Saxo Bank: Gescheiterter Gesellschaftsvertrag lässt systemkritische Stimmen laut werden und verstärkt Volatilität

Steen Jakobsen

Steen Jakobsen, Chief Economist der Saxo Bank. (Foto: Saxo Bank)

Steen Jakobsen, Chefökonom Saxo Bank. (Foto: Saxo Bank)

Zürich – Die auf Multi-Asset-Anlagen spezialisierte Investmentbank Saxo Bank hat ihren Marktausblick für die globalen Märkte sowie wichtige Anlageideen für das zweite Quartal 2016 veröffentlicht.

Die politische Unsicherheit sowie die zunehmend systemkritische Stimmung, die im US-Wahlkampf sowie im Vorfeld des im Juni anstehenden Referendums über einen möglichen Brexit zu beobachten ist, sind zwei gravierende Risiken, mit denen die Finanzmärkte im zweiten Quartal 2016 fertig werden müssen. Noch schwerer wiegen diese Gefahren angesichts der Kräfte, die rund um den Globus auf dem Vormarsch sind und die derzeitige politische Elite ebenso grundsätzlich ablehnen wie den Status quo. In diesem Ausblick erläutern die Strategen der Saxo Bank, wie man ihrer Meinung nach im Hinblick auf die einzelnen Anlageklassen mit diesen Risiken umgehen sollte.

Steen Jakobsen, Chefökonom der Saxo Bank, erklärt: „Acht Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise verdienen Arbeitnehmer gemessen am BIP derzeit so wenig wie noch nie zuvor, während die Vorsteuergewinne der Unternehmen im Vergleich zum BIP gleichzeitig auf dem höchsten Niveau aller Zeiten liegen. Darüber hinaus sind die Investitionsausgaben momentan ebenso historisch niedrig wie die Produktivität. Diese unheilige Trinität erklärt den jüngsten Aufstieg links- und rechtsextremer Kräfte, deren Auffassungen von denen der politischen Eliten so weit entfernt sind wie nur irgend möglich.“

„Die Wähler scheinen der Meinung zu sein, dass Chaos immer noch besser ist als mehr von demselben ‚Einheitsbrei‘. Wir bezeichnen diesen Paradigmenwechsel als ‚Scheitern des Gesellschaftsvertrags‘.“

Vor diesem Hintergrund sieht der Ausblick der Saxo Bank für die wichtigsten Anlageklassen im zweiten Quartal 2016 wie folgt aus:

Devisenmärkte
Mit Blick auf Q2 erwarten wir, dass das Britische Pfund unser Thema des gescheiterten Gesellschaftsvertrags am deutlichsten zu spüren bekommen wird, da Grossbritannien im Eiltempo auf einen potenziellen Brexit zusteuert. Es ist zwar noch völlig unklar, welche praktischen Konsequenzen ein solcher Schritt letztlich haben wird, doch die unmittelbaren Auswirkungen auf die Devisenmärkte werden wahrscheinlich gravierend sein. Dies gilt vor allem für die Volatilität des Pfund-Wechselkurses.

Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass der Markt im Laufe des zweiten Quartals damit beginnen wird, die Möglichkeit eines Wahlsiegs von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen in Betracht zu ziehen und über dessen Folgen für die US-Wirtschaft und insbesondere den US-Dollar nachzudenken. So besteht während des Wahlkampfes die grosse Gefahr einer US-Dollar-Schwäche, je stärker die Meinungsumfragen einen Wahlsieg Trumps vorhersehen. Dies ist einfach deswegen der Fall, weil Trump schlicht die Definition einer „unbekannten Grösse“ verkörpert. Auch in diesem Zusammenhang ist eine ausgeprägte Volatilität also gewissermassen das Einzige, das garantiert ist.

In Japan könnte der Gesellschaftsvertrag als nächstes unter Beschuss geraten. Zwar wird der Chef der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda, sein Inflationsziel von 2 Prozent mühelos erreichen, aber dabei sprechen wir von einem Minus von 2 Prozent – oder sogar noch mehr.

Anleihen
Der zunehmende Druck auf Europa, einige seiner dringlichsten Probleme zu lösen, könnte die Anleihenmärkte allzu leicht erneut in Mitleidenschaft ziehen. Denn die Ängste vor einem Brexit sowie der Widerstand gegen die Austeritätspolitik in den europäischen Peripheriestaaten könnten an den Märkten für Unruhe sorgen. Mit Blick auf das zweite Quartal bleiben wir auch für Finanzwerte zurückhaltend. Die Gründe dafür sind die sehr niedrigen Renditen, zunehmende (und nach wie vor unklare) Regulierungstendenzen, eine höhere Zahl Not leidender Kredite sowie überholte Geschäftsmodelle.

Rohstoffe
Endlich stabilisieren sich die Rohstoffmärkte Schritt für Schritt wieder, nachdem sie in den letzten Jahren massiv abverkauft worden waren. Dies galt in erster Linie für Gold und Öl. Im ersten Quartal wurde nahezu ununterbrochen in Gold investiert. So machten Hedgefonds aus früheren Rekord-Short-Gewichtungen innerhalb von nur 13 Monaten ihre höchsten Netto-Long-Positionen aller Zeiten. Dieser positive Trend sollte dazu führen, dass der Goldpreis auf 1,310 US-Dollar pro Feinunze klettert. Ein höheres Niveau halten wir jedoch für unwahrscheinlich.

Ein Quartal hat ausserdem genügt, damit sich die Stimmung nach den düsteren Tagen Mitte Januar, in denen der Preis für Brent-Rohöl auf ein Zwölf-Jahres-Tief gesunken war, wieder aufgehellt hat. Ebenso wie bereits im ersten Quartal rechnen wir für Brent auch für die kommenden drei Monate mit einem Preiskorridor zwischen 35 und 40 US-Dollar pro Barrel, gehen aber nicht mehr von einem weiteren Preisverfall aus.

Aktien
Der schwankungsintensive Start in das Jahr 2016 hat die globalen Aktienmärkte belastet, so dass einige Sektoren auf Basis unseres neuen Bewertungsmodells für die MSCI World-Sektorenindizes mittlerweile wieder günstig bewertet sind. Deshalb sind zyklische Branchen wie Luxusgüter, Rohstoffe und Finanzen auf Basis ihrer standardisierten Bewertungskennzahlen inzwischen preiswert geworden. Zu Beginn des zweiten Quartals sind wir in diesen Sektoren deshalb übergewichtet.

Makro
Auf volkswirtschaftlicher Ebene bestehen mit Blick auf das Ende des zweiten Quartals einige bedeutende Risiken. Dazu zählen die Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) am 15. Juni, das Referendum über einen möglichen Brexit am 23. Juni sowie Neuwahlen in Spanien. Aber selbst wenn wir die für das zweite Quartal erwartete Zinserhöhung des FOMC schadlos überstehen sollten, machen Aktien aus den Industriestaaten im Moment keinen preiswerten Eindruck. Schließlich hat die Kurserholung um etwa 10 Prozent aus dem Februar das Bewertungsniveau dieser Papiere beeinträchtigt.

Die Saxo Bank-Experten gehen davon aus, dass die Gewinne in Italien kräftig ansteigen werden, weil sich die Finanzbranche in diesem Land wieder erholt, während dieser Sektor gleichzeitig eine Dividende von rund 3,5 Prozent erwirtschaftet. Im Gegensatz dazu ist Grossbritannien nach wie vor überbewertet, weil die vom Immobiliensektor ausgehenden positiven Effekte allmählich nachlassen.

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