Suzanne Thoma, CEO BKW, im Interview

BKW-CEO Suzanne Thoma. (Foto: BKW)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Frau Thoma, das Halbjahresergebnis der BKW lag im 1. Halbjahr deutlich über den Erwartungen. Der Umsatz stieg um 7% auf 1,37 Mrd Franken, der Reingewinn legte um 59% auf 201 Mio Franken zu. Gibt es überhaupt etwas, was Ihre Laune trüben könnte?

Suzanne Thoma: Nein, denn ich bin in der Tat sehr erfreut über das sehr gute Halbjahresergebnis. Es zeigt, dass die BKW ihre Strategie erfolgreich umsetzt und die Transformation des Unternehmens zu einer internationalen Energie- und Infrastrukturdienstleisterin gelingt.

Die BKW kauft im Dienstleistungsgeschäft mit den Bereichen Gebäudetechnik, Infrastruktur und Ingenieurwesen fast monatlich zu. Mittlerweile gehören über 100 Firmen dazu. Geht es mit dieser Pace weiter?

Die BKW wird ihre Strategie mit dem zügigen Ausbau des Dienstleistungs- und auch im zweiten Halbjahr 2019 fortsetzen. Es werden jedoch insgesamt eher weniger Firmen dazukommen, dafür grössere.

Seit dem Entschluss, das Dienstleistungsgeschäft stark auszubauen, sind fünf Jahre vergangen. Welche Bilanz ziehen Sie heute?

Mit unserem Dienstleistungsgeschäft sind wir erfolgreich positioniert in Wachstumsmärkten. Diese Märkte beherrschen heute mehrheitlich internationale Grosskonzerne. Soeben haben wir unser umfassendes Netzwerk mit der swisspro group erweitert. Damit sind wir in diesen technologiegetriebenen und zukunftsfähigen Bereichen eine starke Alternative für anspruchsvolle Projekte im Bereich ICT und Gebäudeautomation geworden. Mit unserem Angebot im Energie- und Infrastrukturbereich leisten wir zudem einen bedeutenden Beitrag im Bereich der Nachhaltigkeit. Im Übrigen bestätigen unsere Zahlen, dass unsere Strategie richtig ist.

«Die BKW ist kein Staatsbetrieb. Sie erhält weder für Investitionen noch für den Betrieb Staatsgelder und sie hat keinen bezahlten öffentlichen Leistungsauftrag.»
Suzanne Thoma, CEO BKW

Sie kennen die Kritik, dass ein staatsnaher Konzern mit ihrem Expansionskurs private Unternehmen verdränge…

Die BKW ist kein Staatsbetrieb. Sie erhält weder für Investitionen noch für den Betrieb Staatsgelder und sie hat keinen bezahlten öffentlichen Leistungsauftrag. Wir sind eine privatrechtlich organisierte und börsenkotierte Aktiengesellschaft mit einem vielfältigen Aktionariat. Natürlich gilt für die BKW das Prinzip der Wirtschaftsfreiheit, darüber hinaus stiften wir einen wichtigen gesellschaftlichen Nutzen.

Der bernische Grosse Rat hat den Regierungsrat beauftragt, die Auswirkungen einer Aufspaltung der BKW in einen staatlich beherrschten und einen privatisierten Teil aufzuzeigen. Ihre Meinung zu den neuesten politischen Entwicklungen?

Ich bin überzeugt, alle Aktionäre, also auch der Kanton, haben ein grosses Interesse an einer wirtschaftlich erfolgreichen BKW. Trotz der Krise in den Energiemärkten hat die BKW dank der heutigen Strategie seit 2014 bis heute ca. 2.8 Milliarden Wert für ihre Aktionäre geschaffen. Dies gilt es zu schützen und weiterzuentwickeln. Hinzu kommen aus Sicht des Gemeinwesens die substanziellen Steuerzahlungen. Die Frage ist auch, wer überhaupt über eine Aufspaltung entscheiden könnte. Gemäss meines Wissensstands müsste die Generalversammlung der BKW eine asymmetrische Abspaltung mit einer Zustimmung von 90 Prozent aller Aktionäre beschliessen. Es ist gut, dass der Kanton diese Fragen nun klärt.

Wie präsentierte sich in der ersten Jahreshälfte die Situation im klassischen Energiegeschäft mit den negativen Strompreiseffekten?

Aufgrund der vor drei Jahren abgesicherten Stromverkäufe mussten wir alleine im ersten Halbjahr 2019 negative Strompreiseffekte im Umfang von rund 60 Mio. Franken gegenüber dem Vorjahr hinnehmen. Diese negativen Strompreiseinflüsse konnte wir jedoch mit einem erfolgreichen Handelsgeschäft, mit einem grösseren Marktanteil bei den Geschäftskunden und mit Kostenreduktionen überkompensieren. Dank dieser Erfolge stieg der EBIT des Energiegeschäfts im ersten Halbjahr um 59 Prozent auf 115 Mio. Franken. Wir sind sehr zufrieden mit diesem Ergebnis.

«Die negativen Strompreiseinflüsse konnte wir mit einem erfolgreichen Handelsgeschäft, mit einem grösseren Marktanteil bei den Geschäftskunden und mit Kostenreduktionen überkompensieren.»

Am 20. Dezember stellt die BKW den Leistungsbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg ein. Wie laufen die Vorbereitungen auf den 20. Dezember, 12.30 Uhr?

Wir sind in jeder Hinsicht auf Kurs. Es zahlt sich aus, dass wir den Stilllegungsentscheid schon 2013 gefällt haben. So hatten wir genügend Zeit für die Vorbereitungen. Wir konnten auch unsere Mitarbeitenden auf diesen Wandel vorbereiten, denn den Rückbau führen wir mehrheitlich mit unseren eigenen Leuten durch, was sehr wertvoll ist, da sie die Anlage bestens kennen. Aber nicht nur wir, auch die Behörden hatten genügend Zeit, um das erste Stilllegungsprojekt für einen Schweizer Leistungsreaktor zu prüfen. So haben wir die Stilllegungsverfügung bereits eineinhalb Jahre erhalten, bevor das Kernkraftwerk Mühleberg vom Netz geht.

Das ENSI hat im März die Arbeiten für die erste Zeit nach der Abschaltung freigegeben. Um welche Arbeiten handelt es sich?

Es handelt sich um die sogenannte «Etablierung des technischen Nachbetriebs». Diese umfasst den Zeitraum von der endgültigen Einstellung des Leistungsbetriebs am 20. Dezember 2019 bis zur endgültigen Ausserbetriebnahme ca. Ende September 2020. In dieser Zeit werden alle Systeme zur Stromerzeugung sowie weitere nicht mehr notwendige Systeme ausser Betrieb genommen. Ausserdem werden alle Brennelemente ins Brennelementlagerbecken verlagert und die autarke redundante Brennelementlagerbeckenkühlung eingerichtet.

«Für uns steht die Stilllegung unseres eigenen Kernkraftwerks im Vordergrund. Das ist unsere erste Priorität.»

Man hat in der Schweiz ja keine Erfahrung mit der Stilllegung von Kernkraftwerken. Welche Arbeiten werden in den kommenden 15 Jahren bis zur abgeschlossenen Stilllegung von eigenen Mitarbeitern, welche von externen Spezialisten durchgeführt?

Die meisten Experten, die an der Stilllegung und am Rückbau des Kernkraftwerks Mühleberg mitarbeiten werden, sind Mitarbeitende, welche schon seit vielen Jahren im Betrieb der Anlage arbeiten. Darüber hinaus arbeiten im Projekt Stilllegung verschiedene Mitarbeitende, die bereits bei der Stilllegung von anderen Kernkraftwerken mitgearbeitet haben bzw. über Erfahrung in der Branche verfügen. Ausserdem hat die BKW dank des Eintritts der Firma «Dienstleistungen für Nukleartechnik» ins Netzwerk das nötige Personal für den Strahlenschutz sichergestellt. Für Spezialarbeiten wird die BKW auch mit externen Experten zusammenarbeiten. Hier profitiert auch das lokale Gewerbe, wie beispielsweise das Hindelbanker Unternehmen Hebetec, das gemeinsam mit Uniper aus Deutschland als starke Partnerin im Konsortium UniTec den Auftrag für die Demontage der Turbinen, der Generatoren und weiterer Anlageteile erhalten hat.

Sie haben Rückbauexperten eingestellt und auch Knowhow zugekauft. Wird daraus dereinst ein eigenes Geschäftsfeld?

Für uns steht die Stilllegung unseres eigenen Kernkraftwerks im Vordergrund. Das ist unsere erste Priorität. Unsere Angestellten erwerben dadurch wertvolles Know-how. Sie werden die ersten in der Schweiz sein, die über Erfahrung sowohl im Betrieb als auch im Rückbau von Kernkraftwerken verfügen werden. Solche Fachkräfte werden auf dem Markt sicher über die Stilllegung von Mühleberg hinaus sehr gefragt sein.

Um wie viel reduziert sich die Stromproduktion der BKW mit der Abschaltung des KKM und wie wird der Ausfall kompensiert?

Mit der Abschaltung des KKM reduziert sich die Stromproduktion der BKW um einen Viertel und halbiert sich im Kanton Bern. Künftig stammen nur noch 22 Prozent unserer Stromproduktion aus dem Kanton Bern, 28 Prozent aus der restlichen Schweiz und 50 Prozent aus dem europäischen Ausland. Die Verfügbarkeit des Stroms hängt nicht von der Produktion der BKW ab, sondern vielmehr von einem funktionierenden Strommarkt und entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen in der Schweiz sowie im internationalen Kontext. Für die Gestaltung dieser Rahmenbedingungen zeichnet die nationale und internationale Politik verantwortlich. Ebenfalls entscheidend sind technologische Entwicklungen sowie das Investitionsklima.

Frau Thoma, besten Dank für das Interview.

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