgütermarken aus dem Kosmetik- oder Sportartikelbereich können durch den Onlinevertrieb – ohne Zwischenhändler direkt zum Kunden – einen vielfach höheren Gewinnbeitrag generieren, was zu immer höheren Margen führt. Beispiele sind hier Nike oder L’Oreal.

«Wir sehen für die nächsten Jahre grosses Potenzial bei Essenslieferdiensten, Fahrdiensten, Online-Apotheken und hier sind wir entsprechend positioniert.»

Wie schätzen Sie das Potenzial des Zahlungsdienstleisters PayPal ein, eigentlich seit der ersten Stunde des Onlinehandels der Standard beim Bezahlen im Internet?

Das Wachstum PayPals orientiert sich stark am Trendwachstum der E-Commerce Branche. Wir glauben, dass Onlinehandel noch lange wachsen wird.

In unseren Breitengraden ist E-Commerce bei breiten Bevölkerungsschichten Alltag. In welchen Regionen sehen Sie das grösste Wachstumspotenzial?

Schwellenländer wie Indien oder Brasilien, die im Gegensatz zu China noch einen sehr niedrigen E-Commerce Anteil haben, bieten sicher hohe Wachstumschancen. Doch auch im paneuropäischen Raum gibt es enorme Unterschiede. Grossbritannien ist mit knapp 20 % Penetration führend, Länder wie Deutschland (12 %), Frankreich (10 %), Italien (6 %) oder Spanien mit 5 % haben hier noch viel Aufholpotenzial.

Bei vielen Anbietern beschränkt sich die Online-Plattform auf eine Artikelliste, einige Reviews und den «Bestell»-Button. Auf lange Sicht wird das nicht ausreichen. Welche Trends werden aus Ihrer Sicht zum langfristigen Erfolg führen?

Besonders bei designorientierten Produkten wie Kleidung oder Möbel, werden sich auch Plattformen abseits des grossen Marktführers etablieren können. Produktnischen oder regulatorisch- bzw. technisch komplexere Branchen wie Reisen, Autoersatzteile oder Apotheken werden ebenfalls eine Daseinsberechtigung haben.

Herr Herbst, besten Dank für das Interview.

MainFirst
MainFirst Global Equities Fund

Grafik: MainFirst, Stand: Januar 2021, Quelle: Öko-Institut
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