Cristina Rossi, CEO und Mitbegründerin b-rayZ, im Interview

Cristina Rossi, CEO und Mitbegründerin von b-rayZ (Bild: b-rayz)

Im Jahr 2020 wurde bei mehr als 2,3 Mio. Frauen weltweit Brustkrebs diagnostiziert und 685’000 von ihnen starben daran. Geringe Bildqualität und unzureichende Diagnostik bei dichter Brust schränken die Möglichkeiten von Radiologen ein, Brustkrebs in einem sehr frühen Stadium zu diagnostizieren. b-rayZ hat eine KI-basierte Plattform entwickelt, die die tägliche Arbeit von Radiologen in der Mammographie durch die Bewertung von Bildqualität und Brustdichte in Echtzeit unterstützt.

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Frau Rossi, die Zahl der Brustkrebs-Diagnosen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Inwieweit hat das damit zu tun, dass Tumore durch Screening-Programme wie die Mammographie häufiger und früher entdeckt werden?

Cristina Rossi: Brustkrebs ist weltweit die häufigste und tödlichste Krebserkrankung bei Frauen. Während wir auf die Inzidenz nur begrenzt Einfluss nehmen können, können wir die Sterblichkeit senken – durch frühzeitige Erkennung. Ein gutes Früherkennungsprogramm entdeckt Krebs in einem frühen Stadium. Ein exzellentes Programm geht noch weiter: Es erkennt erste Anzeichen und identifiziert Auffälligkeiten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung werden können. Ein Gesundheitssystem, in dem Frauen erst dann diagnostiziert werden, wenn ihre Chancen auf ein normales Leben bereits gering sind, ist ein Gesundheitssystem, das sie im Stich lässt.

Mammographie gilt nach wie vor als Goldstandard in der Brustkrebs-Vorsorge. Die American Cancer Society geht aber davon aus, dass bis zu 30 Prozent der Brustkrebserkrankungen bei einer Mammographie nicht entdeckt werden. Was sind die Gründe?

Die Fähigkeit, Krebs in der Mammographie zu erkennen, hängt von mehreren Faktoren ab – darunter die Qualität der Untersuchung und die Erfahrung der Radiologen bei der Bildauswertung. Es gibt jedoch einen wichtigen Faktor, der vom Patienten selbst abhängt: die Dichte des Drüsengewebes. Bei einer Mammographie erscheint Krebs als weisser Bereich – genau wie gesundes Drüsengewebe. Das macht es besonders schwierig, Tumore bei Frauen mit dichtem Brustgewebe zu erkennen. Krebs in dichtem Gewebe zu finden, ist wie die Suche nach einer Schneeball in einem Schneesturm. In solchen Fällen reicht die Mammographie allein nicht aus. Sie muss durch zusätzliche bildgebende Verfahren ergänzt werden, wie Ultraschall oder MRT – je nach Einzelfall.

«Ein Gesundheitssystem, in dem Frauen erst dann diagnostiziert werden, wenn ihre Chancen auf ein normales Leben bereits gering sind, ist ein Gesundheitssystem, das sie im Stich lässt.»
Cristina Rossi, CEO und Mitbegründerin b-rayZ

b-rayZ hat eine KI-Plattform entwickelt, die die Qualität der Brustkrebsdiagnostik deutlich verbessert. Können Sie uns erläutern, wie das funktioniert?

Die Diagnose von Brustkrebs ist ein Prozess, der verschiedene Fachpersonen einbezieht und häufig auch unterschiedliche bildgebende Verfahren umfasst. In der Praxis ist der diagnostische Weg einer Frau jedoch häufig fragmentiert – die einzelnen Schritte sind nicht miteinander verknüpft, und wichtige Informationen können verloren gehen. Unsere Plattform begleitet die Patientin entlang ihres gesamten diagnostischen Weges und verbindet diese einzelnen, bislang losen Punkte zu einem strukturierten und effizienten Prozess.

Wir sind bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung präsent und führen in Echtzeit Qualitätskontrollen durch, um sicherzustellen, dass die Aufnahmen korrekt durchgeführt wurden. So lassen sich unnötige Rückrufe aufgrund technischer Fehler vermeiden. Darüber hinaus analysieren wir die Brustdichte sowie weitere Risikofaktoren der Patientin, um frühzeitig jene Frauen zu identifizieren, die mehr als nur eine Mammographie benötigen – wir haben früher darüber gesprochen.

Zusätzlich unterstützen wir Radiologinnen und Radiologen mit einer leistungsstarken KI-Engine, die auf deutlich mehr Fällen trainiert wurde, als im Rahmen der medizinischen Ausbildung üblich sind. Das erhöht die diagnostische Genauigkeit und Konsistenz. Unsere KI hilft auch den Brustzentren bei der Überwachung wichtiger Leistungskennzahlen über alle Untersuchungen hinweg – etwa Strahlendosis, Bildqualität oder die Zusammensetzung der Patientinnenpopulation – und unterstützt so eine kontinuierliche Qualitätskontrolle und -verbesserung.

Wie unterscheidet sich die b-rayZ-Plattform von anderen KI-Lösungen in diesem Bereich?

Während unsere Mitbewerber einzelne Tools zur Läsionssuche anbieten, ist unsere Lösung das einzige End-to-End-Ökosystem für die Brustdiagnostik. Von Anfang an war für uns klar: Es geht nicht nur darum, «den Tumor zu finden». Die moderne Medizin – und insbesondere Frauen – brauchen intelligentere, personalisierte Diagnoselösungen. Es geht darum, fragmentierte Prozesse zu verbinden, Patientinnen mit erhöhtem Risiko gezielter zu versorgen und die diagnostische Leistung insgesamt zu verbessern.

Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal von b-rayZ ist unsere adaptive Kerntechnologie DANAI. Diese Engine ist das weltweit einzige zertifizierte Medizinprodukt mit adaptiven Fähigkeiten. DANAI erkennt, in welchem klinischen Umfeld gearbeitet wird, welche Patientengruppen betroffen sind und nach welchen Richtlinien vorgegangen wird – und passt sich diesen Gegebenheiten intelligent an. Wir bieten nicht einfach ein weiteres Tool – wir schaffen ein umfassendes, KI-gestütztes Ökosystem, das die Brustdiagnostik sowohl klinisch als auch organisatorisch neu definiert.

«Von Anfang an war für uns klar: Es geht nicht nur darum, «den Tumor zu finden». Die moderne Medizin – und insbesondere Frauen – brauchen intelligentere, personalisierte Diagnoselösungen.»

Können Sie uns erläutern, wie sich Ihre Lösung auf die Arbeit von Radiologen und Ärzten auswirkt?

Unser System wurde mit dem klaren Ziel entwickelt, sich nahtlos in die klinische Routine zu integrieren – denn genau das ist ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Umsetzung. Wir stören den Arbeitsablauf nicht, sondern agieren als Plugin für die Modernisierung. Deshalb stehen nicht nur die KI-Engine, sondern auch Interoperabilität, Benutzerfreundlichkeit und Rechenleistung im Fokus unserer Entwicklung. Wir verändern keine etablierten Abläufe, sondern automatisieren weniger kritische Prozesse und bieten gezielte Unterstützung bei klinischen Entscheidungen.

Den grössten Mehrwert sehen wir in der Identifikation von Frauen mit hohem Risiko sowie in der Empfehlung ergänzender Diagnostik. Auf Basis der bereitgestellten Informationen kann die Spezialistin bzw. der Spezialist anschliessend einen personalisierten diagnostischen Weg empfehlen.

Viele Frauen empfinden Mammographien als unangenehm oder beunruhigend – glauben Sie, dass mehr Präzision und Transparenz durch KI auch das Vertrauen in die Früherkennung stärken?

Als Frau empfinde ich tiefes Mitgefühl für diese Gefühle, aber ich stelle fest, dass in der Früherkennung von Brustkrebs leider noch häufig Fehlinformationen verbreitet sind. Die Senologie war über viele Jahre das Stiefkind der Radiologie, doch in den letzten Jahren hat sie eine echte Renaissance erlebt – nicht nur als Vorreiterin bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz, sondern auch bei der Entwicklung neuer Bildgebungstechniken. Im Zentrum dieser Innovationswelle stehen ganz klar die Patientinnen.

Wo wird Ihre Lösung heute bereits eingesetzt?

Unsere Lösungen werden derzeit in acht europäischen Ländern eingesetzt, und zwei weitere Märkte befinden sich in Vorbereitung. Zu unseren Kunden zählen nationale Screening-Programme, radiologische Praxisketten sowie universitäre Kliniken. Zudem verfügen zwei unserer Lösungen über eine FDA-Zulassung – ein wichtiger Meilenstein für unsere internationale Skalierung und den Eintritt in den US-Markt. Die Modularität und Flexibilität unserer Plattform ermöglichen es uns, verschiedenste Kundensegmente effizient und zielgerichtet zu bedienen.

Wie lässt sich Ihre Plattform in bestehende Krankenhaus‑Informationssysteme integrieren?

Das ist eines unserer wichtigsten Anforderungen: ein systemagnostischer Ansatz, der sich nahtlos in die IT-Systeme unserer Kunden integriert und maximale Interoperabilität gewährleistet.

«Vielfalt macht Affidea zu einem idealen Partner, um zukünftige Entwicklungen und medizinische Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und aktiv mitzugestalten.»

Ihre Plattform ist in verschiedenen Spitälern der Affidea-Gruppe in der Schweiz, Spanien oder Litauen im Einsatz. Nun hat Sie Affidea als bevorzugten KI-Partner für die Brustbildgebung ausgewählt und sich gleichzeitig als strategischer Investor an der Serie-A-Finanzierungsrunde von b-rayZ beteiligt. Was bedeutet dieser Schritt für b-rayZ?

Zunächst einmal ist dies eine starke Bestätigung der Vision von b-rayZ und der Qualität unserer Services – aber es ist noch viel mehr als das. Die Einführung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin steckt noch in den Anfängen. Und wer könnte auf diesem Weg ein besserer Partner sein als Affidea – ein Unternehmen, das in 15 europäischen Ländern tätig ist und sich in ganz unterschiedlichen Gesundheitssystemen bewegt? Diese Vielfalt macht Affidea zu einem idealen Partner, um zukünftige Entwicklungen und medizinische Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und aktiv mitzugestalten.

Die Synergien mit Affidea sind vielfältig, und gemeinsam haben wir uns einen ambitionierten 12-Monats-Plan gesetzt. Ein erster zentraler Anknüpfungspunkt ist das von der Gruppe verfolgte «Breast Center»-Modell, das Frauen eine hochwertige und ganzheitliche Versorgung bietet – basierend auf dem Prinzip, Patientinnen entlang ihres gesamten diagnostischen und therapeutischen Weges zu begleiten. Genau diesem Ansatz folgen auch wir bei b-rayZ.

Sehen Sie Ihrer KI-Technologie auch bei anderen Krebsarten oder bildgebenden Verfahren im Einsatz?

Unser System ist sicherlich auch auf andere Krankheitsbilder skalierbar, aber in naher Zukunft bleibt unsere oberste Priorität der Brustkrebs – insbesondere der Übergang zu weiteren Modalitäten wie Ultraschall und Magnetresonanztomographie. Gerade in diesen Bereichen können wir einen echten Mehrwert bieten und gleichzeitig das Wachstumspotenzial unserer Kundinnen und Kunden kommerziell stärken.

Was sind Ihre nächsten Ziele und wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens?

b-rayZ ist eine Innovation Factory, die von einer klaren Vision und einem tiefen Verständnis der realen klinischen Bedürfnisse getragen wird. Diese Kombination aus technologischer Exzellenz und greifbarem klinischem Mehrwert bildet das Herzstück unseres Wertangebots und ist etwas, das wir auch in Zukunft bewahren wollen.

In den kommenden Monaten liegt unser Fokus auf der kommerziellen Expansion: Wir wollen bestehende Vertriebskanäle konsolidieren und den Eintritt in neue, hochpotenzielle Märkte beschleunigen.

b-rayZ AG

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