Linde und Praxair starten neuen Anlauf für Zusammenschluss

Wolfgang Büchele

Linde-Vorstandschef Wolfgang Büchele tritt zurück. (Foto: Linde)

München – Zwei Monate nach dem Abbruch ihrer Fusionsverhandlungen nehmen der Industriegase-Konzern Linde und sein US-Konkurrent Praxair einen neuen Anlauf für einen Zusammenschluss. Zusammen würden sie den französischen Konkurrenten Air Liquide als Weltmarktführer für Industriegase ablösen. Um die Verhandlungen zu erleichtern, räumte der eigentlich noch bis April amtierende Linde-Chef Wolfgang Büchele seinen Posten am Mittwoch mit sofortiger Wirkung. Als Nachfolger soll der 66-jährige frühere Linde-Europa-Chef Aldo Belloni den Zusammenschluss unter Dach und Fach bringen. Linde-Aktien legten um mehr als zwei Prozent zu.

Belloni gilt als Vertrauter von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle. Der erste Anlauf zu einem Zusammenschluss von Linde und Praxair war im September gescheitert, weil man sich bei der Wahl des Firmensitzes und der Struktur des fusionierten Unternehmens nicht einig geworden war. In der Folge hatte Linde-Finanzchef Georg Denoke gehen müssen und Büchele angekündigt, seinen Ende April auslaufenden Vertrag nicht mehr zu verlängern.

Amerikaner wollen Linde entgegenkommen
Am Mittwoch beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat, «die Gespräche über die wesentlichen Konditionen eines potenziellen Zusammenschlusses unter Gleichen der beiden Unternehmen wieder aufzunehmen». Basis sei ein neuer Vorschlag von Praxair. Die Amerikaner wollen Linde entgegenkommen und unter anderem über die Linde-Zentrale in München und die Forschung und Entwicklung im nahen Pullach neu verhandeln.

Alle Mitglieder des Aufsichtsrats unterstützten die Wiederaufnahme der Gespräche. Die Gewerkschaften hatten sich zuvor kritisch geäussert, weil sie um den Erhalt von Stellen in Deutschland bangten. Büchele hat wegen schwacher Geschäfte im Anlagenbau soeben ein Sparprogramm mit massivem Stellenabbau verkündet. Allein in Dresden und Pullach könnten mehr als 1000 Arbeitsplätze wegfallen.

Bis zu einer Fusion könnte es ein oder zwei Jahre dauern
Linde-Aufsichtsratschef Reitzle dankte Büchele, weil «er Initiativen eingeleitet hat, die Lindes führende Rolle im globalen Wettbewerb sichern und erweitern sollen». Nachfolger Belloni, der einen Zwei-Jahres-Vertrag bekam, wisse, «wie entscheidend in unserer Branche Grösse und Wettbewerbsfähigkeit für den langfristigen Erfolg sind». Belloni war 14 Jahre lang im Linde-Vorstand und dort für das Europageschäft mit Industriegasen und den Anlagenbau zuständig.

Bis zu einer Fusion könnte es ein oder zwei Jahre dauern. Um die Zustimmung der Kartellbehörden zu erhalten, müssten die beiden Unternehmen wohl auch Firmenteile abgeben.

Überschneidungen vor allem in Nord- und Südamerika
Überschneidungen gebe es vor allem in Nord- und Südamerika, sagte ein Analyst. Praxair ist der dort grösste Industriegase-Hersteller. Linde ist im Industriegase-Geschäft in Europa und Asien stark und darüber hinaus im Anlagenbau und bei Medizingasen engagiert. Linde erwirtschaftete 2015 mit fast 18 Milliarden Euro zwar fast doppelt so viel Umsatz, aber nur knapp so viel Gewinn wie Praxair. Beim Börsenwert haben die Amerikaner mit 32 Milliarden Euro die Nase etwas vor den Münchnern mit 29 Milliarden Euro.

Bellonis Berufung zum Chef sei ein deutliches Zeichen, dass Linde nicht eigenständig bleiben werde, sagte ein Branchenexperte. Reitzle wolle die Fusion. Analysten rechnen bei einem Zusammenschluss mit Synergien in Höhe von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro.

Zusammenschluss rückt näher
Büchele sagte: «Mit der Wiederaufnahme der Fusionsgespräche rückt ein erfolgreicher Zusammenschluss näher.» Mit seinem sofortigen Rücktritt sei «die erforderliche Kontinuität für die anspruchsvollen Aufgaben der kommenden Monate ohne Unterbrechung gewährleistet». (awp/mc/pg)

Exit mobile version