von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Vreeke, im Frühjahr hat die Capsule Hotel Group sein erstes Kapselhotel im Ausland eröffnet. Wie kam es zum Standort Kopenhagen?
Adrie Vreeke: Kopenhagen war für uns ein logischer nächster Schritt. Die Stadt ist eine europäische Metropole mit starker Reisedynamik, einer weltoffenen Kultur und einer wachsenden Nachfrage nach innovativen, preislich fairen Übernachtungsoptionen. Wir haben gezielt nach einem Standort gesucht, der sowohl internationale Gäste als auch einheimische Reisende anspricht – und da passt Kopenhagen perfekt ins Bild.
Wie sieht die Bilanz nach den ersten Monaten aus?
Wir wussten, dass wir es schaffen können. Unsere Standorte behandeln wir bewusst wie Kunden des internen Services-Teams – dadurch haben wir viele Prozesse und die Gesamtqualität kontinuierlich verbessert. Der Stadtteil Vesterbro ist dabei ein echtes Juwel: zentral gelegen, lebendig und ideal für unsere Gäste, um Kopenhagen zu entdecken. Das ursprüngliche Hostel, das wir übernommen haben, hatte bereits kapselähnliche Betten. Diese haben wir durch unsere Leanline Capsules ersetzt und das gesamte Hotel aufgefrischt. Wir konnten pünktlich eröffnen – mit einem engagierten, motivierten Team – und seitdem eine durchschnittliche Auslastung von über 90 % erreichen.
Sie haben bereits vier Standorte in der Schweiz, zwei Hotels in Luzern, eines in Basel und das grösste Kapselhotel Europas am Flughafen Zürich. Geht die weitere Expansion eher ins Ausland oder sind weitere Standorte in der Schweiz geplant?
Beides. In der Schweiz sehen wir noch spannende Möglichkeiten für neue Standorte. Gleichzeitig zieht es uns ins Ausland: Wir wollen unser Konzept von stilvollem, bezahlbarem Reisen in weitere europäische Städte bringen. Dabei geht es uns nicht nur um mehr Hotels, sondern auch darum, Orte zu schaffen, an denen sich Menschen begegnen, die sich sonst vielleicht nie getroffen hätten.
«In der Schweiz sehen wir noch spannende Möglichkeiten für neue Standorte. Gleichzeitig zieht es uns ins Ausland.»
Adrie Vreeke, Mitgründer und CEO Capsule Hotel Group
Welche Standortkriterien müssen erfüllt sein?
Wir suchen Standorte mit hoher Nachfrage nach flexiblen Übernachtungen und guter Anbindung. Unsere Gäste sind meist Soloreisende, unterwegs zwischen Arbeit, Freizeit und Reise. Deshalb schauen wir gezielt nach bestehenden Hostels oder Hotels, die eine Auffrischung brauchen und genug Raum für Kapseln und Gemeinschaftsbereiche bieten – aber auch nach Möglichkeiten, ehemalige Gewerbeflächen oder Büros neu zu nutzen. Bei jeder Standortentscheidung achten wir zudem auf das Potenzial, lokale Ökosysteme einzubinden – sei es durch Partnerschaften mit regionalen Produzenten oder nachhaltige Umbau- und Energie-Lösungen
Wie hoch ist die Auslastung über alle Standorte hinweg?
Über alle Standorte hinweg – inklusive Kopenhagen und unserem 2024 neu eröffneten Haus in Luzern – liegen wir bei über 80 % Auslastung. Während der europäische Markt aktuell einen vorübergehenden Nachfragerückgang erlebt, konnten wir als Gruppe ein starkes Wachstum von rund 10 % Year-to-Date verzeichnen.
«Über alle Standorte hinweg – inklusive Kopenhagen und unserem 2024 neu eröffneten Haus in Luzern – liegen wir bei über 80 % Auslastung.»
Welche Bedürfnisse moderner Reisender möchten Sie mit den Kapselhotels in erster Linie erfüllen?
Es geht im Kern um drei Dinge: Flexibilität, Privatsphäre und Design – ergänzt durch den sozialen Charakter, den man sonst aus Hostels kennt. Unsere Gäste wollen unterwegs nicht auf Komfort verzichten, brauchen aber auch keine überflüssige Fläche. In den Kapseln finden sie einen sicheren, gemütlichen Rückzugsort, während unsere Gemeinschaftsbereiche Raum für Begegnung, Austausch und das typische Reisegefühl schaffen.
Wie schaffen Sie mit den Kapselhotels die Balance zwischen dem Prinzip der Reduktion und dem Bedürfnis der Gäste nach Komfort und Privatsphäre?
Die Kunst liegt in der Gestaltung. Wir reduzieren die Fläche, aber nicht die Erfahrung. Jede Kapsel ist so konzipiert, dass man sich zurückziehen, zur Ruhe kommen und gleichzeitig alles Wesentliche griffbereit haben kann. Privatsphäre entsteht durch klare Strukturen, gutes Licht und hochwertige Materialien.
Gibt es denn den «typischen Capsule Hotel-Gast»?
Einen «typischen» Capsule Hotel-Gast gibt es nicht. In unseren City-Standorten sehen wir vor allem viele Soloreisende – übrigens das am schnellsten wachsende Segment in der Branche. Am Flughafen wiederum sind es stärker Geschäftsreisende, die uns nutzen. Die Herausforderung liegt darin, für jede Gästekategorie das passende Erlebnis zu schaffen. Dass uns das gelingt, zeigen die durchweg überdurchschnittlichen Gästebewertungen in allen Häusern der jeweiligen Regionen.
«In unseren City-Standorten sehen wir vor allem viele Soloreisende – übrigens das am schnellsten wachsende Segment in der Branche. Am Flughafen wiederum sind es stärker Geschäftsreisende, die uns nutzen.»
Jedes Hotel hat eine eigene Erlebniswelt. Inwieweit gelingt es mit dem Design über alle Standorte hinweg eine einheitliche Atmosphäre zu erzeugen?
Wir arbeiten mit einer klaren Design-DNA, die überall spürbar ist: ein „Wow-Moment“ beim Betreten durch elegante Gestaltung, kombiniert mit warmen Materialien und smarten Lösungen. Gleichzeitig lassen wir jedem Standort Freiraum, lokale Akzente zu setzen – oder sogar mit lokalen Künstlern zusammenzuarbeiten. So binden wir das jeweilige Ökosystem aktiv mit ein. Aussenauftritt und Check-in-Bereich hingegen zeigen immer klar unsere Markenfarben, unser Design und unser Logo. Das verdanken wir nicht zuletzt unserem CDO und meinem Geschäftspartner Peter Schiffhauer.
Wie reagieren Ihre Gäste auf die vollständig automatisierte Customer Journey vom Check-in bis zum Check-out?
Sehr positiv. Unsere Zielgruppe ist digitalaffin und schätzt die Einfachheit. Der gesamte Prozess ist intuitiv, schnell und reduziert Wartezeiten. Für viele Gäste ist es ohnehin selbstverständlich, digital unterwegs zu sein – sie buchen täglich ihr SBB-Ticket, einen Flug oder erledigen ihre Bankgeschäfte online. Genau so unkompliziert funktioniert auch unser Check-in bis Check-out. Und für alle, die trotzdem persönliche Hilfe wünschen, sind unsere Hosts vor Ort präsent.
Sie bieten in den Hotels zwei verschiedene Kapsel-Optionen an – die Swiss Capsule und die Lean Line. Wie lassen sich auf so kleinem Raum Unterschiede festmachen?
Die Swiss Capsule ist unsere Premium-Version – mehr Komfort, mehr Ausstattung, mehr Design. Die Lean Line ist minimalistischer und budgetfreundlicher, aber genauso durchdacht. Im Grunde geben wir den Gästen die Wahl zwischen „einfach clever“ und „etwas luxuriöser clever“.
Produzieren Sie die Kapseln ausschliesslich für Ihre Hotels oder auch für Mitbewerber?
Wir konzentrieren uns klar auf den Ausbau unserer eigenen Hotels. Gleichzeitig nutzen wir die hohe Nachfrage nach Kapseln opportunistisch und haben bereits mehrere Projekte umgesetzt, bei denen wir unsere Kapseln an anderen Standorten installiert haben. Der Markt für modernes Reisen wächst stark, und uns ist wichtig, dass Gäste überall eine hochwertige Capsule-Erfahrung machen. Lieber sehen wir den Markt mit guten, von uns entwickelten Kapseln wachsen, als dass selbstgebastelte oder minderwertig importierte Lösungen das Erlebnis verwässern. So sichern wir die Qualität – und damit auch die zukünftige Nachfrage.