EU schmiedet Kompromiss zu Öl-Boykott gegen Russland – und Gas?

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(Photo by Cameron Venti on Unsplash)

Brüssel – Die EU-Staaten haben sich nach wochenlangen Diskussionen auf einen weitgehenden Boykott von Öllieferungen aus Russland verständigt. Die Einigung bei einem Gipfel in Brüssel offenbart allerdings, dass es der EU nach drei Monaten zunehmend schwer fällt, mit einer Stimme auf den russischen Krieg gegen die Ukraine zu reagieren. Zwar bemühten sich die Staats- und Regierungschefs der 27 Staaten weiter um Geschlossenheit. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban konnte aber nur durch erhebliche Zugeständnisse dazu gebracht werden, den Embargo-Plänen zuzustimmen.

Die Einfuhr von russischem Öl per Schiff soll nach dem Kompromiss aus der Nacht zum Dienstag nun verboten werden – vermutlich wird das aber erst in einigen Monaten greifen. Öl-Lieferungen über den Landweg per Pipeline bleiben jedoch erlaubt. Orban hatte argumentiert, dass sein Land aus wirtschaftlichen Gründen nicht bis Ende des Jahres auf russisches Öl verzichten könne. Die Nachbarn Slowakei und Tschechien schlossen sich an.

Auch bekam Orban nach wochenlanger Blockadepolitik Geld aus EU-Töpfen für den Umbau der Öl-Infrastruktur seines Landes in Aussicht gestellt. Bei plötzlichen Lieferproblemen soll ihm auch erlaubt werden, trotz Embargos Öl per Tanker zu beziehen.

«Ruchlos» gepokert
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äusserte sich über die Verhandlungstaktik des Rechtspopulisten empört. Orban habe «ruchlos» gepokert. Europas Kraft und Entschlossenheit hätten durch das «Gewürge» Schaden gelitten. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich in Brüssel zuvor noch positiv geäussert und von einschneidenden Sanktionen gegen Russland gesprochen.

Dabei ist auch der deutsche Kurs in der Sanktionspolitik umstritten. So wird der Bundesregierung von der Ukraine, aber auch aus EU-Staaten wie Litauen oder Polen immer wieder vorgeworfen, aus egoistischen Motiven europäische Planungen für einen Gasboykott gegen Russland abzulehnen.

Deutschland will auch weg von russischem Gas
Die Bundesregierung strebt an, bis zum Sommer 2024 weitgehend unabhängig von russischem Gas zu werden. Bei einem zu schnellen Einfuhrstopp befürchtet Deutschland eine Wirtschaftskrise. Ob die Entscheidung für ein Öl-Embargo die ohnehin hohen Energiepreise weiter verteuern wird, war unklar. Experten hatten zuletzt deutlich gemacht, dass dies derzeit kaum abzuschätzen ist. Deutschland will ohnehin nur noch dieses Jahr Öl aus Russland importieren.

Offen ist auch, wie schwer Russland tatsächlich von dem Teil-Embargo getroffen werden wird, das frühestens Ende des Jahres umgesetzt werden wird. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell räumte ein, dass Moskau nicht zwingend weniger Öl exportieren werde. «Wir können Russland nicht davon abhalten, sein Öl an jemanden anderen zu verkaufen.» So mächtig sind wir nicht.» Die EU sei aber Russlands wichtigster Kunde gewesen. «Sie werden sich nach anderen umschauen müssen, und sie werden sicherlich die Preise senken müssen.»

Fast eine Milliarde Euro täglich für russisches Öl und Gas
Nach Schätzungen der EU-Denkfabrik Bruegel gaben EU-Staaten bis vor Kurzem noch täglich etwa 450 Millionen Euro für Öl aus Russland aus sowie 400 Millionen für Gas. Von der Leyen zufolge werden die Öl-Importe der EU aus Russland trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert. Grund dafür ist, dass neben Deutschland auch Polen nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren will.

Beide Länder sind wie Ungarn, Tschechien und die Slowakei an die einzige aus Russland kommende Pipeline «Druschba» («Freundschaft») angeschlossen. In Deutschland versorgt die «Druschba» bislang die grossen ostdeutschen Raffinerien in Schwedt und Leuna. Insgesamt kommt bislang ein Drittel der russischen Ölimporte über die «Druschba». Zwei Drittel werden über den Seeweg transportiert.

Details der Boykott-Vereinbarung sollen am Mittwoch von den ständigen Vertretern der EU in Brüssel ausgearbeitet werden. Im Anschluss könnte das Sanktionspaket dann förmlich beschlossen werden. Mit dem Embargo würden dann auch weitere zusätzliche Russland-Sanktionen in Kraft treten. So sieht das sechste Sanktionspaket unter anderem vor, die grösste russische Bank Sberbank aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift auszuschliessen. Zudem sollen der staatliche Fernseh-Nachrichtensender Russia 24 (Rossija 24) sowie die Staatssender RTR Planeta und TV Centre in der EU verboten werden.

Nächstes «Gewürge» vorprogrammiert
Kann verhindert werden, dass es beim nächsten Sanktionspaket wieder ein «Gewürge» gibt? Das ist unwahrscheinlich – auch, weil Sanktionsbeschlüsse einstimmig getroffen werden müssen. Habeck sprach sich erneut dafür aus, diese Regelung abzuschaffen. Er räumte allerdings ein, dass dies schwierig werden dürfte – weil man dafür eben einen einstimmigen Beschluss braucht.

Gipfelteilnehmer appellierten an die EU-Kommission, ihren Kurs zu ändern. Orban wetterte, die Behörde habe unverantwortlich gehandelt, indem sie Energie-Sanktionen vorgeschlagen habe, die nicht vernünftig verhandelt worden seien. Österreichs Kanzler Karl Nehammer äusserte sich ähnlich: Normalerweise «verhandelt man mit den Gesprächspartnern, bevor man das Ergebnis verkündet».

Ein mögliches Gas-Embargo dürfte somit auf absehbare Zeit kein Thema in der EU werden. Mehrere Regierungschefs machten deutlich, dass es einheitliche Position gibt. Ein Gas-Embargo sei für ein nächstes Sanktionspaket «kein Thema», sagte Nehammer. Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo sagte, man solle nun erst einmal die Auswirkungen des sechsten Sanktionspakets abwarten. (awp/mc/ps)

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