SGKB Investment views: Gönnen wir der Eurozone ein Erfolgserlebnis

Thomas Stucki

Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Von Thomas Stucki, CIO St. Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Das BIP-Wachstum in der Eurozone für das erste Quartal wurde zwar leicht nach unten korrigiert. Mit einem Plus von 0.5% ist es dennoch beachtlich. Nach amerikanischer Schreibweise sind das 2.0% und damit deutlich mehr als in den USA. Das Wachstum in der Eurozone ist dabei breit abgestützt. Spanien legte 0.8% zu und auch das latente Sorgenkind Frankreich fiel mit 0.5% nicht ab. Im Gegensatz zu den USA ist das Wachstum nicht konsumgetrieben, sondern basiert neben steigenden Staatsausgaben auch auf einem soliden Plus von 1.3% bei den privaten Investitionen.

Dies ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker in Deutschland, welche die expansive Geldpolitik der EZB für übertrieben und zunehmend schädlich halten. Mario Draghi wird das positive Wachstum auch befriedigt zur Kenntnis nehmen. Er wird aber weiterhin die Gefahren für die Wirtschaft aufgrund der schwächelnden Weltkonjunktur und die zu tiefen Inflationsraten betonen. Die Inflationsrate ist mit -0.2% im April wieder in den negativen Bereich gerutscht. Bei der Kernrate ohne die von der EZB nicht beeinflussbaren Energie- und Nahrungsmittelpreise sieht es mit 0.7% weniger dramatisch aus. Zwar liegt auch diese deutlich unter dem Zielwert der EZB von «unter, aber nahe bei 2%». Die Kernrate ist im April auch gesunken, von einer Deflation ist die Eurozone aber weit entfernt.

Schwelende politische Risiken
Es tut den Verantwortlichen in der Eurozone gut, dass sie für einmal mit einer positiven Meldung in die Schlagzeilen kommen. Dies darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass immer noch vieles im Argen ist. Spanien sucht vergeblich nach einer tragfähigen Regierung und wird mit Neuwahlen einen neuen Anlauf nehmen. Wichtige Reformentscheide sind damit für längere Zeit auf Eis gelegt. Die Brexit-Abstimmung hat direkt nichts mit der Eurozone zu tun. Die politische Ohrfeige und die unweigerlich folgende Unsicherheit bei einem allfälligen Austritt Grossbritanniens aus der EU würden aber auch die Eurozone negativ tangieren und schwächen. Die Schuldenkrise in Griechenland ist zwar im letzten Juli gelöst worden. Die aktuellen Diskussionen um zusätzlich notwendige Sparmassnahmen für die Auszahlung der nächsten Kredittranche zeigen aber, dass das Eis dünn ist und Griechenland jederzeit wieder in Schieflage geraten kann.

Verebbter Reformeifer
Das erneute Tauziehen zwischen der EU und der griechischen Regierung zeigt, dass die Schuldenfrage in der Eurozone alles andere als gelöst ist. Dies gilt auch für Länder wie Italien oder Portugal. Dass der Reformeifer in dieser Frage eingeschlafen ist, ist nicht zuletzt der Geldpolitik der EZB zu verdanken. Die tiefen Zinsen und durch das QE-Programm die faktische Abnahmegarantie für die zur Finanzierung der Schulden notwendigen Staatsanleihen haben Druck von den Finanzministern genommen, das Problem anzugehen. Solange die EZB an ihrer Politik nichts ändert, wird diesbezüglich auch nichts geschehen. Da kann Mario Draghi noch lange darauf hinweisen, dass für einen nachhaltigen Aufschwung dringend Reformen in den Problemländern der Eurozone notwendig sind. (SGKB/mc/ps)

 

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