Alex Zwyer, CEO und Co-Founder NLS Pharmaceutics, im Interview

Alex Zwyer

Alex Zwyer, CEO und Co-Founder NLS Pharmaceutics. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Zwyer, Ende Januar hat NLS Pharmaceutics («NLS») aus Stans den Gang an die Börse gewagt. Weshalb erfolgte der Erstbörsengang nicht in der Schweiz, sondern an der US- Technologiebörse Nasdaq in New York?

Alex Zwyer: In der Schweiz – anders in den USA – besteht praktisch keine oder nur ungenügend Nachfrage seitens der Anleger um in «pre-revenue companies» also Firmen im Entwicklungsstadium – ohne Erträge, zu investieren. Ein vergleichbarer Börsengang wäre somit in der Schweiz nicht zu realisieren gewesen.

Sie waren als COO bei der heutigen Viforpharma tätig, sind dann aber ausgestiegen und haben 2015 NLS Pharmaceutics mitgegründet. Können Sie uns schildern, wie es dazu kam?

Die Zeit bei Viforpharma war eine lehrreiche und wichtige Erfahrung. Nach einer dynamischen Karriere entschloss ich, mir den langersehnten Traum von einem Sabbatical in Patagonien zu erfüllen. Die Idee zu NLS entstand 2014 als ein ehemaliger Forscher, mit welchem ich seinerzeit bei Viforpharma zusammenarbeitete, auf mich zukam mit der Bitte ihm zu helfen ein vielversprechendes Medikament, für neue Indikationen (Anwendungsgebiete) zu entwickeln. Der erste Schritt bestand dann darin eine Firma zu gründen und Investoren zu finden. Dies geschah 2015 in der Schweiz. Seit 2015 wurden rund CHF 20 Millionen in NLS investiert.

Ihr Haupt-Produktkandidat ist Quilience®, eine geschützte Retard-Formulierung von Mazindol, die zur Narkolepsie-Therapie entwickelt wurde. Um was für eine Erkrankung handelt es sich bei Narkolepsie, wie äussert sie sich?

Narkolepsie ist eine neurologische Krankheit. Sie ist eine Störung der Schlaf-Wach-Regulierung, deren Zentren im Hirnstamm und im Zwischenhirn liegen. Als Ursache vermutet man einen Autoimmunprozess, welcher zur Zerstörung der Hypocretin/Orexin- bildenden Hirnzellen im Hypothalamus führt. Die Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung (0.2-1.6/1000), die zu einer stark erhöhten Tagesschläfrigkeit führt. Obwohl die Erkrankung häufig schon im jugendlichen Alter beginnt wird die Diagnose erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome gestellt, da eine erhöhte Tagesschläfrigkeit erst anderen Ursachen zugeschrieben wird. Die Narkolepsie ist charakterisiert durch eine exzessive Tagesschläfrigkeit. Das unaufhaltsame Schlafbedürfnis überfällt die Betroffenen in unpassenden Situationen. Viele Patienten erleben Anfälle mit plötzlicher Muskelschwäche, welche durch starke Emotionen, meistens Lachen ausgelöst werden, sogenannte Kataplexien.

«Obwohl Narkolepsie häufig schon im jugendlichen Alter beginnt wird die Diagnose erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome gestellt, da eine erhöhte Tagesschläfrigkeit erst anderen Ursachen zugeschrieben wird.»
Alex Zwyer, CEO und Co-Founder NLS Pharmaceutics

Was unterscheidet Mazindol von anderen Narkolepsie-Behandlungen? Wie wirkt Mazindol?

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass der ungedeckte medizinische Bedarf im Bereich der Narkolepsietherapie nach wie vor gross ist. Mangelnde Wirksamkeit, unzureichendes Sicherheitsprofil sind u.a. mitverantwortlich dafür, dass Narkolepsiepatienten derzeit mit einem Medikamenten-Cocktail konfrontiert sind, welchen sie täglich und ein Leben einnehmen müssen. Aus retrospektischen Studien wissen wir, dass Mazindol, der Wirkstoff in Quilience®, erfolgreich als Monotherapie zur Behandlung von Narkolepsie eingesetzte wurde. Diese Therapie geschah als sog. «compassionate use therapy», ausserhalb der zugelassenen Indikation, auf Verantwortung des behandelnden Arztes.

Ist Narkolepsie genetisch bedingt oder hat die Krankheit äussere Faktoren?

Gewisse familiäre Häufungen von Narkolepsie wurden zwar beobachtet, sind jedoch selten. So weisen lediglich 1-3% der Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister) von Betroffenen, entweder eine Narkolepsie auf oder leiden zumindest an einer erhöhten Tagesmüdigkeit oder -schläfrigkeit. Man geht heute davon aus, dass neben der genetischen Veranlagung auch andere Faktoren an der Krankheitsentstehung beteiligt sind. Umwelteinflüsse (Unfallereignisse, Infektionen, Impfungen) und/oder autoimmune Prozesse, bei denen der Körper sich selbst angreift und die das zentrale Nervensystem beeinflussen, stehen im Verdacht, eine Narkolepsie auslösen zu können.

Wie sieht es mit der Prävalenz aus und in welchem Alter wird die Krankheit festgestellt?

Narkolepsie betrifft etwa 0,05 Prozent der Bevölkerung. Bei Kindern wird die Diagnose Narkolepsie selten gestellt, obwohl sie bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten kann. Denn je jünger die Patienten sind, desto mehr unterscheiden sich ihre Symptome von denen Erwachsener. Hinzu kommt, dass in vielen Kinderkliniken die Erkrankung weitgehend unbekannt ist. Das erschwert eine schnelle und sichere Diagnose.

Die Narkolepsie kann grundsätzlich in jedem Alter erstmals auftreten. Allerdings haben Forscher zwei Häufigkeitsgipfel ausgemacht: in der zweiten Dekade zwischen dem 10. und 20. sowie in der vierten Dekade zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Bei rund 20 Prozent der Betroffenen zeigt sich die Krankheit sogar schon in den ersten zehn Lebensjahren. Eine Narkolepsie kann schleichend, aber auch schlagartig mit allen Symptomen beginnen. Wie schwer die Erkrankung verläuft, kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. Die Lebensqualität von Narkolepsie-Patienten ist oft sehr eingeschränkt.

«Der Fokus liegt derzeit klar auf der Narkolepsie, hier sehen wir kurzfristig das grösste Potenzial.»

Zu Beginn stand bei NLS die Behandlung von ADHS mit Mazindol stärker im Vordergrund. Wie sieht das heute aus?

Der Fokus liegt derzeit klar auf der Narkolepsie, hier sehen wir kurzfristig das grösste Potenzial. Im Bereich ADHS, und basierend auf unseren Phase 2 Studienresultaten in den USA, sehen wir mittel- bis langfristig durchaus auch gute Chancen. Der Grund dafür ist, dass die Anzahl Patienten, welche in der Phase 3 eingeschlossen werden müssen, im Bereich von ADHD deutlich höher liegt als in der Narkolepsie, was zu höheren Kosten führt und länger dauert.

Der Bruttoerlös des IPO in New York beläuft sich auf etwa 20 Millionen Dollar. Wofür wird dieses Geld investiert?

In erster Linie für die klinische Entwicklung von Quilience®, also Mazindol CR (controlled release), in der Narkolepsie. Hierbei können wir uns auf über 40 Jahre klinischer Erfahrungswerte im Bereich der „compassionate use“ mit Mazindol abstützen.

Wenn alles verläuft wie gewünscht, wann könnte Quilience® auf den Markt kommen, welches sind die nächsten Schritte?

Nach heutigem Kenntnisstand dürfte die klinische Entwicklung von Quilience® gegen Ende 2023 abgeschlossen sein.

Zurückblickend auf die letzten fünf Jahre: Welches waren bis anhin die grössten Herausforderungen?

Das ist eine einfach Frage: der Börsengang in den USA, bzw. die Kapitalbeschaffung am Aktienmarkt.

Herr Zwyer, besten Dank für das Interview.

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