Daniel Antille, VR-Delegierter Société Suisse des Explosifs, im Interview

Daniel Antille

Daniel Antille, Verwaltungsratsdelegierter Société Suisse des Explosifs. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Antille, Sprengen, Graben, Feinchemie, das ist das Business der SSE. In Ihrer grossen Fabrik in Gamsen führt Ihre Tochter Valsynthèse Bulkproduktion für allerlei Dritte aus. Wieviel vom Umsatz macht diese mit den grössten Kunden?

Daniel Antille: Valsynthèse ist von der chemischen und pharmazeutischen Industrie als CDMO (Contract Development and Manufacturing Organisation) Partner für hochenergetische Reaktionen anerkannt. Wir sind also nicht mehr ein Massenhersteller, sondern ein Nischenpartner. Seit mehr als fünf Jahren begleiten wir unsere Kunden von der Entwicklung im Labor über die Fertigung in kleinen Mengen – den Pilot-Projekten – bis hin zur industriellen Produktion. Valsynthèse konzentriert sich daher mehr auf seine CDMO-Verträge, die ihrem Wesen nach sehr ressourcenintensiv sind, vor allem in Bezug auf Arbeitskräfte. Deshalb ist die Anzahl der Kunden und der Anteil der Grössten für uns nicht relevant.

Welche jährlichen Zuwächse haben Sie für Valsynthèse beim Umsatz eingeplant?

Mit dem Erebus-Projekt streben wir in den nächsten fünf Jahren ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 10% an. 2021 könnten wir etwas darunter liegen, da die Covid-Pandemie den Fortschritt der laufenden und die Akquisition neuer Projekte verlangsamt hat. In den Anfangsphasen von CDMOs kann nicht alles per Videokonferenz erledigt werden. Derzeit spüren wir eine deutliche Aufwärtsentwicklung.

Neben SSE sind auch Lonza, BASF, Syngenta, DSM, Huntsman oder Bachem im Wallis präsent und machen den Kanton zu einem kleinen Chemiecluster. Wie läuft da die Zusammenarbeit?

In der Tat ist das Wallis ein wichtiges Cluster in der chemischen Industrie – für die Schweiz und für Europa. Es besteht ein grosser gegenseitiger Respekt zwischen den Unternehmen und jedes setzt sich für unsere Branche ein. Zwischen den Unternehmen findet eine Zusammenarbeit auf der Ebene von Berufsverbänden statt, etwa bei Themen wie Sicherheit und Ausbildung. Wichtig sind auch die Rahmenbedingungen in der Schweiz und dem Kanton Wallis, die im Allgemeinen sehr gut sind. Insbesondere kann ich diesbezüglich die Schulen HES, EPFL und ETH hervorheben.

«Die Konkurrenz in unserer Branche ist so hoch, dass der Pool an Talenten knapp ist.»
Daniel Antille, Verwaltungsratsdelegierter Société Suisse des Explosifs

Die Ecole Professionnelle Intercantonale de la Chimie (EPIC) bildet jedes Jahr Hunderte von Lehrlingen aus. Reicht dieser Pool zur Rekrutierung von Facharbeitern?

Diese Berufsschule bildet die zukünftigen Mitarbeitenden der Walliser Chemieindustrie besonders gut aus, und das ist gut so. Aber die Konkurrenz in unserer Branche ist so hoch, dass der Pool an Talenten knapp ist. Der aktuelle Rekrutierungspool ist damit ganz Europa. Dieser Umstand verpflichtet jedes Unternehmen, auch die SSE einschliesslich Valsynthese, sich als ehrgeiziges Unternehmen mit Zukunft zu präsentieren, aber auch als eines, das den berechtigten Ansprüchen seiner Mitarbeitenden, wie etwa der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gerecht wird.

Letztes Jahr stieg Ihr Reingewinn um 73 Prozent. Im ersten Halbjahr verbesserte sich der EBITDA um 1,5 Millionen auf 4,8 Millionen. Das läuft sehr linear. Wo könnte Gegenwind herkommen?

Wir werden unsere Finanzergebnisse für 2020 Anfang Juni 2021 veröffentlichen. Wir können die Ausführungen in unserem Halbjahresbrief an unsere Aktionäre nur bestätigen. Das Geschäftsjahr 2020 wird trotz der Covid-19-Pandemie ein grossartiges Jahr werden und unsere Profitabilitätskennzahlen haben sich wieder verbessert.

Deutschland und Polen laufen sehr gut. Wie sieht es in Skandinavien und dem Baltikum für Sie aus?

In der Tat sind Deutschland und Osteuropa heute jene Regionen, die am meisten zu unserer Profitabilität beitragen. Dies ist unter anderem das Ergebnis unseres «Road 18»-Programms, das auf unsere Akquisitionen 2013 und 2016 in diesen Regionen folgte. Die erwarteten Synergien und unsere Positionierung machten das aktuelle Ergebnis möglich.

In Skandinavien verfolgen wir derzeit den gleichen Prozess, allerdings mit zwei Jahren Verspätung. Insgesamt sind wir mit der aktuellen Situation zufrieden und erwarten langfristig eine deutliche Verbesserung der Profitabilität.

«Deutschland und Osteuropa sind jene Regionen, die am meisten zu unserer Profitabilität beitragen.»

Mittlerweile werden 75% des Umsatzes im Ausland eingefahren. Ist der Anteil weiter im steigend?

Heute sind die Proportionen zwischen den schweizerischen und europäischen Aktivitäten weiter dieselben.

Sind Sie mit der Entwicklung der SSE-Aktie zufrieden?

Der Aktienkurs ist leicht auf 3’050 Franken gestiegen. Unsere Aktionäre sind hauptsächlich natürliche Personen mit einem langfristigen Anlagehorizont. Sie sind eher an der Nicht-Volatilität des Aktienkurses und an einer regelmässigen Dividende interessiert, die in Form einer Agio-Rückerstattung ausgezahlt wird, die netto und steuerfrei ist.

Über die firmeneigene Pensionskasse besitzt die Belegschaft in Gamsen ja 15 Prozent der Firma. Ist das ein Erfolgsgarant?

Um genau zu sein, sind die Mitarbeitenden über die Pensionsfonds der SSE indirekt Aktionäre der Gruppe. Das ist keine Erfolgsgarantie, aber sie sind sehr stark daran gebunden und partizipieren indirekt am Erfolg des Konzerns. Die verschiedenen Vorstände der SSE haben sich immer für einen starken sozialen Ansatz bei ihren Mitarbeitenden eingesetzt. Seit 50 Jahren ist dies wahrscheinlich die beste Investition unserer Pensionsfonds.

Viele der alten Industriegebäude aus der Gründerzeit können auch heute noch bewundert werden. Was wird damit langfristig geschehen?

Das Werk in Gamsen wurde 1894 gegründet. Im Bereich der Sprengstoffproduktion haben wir noch einige Gebäude aus dieser Zeit. Manchmal haben wir die statische Struktur beibehalten, weil sie auf eine geeignete und sichere Weise gebaut wurde. Die Produktionswerkzeuge und -maschinen sind jedoch modern, automatisiert und entsprechen den fortschrittlichsten Sicherheitsanforderungen. Wir möchten, dass die SSE in Gamsen ein Industrieunternehmen mit interessanten Arbeitsplätzen für zukünftige Generationen bleiben soll.

«Die Poudrerie d’Aubonne macht ihren Umsatz hauptsächlich mit Sammlern alter Waffen des 17. und 18. Jahrhunderts, die sie für Turniere und Wettkämpfe verwenden.»

Auch klassisches Schwarzpulver haben Sie im Angebot. Bedarf eher sinkend, oder?

Sie verweisen auf unsere jüngste Akquisition in der Schweiz, die Poudrerie d’Aubonne im Jahr 2017. Ich kann bestätigen, dass die Verwendung von Schwarzpulver in Steinbrüchen ein kleiner Nischenmarkt ist. Sie wird zur Gewinnung grosser Blöcke, wie zum Beispiel Marmor, verwendet. Die Poudrerie d’Aubonne macht ihren Umsatz hauptsächlich mit Sammlern alter Waffen des 17. und 18. Jahrhunderts, die sie für Turniere und Wettkämpfe verwenden. Ohne falsche Bescheidenheit wird das Schweizer Schiesspulver als Weltreferenz angesehen. Der Umsatz dieser Einheit ist jedoch anekdotisch, weniger als ein Prozent unseres Umsatzes.

Die Société Suisse des Explosifs produziert auch Plastiksprengstoff. Könnte dieser von Terroristen zweckentfremdet werden?

Wir stellen zivile Sprengstoffe her, die gemäss den behördlichen Standards gelagert und vermarktet werden. Es ist nicht möglich, sie in der Schweiz und in Europa zu kaufen, ohne eine Erwerbsgenehmigung, die von der Kantonspolizei ausgestellt wird. Sprengstoffe werden von der Produktion bis zum Endverbraucher zurückverfolgt. In der Praxis ist es damit fast unmöglich, sich für böswillige Zwecke Sprengstoff legal zu beschaffen.

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