Spanien bangt um seine Werften

Joaquín Almunia

EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia bringt seine Landsleute gegen sich auf. (Foto: EU-Kommission)

Madrid – Verkehrte Welt: Die EU-Kommission will dem spanischen Staat zu einer Einnahme in Milliarden-Höhe verhelfen, aber das Euro-Krisenland wehrt sich trotz aller Finanznöte vehement dagegen, das Geld zu kassieren. Es geht um steuerliche Erleichterungen für den Schiffbau, die Spanien seinen Werften gewährt hatte. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia betrachtet die Hilfen als illegale Subventionen. Der spanische Vizepräsident der EU-Kommission will nun erreichen, dass die Brüsseler EU-Behörde die Regierung in Madrid dazu zwingt, die Hilfen zurückzuverlangen.

Mit der Initiative, über die die EU-Kommission möglicherweise in der kommenden Woche entscheiden wird, brachte Almunia sein Heimatland gegen sich auf. Die spanische Regierung und die Opposition, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften protestierten empört gegen das Vorhaben des EU-Kommissars. Selten waren die Spanier sich so einig wie jetzt im Widerstand gegen das Vorhaben Almunias. Auch die Sozialisten, deren Parteichef und Spitzenkandidat Almunia dereinst war, schlossen sich dem Protest gegen ihren Genossen an.

Ende des Schiffbaus in Spanien befürchtet
Die Spanier weisen darauf hin, dass eine Rückerstattung der Hilfen das Ende des Schiffbaus in ihren Lande bedeuten würde. «Etwa 87.000 Arbeitsplätze, 19 private Werften, spanische und internationale Reedereien sowie die gesamte Zulieferindustrie drohen zu verschwinden, wenn Almunia seine Drohung durchsetzt», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung der Madrider Regierung, des Werftenverbands Pymar sowie der Regierungen in den betroffenen Regionen Galicien, Baskenland und Asturien.

Steuererleichterungen in Milliardenhöhe
Spanien hatte von 2005 bis 2011 für Aufträge bei spanischen Werften nach einem komplizierten System Steuererleichterungen gewährt. In Medienberichten werden die Hilfen, die den Erwerb spanischer Schiffe um etwa 30 Prozent verbilligten, auf 2,0 bis 2,8 Milliarden Euro beziffert. Madrid beruft sich darauf, dass Brüssel diese Praxis bis zur Einleitung eines Verfahrens im Jahr 2011 nie angeprangert habe. Almunias Vorgängerin, die niederländische EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, habe 2009 in einem Schreiben ausdrücklich betont, dass die spanische Regelung nicht gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstosse.

Demgegenüber betonte Almunia, die EU-Kommission habe bereits 2006 ähnliche Hilfen in Frankreich für illegal erklärt. Dies habe die Spanier schon damals dazu bewegen müssen, ihre Steuererleichterungen zu revidieren. Die EU-Kommission hat über den Almunia-Plan noch nicht entschieden, aber die spanischen Werften bekommen die Folgen schon jetzt zu spüren. Die Aufträge gingen drastisch zurück.

Galicien verliert Aufträge an Norwegen, Deutschland und Asien
Allein in der Region Galicien verloren die Werften seit der Einleitung des EU-Verfahrens 2011 Aufträge für den Bau von 54 Schiffen. Die Bestellungen gingen nach Angaben des Industrieverbandes Asime an die Konkurrenz in Norwegen, Deutschland und Asien. Einige spanische Betriebe sind derzeit ganz ohne Aufträge. In der Hafenstadt Vigo beschäftigten die Werften 2009 noch 12.000 Mitarbeiter, heute sind es nur noch 3.000.

Einer der modernsten Industriezweige des Landes
Spaniens Werften befinden sich seit Jahrzehnten im Umbruch, weil sie – ebenso wie der Schiffbau in anderen europäischen Ländern – aufgrund der Konkurrenz aus Südkorea, China und Japan drastische Einschnitte hinnehmen mussten. Sie konnten sich jedoch einigermassen behaupten und zählen heute zu einem der modernsten Industriezweige des Landes. Spaniens Schiffbauer produzieren überwiegend für den Export. Sie stellen unter anderen Fähren, Forschungs- und Versorgungsschiffe, Schlepper, Luxusjachten, Kutter und verschiedene Kriegsschiffe her. (awp/mc/pg)

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