ODDO BHF: Jackson Hole 2021 – «behind the curve»

von Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF AG.

Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF AG, kommentiert wöchentlich was die Märkte bewegt. Im Nachgang des Zentralbanktreffens in Jackson Hole beschäftigt er sich diese Woche mit den Perspektiven für die US-Geldpolitik.

«Die Aussagen, die Jerome Powell während des Jackson Hole Symposiums am 27. August 2021 in Wyoming gemacht hat, deuten darauf hin, dass die Federal Reserve Bank die lange erwartete geldpolitische Wende nun endlich einleiten wird. Der Fed-Chairman führte – im gewohnt vorsichtigen Ton – aus, dass die hohen Anleihenkäufe der Notenbank reduziert werden könnten, falls sich die Wirtschaft weiter positiv entwickeln sollte. Die amerikanische Zentralbank zielt darauf ab, gleichzeitig Preisstabilität und ein Maximum an Beschäftigung zu gewährleisten. Die Verbraucherpreise (CPI) sind in den USA in den letzten zwölf Monaten bis Ende Juli 2021 um 5,4% gestiegen. Einzelne Komponenten des Warenkorbes, auf deren Basis der Verbraucherpreisindex berechnet wird, sind zuletzt stark gestiegen. Die Preise für gebrauchte Autos und Lastwagen haben um 41,7% zugelegt, die Energiepreise um 23,8%. Die amerikanische Zentralbank blickt primär auf den Preisindex der Persönlichen Verbrauchsausgaben (PCE), die in den letzten 12 Monaten um 4,2% zugelegt haben. Rechnet man die Preissteigerungen für Nahrung und Energie heraus, dann stieg die PCE-Kernrate (PCE Core) um 3,6%. Keine Frage: Die Inflation in den USA bewegt sich auf einem sehr hohen Niveau.

Angesichts der im historischen Kontext hohen Inflationsdaten sind die Anmerkungen des Fed Chairmans überraschend zurückhaltend. Powell hat in seiner mit Spannung erwarteten Rede in Jackson Hole ausgeführt, dass der Preisanstieg bei einigen Gütern und Dienstleistungen – etwa bei Energiepreisen – transitorischer Natur sei, wenig Evidenz für Lohnkosteninflation vorliege und die langfristigen Inflationserwartungen weniger stark angestiegen seien als die aktuellen Inflationszahlen. Trotz aller Beschwichtigungen gilt: Die hohe Inflation erhöht den Druck auf die Fed zu handeln.

Gleichzeitig hat sich die Lage auf dem Beschäftigungsmarkt deutlich verbessert. Allein im Juli 2021 wurden 943.000 Stellen (Total Nonfarm Payroll Employment) geschaffen. Die Arbeitslosenrate ist laut dem Amt für Arbeitsstatistik (U.S. Bureau of Labor Statistics) um 0,5 Prozentpunkte auf 5,4% gefallen. Gewohnt vorsichtig weist Powell darauf hin, dass die Erholung nach der Covid-Krise ungleich und die Arbeitslosigkeit weiterhin zu hoch sei.

Das Federal Open Market Committee (FOMC) hatte zuletzt am 28. Juli 2021 angekündigt, weiterhin die ganze Bandbreite der geldpolitischen Instrumente einzusetzen, um die Volkswirtschaft zu unterstützen. Die Federal Funds Rate wurde bei 0 bis ¼ Prozent belassen. Zusätzlich kauft die U.S. Zentralbank jeden Monat weiter für 120 Milliarden USD Anleihen. Monat für Monat – trotz deutlich gestiegener Inflation und einer sich abzeichnenden Erholung am Arbeitsmarkt.

Glaubt man der sogenannten Taylor-Regel, die von Ökonomen oftmals verwendet wird, um kurzfristige Zinsen zu prognostizieren, dann müsste die Federal Reserve Bank die Federal Funds Rate anheben, da die Inflationsrate und die Differenz zwischen dem tatsächlichen Bruttoinlandsprodukt und dem Produktionspotential („Output Gap“) bereits gestiegen sind. Einer Zinserhöhung wird freilich eine Senkung der Anleihekäufe vorausgehen. Genau dies hat Powell nun in Aussicht gestellt.

Die Fed ist – wie die Amerikaner so nett sagen – „behind the curve“. Sie hinkt der realwirtschaftlichen Entwicklung hinterher. Hohe Inflationsdaten und eine sich verbessernde Situation auf dem Arbeitsmarkt werden die amerikanische Zentralbank zwingen, die lockere Geldpolitik zumindest langsam und graduell anzupassen.

Im Jahr 2013 haben die Finanzmärkte auf die Ankündigung der Fed, die quantitative Geldpolitik zurückzuführen, mit einem „Taper Tantrum“ reagiert. Panikartig sind die Zinsen in den USA gestiegen, als die Zentralbank ankündigte, die Wirtschaft mit weniger Geld zu versorgen. Diesmal bereitet die Fed die Märkte langsamer auf eine Reduzierung der Anleihekäufe vor. Wir erwarten, dass die U.S. Zentralbank in einer der nächsten Sitzungen am 22. September, 3. November oder 15. Dezember 2021 ankündigt, die Anleihekäufe zurückzuführen – wenn die Delta Variante nicht zu einer raschen Abkühlung der Konjunktur führt. Auch darauf hat Powell hingewiesen: Zentralbanker sind vorsichtige Menschen. (ODDO BHF/mc)»

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