Rajoy vor dem Ende – Abwahl im spanischen Parlament wahrscheinlich

Spaniens abgewählter Ministerpräsident Mariano Rajoy. (Foto: © Gobierno de España / Pool Moncloa)

Madrid – Die Abwahl des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Rahmen eines Misstrauensvotums steht kurz bevor. Die Sozialisten (PSOE) von Pedro Sánchez, die den Antrag eingebracht haben, hatten bis zum Donnerstagnachmittag die nötigen 176 Stimmen hinter sich gebracht, um den Regierungschef bei der Abstimmung am Freitag zu Fall zu bringen. Zünglein an der Waage blieb bis zuletzt die kleine Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die im Parlament über fünf Sitze verfügt. Diese hatte Rajoy kürzlich noch mit ihren Stimmen geholfen, seinen Haushalt zu verabschieden – jetzt kündigte sie an, die PSOE unterstützen zu wollen.

Damit drohen nach der schweren Regierungskrise in Italien einem weiteren südeuropäischen Land unsichere politische Zeiten. Und die gab es in den vergangenen Jahren in Spanien bereits reichlich: Rajoy führt seit Herbst 2016 eine Minderheitsregierung, nachdem eine Parlamentswahl 2015 und eine Neuwahl 2016 keine klaren Mehrheitsverhältnisse gebracht und Spanien in eine politische Pattsituation gezwungen hatten. Allerdings gilt Spanien als wirtschaftlich stabiler als Italien.

Sánchez hatte den konstruktiven Misstrauensantrag, bei dem er als Kandidat für eine Nachfolge Rajoys antritt, als Reaktion auf die Gerichtsurteile in der Korruptionsaffäre um Rajoys konservative Volkspartei (PP) gestellt. Diese war in der vergangenen Woche wegen Verwicklung in den Fall zu einer Geldstrafe von 245 000 Euro verurteilt worden. Mehrere Ex-Parteimitglieder erhielten langjährige Haftstrafen. Der Skandal ist unter dem Namen «Operación Gürtel» bekannt geworden.

Im Laufe der vergangenen Tage war Rajoy zunehmend unter Druck geraten. Schon vor Beginn der Debatte waren Forderungen nach einem freiwilligen Rücktritt aufgekommen. Die renommierte Zeitung «El País» hatte am Donnerstag kommentiert: «Mit seiner Weigerung zurückzutreten, beraubt sich Rajoy selbst der letzten Gelegenheit, seine politische Figur mit einer letzten mutigen Entscheidung zu würdigen.»

«Treten Sie zurück, Herr Rajoy, und all das hier wird enden»
Auch Sánchez drängte den 63-Jährigen, seinen Hut zu nehmen: «Treten Sie zurück, Herr Rajoy, und all das hier wird enden. Treten Sie zurück, Ihre Zeit ist vorbei», sagte der 46-Jährige unter dem Applaus der Opposition.

Rajoy gab sich am Morgen im Parlament noch kämpferisch und selbstsicher. Immer wieder brandete Beifall aus den Reihen seiner konservativen PP auf. «Mit welcher moralischen Autorität sprechen Sie denn hier? Sind Sie etwa Mutter Teresa von Kalkutta?», warf er der PSOE etwa mit Blick auf einen Korruptionsskandal entgegen, in den führende Sozialisten in Andalusien verwickelt sind. Gleichzeitig räumte er ein: «Ich sage es noch einmal: In der PP gab es Korruption, aber die PP ist nicht korrupt.» Sánchez warf er erneut vor, nur ein Ziel zu verfolgen – nämlich selbst an die Macht zu kommen.

Am Nachmittag hingegen, als sich immer mehr Stimmen hinter Sánchez versammelten, blieb Rajoy demonstrativ der Debatte fern. Damit der Antrag der Sozialisten Erfolg hat, ist am Freitag eine absolute Mehrheit von 176 Stimmen nötig. Ausser den 84 Abgeordneten der PSOE wollen auch das linke Bündnis Unidos Podemos, das über 67 Sitze verfügt, und mehrere Regionalparteien – unter anderem auch aus der Krisenregion Katalonien – sowie die baskische PNV gegen den Regierungschef votieren. Die liberale Partei Ciudadanos hatte angekündigt, die PSOE nicht stützen zu wollen, sie fordert aber eine Neuwahl.

Im Rahmen dieser Konstellation spielt somit Katalonien wieder eine wichtige Rolle und entscheidet – Ironie des Schicksals – mit über das politische Ende des ewigen Widersachers Rajoy. Die separatistischen Regionalparteien ERC und PDeCAT sind schon lange mit der PP auf Konfrontationskurs – und hoffen, mit einer anderen Zentralregierung einen Dialog zu beginnen.

Schon bald soll in Barcelona das neue Kabinett vereidigt werden, nachdem Regionalchef Quim Torra am Dienstag seine umstrittene Ministerliste umgestellt und somit im Streit mit Madrid eingelenkt hatte. Torra hofft, dass nun die Zwangsverwaltung beendet wird, unter die Rajoy die Krisenregion gestellt hatte.

Es ist erst der vierte Misstrauensantrag in Spanien seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975. Die drei vorangegangen waren gescheitert. (awp/mc/ps)

 

 

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