«Kanzler der Einheit:» Helmut Kohl ist 87jährig verstorben

Helmut Kohl

Helmut Kohl (1930-2017)

Berlin – Mit 87 Jahren ist Helmut Kohl, der Kanzler der deutschen Wiedervereinigung, am Freitagmorgen gestorben. Deutschland verliert eine prägende Persönlichkeit der Nachkriegszeit. Der Todesnachricht folgten Würdigungen aus aller Welt. Laut «Bild»-Zeitung starb Kohl in seinem Haus in Ludwigshafen.

Kohl regierte von 1982 bis 1998 als Bundeskanzler – 16 Jahre, so lange wie bisher niemand in diesem Amt vor und nach ihm. Er war treibende Kraft für die EU und eine gemeinsame Währung. Immer wieder hob er die Bedeutung der europäischen Idee für Frieden und Wohlstand hervor. Als sein grösster Erfolg gilt aber die deutsche Wiedervereinigung.

Merkel: Glücksfall für die Deutschen
Man werde noch lange bewundern, wie entschlossen Kohl und seine Mitarbeiter die Gunst der Stunde zur Vereinigung genutzt hätten, sagte die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Abend in Rom über ihren Amtsvorgänger. «Das war höchste Staatskunst im Dienste der Menschen und des Friedens. Helmut Kohl ist damit zu einem Glücksfall für uns Deutsche geworden.»

Kohl habe auch ihren Lebensweg als DDR-Bürgerin entscheidend verändert, sagte Merkel. «Ich bin ganz persönlich dankbar, dass es ihn gegeben hat.» Er sei zudem ein Modernisierer der CDU gewesen. Merkel hatte die Nachricht von Kohls Tod während ihrer Reise nach Rom erhalten. Dorthin war die Kanzlerin für eine Privataudienz bei Papst Franziskus am Samstag geflogen.

Seit einem Sturz und Schädel-Hirn-Trauma 2008 war Kohl schwer krank, sass im Rollstuhl und konnte nur schwer sprechen. 2015 hatte sich sein Zustand deutlich verschlechtert. Nach Operationen lag er monatelang im Spital. Kohl kehrte aber wieder in sein Haus in Ludwigshafen-Oggersheim zurück.

Steinmeier: Einheit in Frieden
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte am Abend die Verdienste des verstorbenen Alt-Kanzlers für die Wiedervereinigung und den Zusammenhalt Europas.

«Es ist ihm gelungen, die deutsche Einheit im friedlichen Einvernehmen und in guter Partnerschaft mit unseren europäischen Nachbarn zu erreichen. Ihm verdanken wir, dass Deutschland als europäische und geeinte Nation bestätigt und damit die «Deutsche Frage» beantwortet wurde», schrieb Steinmeier an die Witwe.

Kohl erkannte nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989, dass das Fenster für die deutsche Einheit nur kurz geöffnet sein würde. Unter Hochdruck handelte er mit den Staats- und Regierungschefs der USA, der Sowjetunion, Grossbritanniens, Frankreichs sowie den Verantwortlichen der Europäischen Union die Modalitäten dafür aus.

Mann der politischen Rekorde
Der CDU-Politiker war ein Mann der politischen Rekorde: Von 1973 bis 1998 war er Parteichef – eine 25-jährige Amtszeit dürfte in der Partei nur schwer noch einmal zu erreichen sein. Merkel führt die Christdemokraten seit 17 Jahren.

Kohl war Anfang der 1990er Jahre Merkels Ziehvater in Bundesregierung und Partei gewesen. Aber sie war es, die Ende der 1990er Jahre als damalige CDU-Generalsekretärin die Partei wegen der Spendenaffäre, in die Kohl massgeblich verwickelt war, zur Loslösung vom CDU-Übervater aufforderte. Das Verhältnis der beiden blieb bis zuletzt erschüttert.

Mehr als 40 Jahre war der geborene Ludwigshafener Parlamentarier, zuerst im Mainzer Landtag und von 1976 an im Bundestag. Sieben Jahre – von 1969 bis 1976 – war Kohl Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.

1960 heiratete er die Dolmetscherin Hannelore Renner. Das Ehepaar bekam zwei Söhne, Walter und Peter. 2001 nahm sich Hannelore Kohl, die an einer schmerzhaften Lichtallergie litt, das Leben. Sieben Jahre später schloss Kohl seine zweite Ehe mit der 34 Jahre jüngeren Regierungsdirektorin Maike Richter.

Leuthard: Grosser, weitsichtiger Politiker
Auch die offizielle Schweiz reagierte auf den Tod des früheren deutschen Kanzlers Helmut Kohl. Bundespräsidentin Doris Leuthard schrieb auf Twitter: «Mit Helmut Kohl ist ein Staatsmann gestorben, der unseren Kontinent während Jahrzehnten geprägt hat. Er war ein grosser, weitsichtiger Politiker. Als Kanzler der deutschen Einheit und überzeugter Europäer wird er unvergessen bleiben.»

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker teilte mit: «In Gedenken an Helmut Kohl habe ich die Europaflaggen vor den europäischen Institutionen auf halbmast setzen lassen.»

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äusserte «tiefe Trauer» über den Tod Kohls. Dieser sei «einer der grössten Freunde des Staates Israel» und der Sicherheit des jüdischen Staates «vollkommen verpflichtet» gewesen.

Der frühere US-Präsident George H. W. Bush würdigte Kohl als «wahren Freund der Freiheit». «Bush war einer der US-Präsidenten, die während Kohls Amtszeit im Weissen Haus waren.

Auch der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow würdigte die Verdienste Kohls. Gorbatschow gilt als einer der Wegbereiter der deutschen Einheit. Im Juli 1990 traf er sich mit Kohl im Kaukasus. Beim so genannten «Strickjacken»-Treffen gelang der Durchbruch für die «volle und uneingeschränkte Souveränität» Deutschlands. (awp/mc/upd/ps)

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