Frank Schabel, Leiter Communications Hays, im Interview

Frank Schabel, Leiter Communications Hays (Deutschland, Österreich, Schweiz)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Schabel, Hays hat im September eine Studie veröffentlicht zum Thema “Unternehmen in der digitalen Transformation”. In der Öffentlichkeit ist die Digitalisierung aktuell eines der am meisten diskutierten Themen. Wie weit ist das Thema bei den Unternehmen schon angekommen und wird es bereits umgesetzt?

Frank Schabel: Die digitale Transformation ist im Bewusstsein der Unternehmen sehr präsent. Sie ist aber noch keineswegs in ihrer DNA und – um in diesem Bild zu bleiben – in ihrem Stoffwechsel verankert. Ihre Kultur ist meist noch geprägt von Abgrenzung und Teilung. Dagegen setzt die digitale Transformation auf vernetzte Welten, in denen nicht mehr gefragt wird, wer ein Thema beansprucht. Deshalb stehen wir jenseits erster technischer Lösungen noch ganz am Anfang. Und ohne einen tiefgehenden kulturellen Wandel wird die Digitalisierung ins Leere laufen.

«Wir stehen jenseits erster technischer Lösungen noch ganz am Anfang. Und ohne einen tiefgehenden kulturellen Wandel wird die Digitalisierung ins Leere laufen.» Frank Schabel, Leiter Communications Hays

Wie gross ist der Spielraum bei Unternehmen überhaupt, in Zeiten von steigendem Kosten- und Konkurrenzdruck, sich mit teilweise in der Entwicklungsphase stehenden Themen wie der Digitalisierung auseinander zu setzen?

In der Tat ist der Spielraum gar nicht so weit. Das zeigt auch unsere Studie. Gerade der Bereich Forschung und Entwicklung sieht Kostendruck nach wie vor als das wichtigste Thema an. Die alte Welt ist noch längst nicht passé und beeinflusst die neue erheblich. Der Philosoph Ernst Bloch hat dieses Phänomen einmal Ungleichzeitigkeit genannt.

Der globale Wettbewerb fordert von Unternehmen, ihre Produkte schneller und günstiger herzustellen und die Innovationszyklen zu beschleunigen. Auf der anderen Seite haben vor allem europäische Unternehmen eine zunehmend ältere Belegschaft. Wie geht das zusammen?

Sind ältere Mitarbeiter per se langsamer und damit der dynamischen Welt nicht mehr gewachsen? Ich denke nicht. Vielmehr geht es darum, Altes und Neues in guter dialektischer Manier zu einem höheren Dritten zu verbinden. Das betrifft übrigens auch altersgemischte Teams, in denen sich Erfahrung und Intuition mit Technikaffinität und Experimentierfreude verknüpfen.

«Silos laufen einer vernetzt-digitalen Welt diametral entgegen. Nur bestehen in vielen Fachbereichen grosse Ängste um die künftige eigene Bedeutung.»

Während agile Methoden und virtuelle Teams mit Kunden und Partnern in Forschung, Entwicklung und der IT bereits zum Alltag gehören, spürt man in den Fachabteilungen grosser Unternehmen noch wenig davon. Hier herrschen oft noch Silo-Denken und eine stark abteilungsbezogene Mentalität vor. Bringt die Agilität hier eventuell zu wenig und wie verträgt sich das mit der Digitalisierung?

Es verträgt sich natürlich gar nicht. Silos laufen einer vernetzt-digitalen Welt diametral entgegen. Nur bestehen in vielen Fachbereichen grosse Ängste um die künftige eigene Bedeutung. Und Angst sorgt oft dafür, dass sich Menschen – und in Unternehmen eben Abteilungen – abschotten. Dagegen hilft nur, diese Ängste vonseiten der Unternehmensspitze ernst zu nehmen und dies offen, aber gleichwohl fair auszutragen. Aber dazu fehlt zu vielen Organisationen der Mut.

Der Fokus auf die Geschäftsprozesse, deren Optimierung und häufig auch deren teilweise Auslagerung (Business Process Management) als grosses Thema beschäftigt immer noch die meisten Unternehmen. In welchem Verhältnis stehen BPM und Digitalisierung?

Seine Geschäftsprozesse ständig zu durchdenken und zu optimieren, ist Kernaufgabe eines jeden Unternehmens. Dann gilt es regelmässig zu entscheiden, welche Prozesse intern und welche besser extern betreut werden. Mit der Digitalisierung verändern sich fast alle Geschäftsprozesse. Das heisst, BPM und Digitalisierung gehen Hand in Hand – wie diese beiden Themen zusammenpassen, müssen Unternehmen jetzt klären.

«Wir benötigen künftig beide Ansätze, den konventionellen, sehr strukturierten und den kreativen, wilden.»

Stärker noch als BPM dürfte Digitalisierung von IT-Fähigkeiten abhängen. Gerade sind aber viele Unternehmen dabei, ihre IT auszulagern und damit auch ihre Kompetenz bezüglich IT auszudünnen. Was bedeutet das für den Umgang mit den Klippen und Tücken der Digitalisierung?

Ist es wirklich so, dass IT wieder verstärkt ausgelagert wird? Gut, einiges geht heute in die Cloud. Aber das ist für mich kein Outsourcing im alten Stil, sondern wird von anderen Themen angestossen. Bei der Digitalisierung geht es um schnelle und vor allem vernetzte Lösungen. Wer dafür besser geeignet ist – interne Akteure oder externe Anbieter – und wie beide zusammenspielen, muss mühsam geklärt werden. Grundsätzlich glaube ich, dass die digitale Kompetenz nicht mehr einer Abteilung gehört, sondern die Fachbereiche hier ein immer gewichtigeres Wort mitsprechen. Welcher Fachbereich hat heute noch keine eigene IT-Kompetenz?

Agile Methoden, Design Thinking und Lab-Ansätze wurden bis anhin vor allem im schnell innovierenden Umfeld von Startups verwendet. Nun möchten vermehrt auch grosse Unternehmen die Früchte dieser Kultur ernten. Wie soll das bei den unterschiedlichen Kulturen bewerkstelligt werden?

Das geht in meinen Augen nur in überschaubaren, kleineren Projekten – oder wenn es darum geht, ganz neu auf der grünen Wiese zu denken. Bei grossen Projekten werden wir wohl weiterhin den Wasserfallansatz erleben. Aber warum nicht gekoppelt mit dem Einsatz von Scrum in Teilprojekten? Wir benötigen künftig beide Ansätze, den konventionellen, sehr strukturierten und den kreativen, wilden.

Externe Berater haben nicht unbedingt das beste Image. Dennoch scheint gerade die Digitalisierung den Bezug externer Spezialisten wieder hoffähig zu machen. Eine Folge des zu schnellen Abbaus eigener Fachkräfte oder eine natürliche Erscheinung bei der Bewältigung eines neuen Themas? 

Viele externe Berater machen einen guten Job, und das kommt bei ihren Auftraggebern an. Daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert. Natürlich ist das Angehen neuer Themen ein wichtiger Anlass für Unternehmen, um Externe ins Boot zu holen, die in diesen Bereichen bereits über Erfahrung verfügen. Und viele Experten für innovative Themen lassen sich auch gar nicht mehr fest anstellen, sondern sind nur als Freiberufler zu haben.

«Was die Älteren in Deutschland betrifft, halte ich es für ein Gerücht, sie hielten wieder bessere Karten in der Hand. Von Experten jenseits der 50 höre ich eher, dass für sie kaum mehr Chancen existieren.» 

Wie wird sich die Anzahl externer Mitarbeiter im Verhältnis zu den Angestellten in Deutschland entwickeln und was bedeutet das für die Chancen ältere Arbeitnehmer und Wiedereinsteigerinnen?

Das ist schwer einzuschätzen. Auf der einen Seite spricht alles für eine weitere Flexibilisierung auf unterschiedlichen Ebenen: Was mache ich selbst, was machen Dritte besser – das ist eine Frage, die niemals abschliessend beantwortet werden wird. Nur gibt es auch Unternehmen, die ihren Fokus darauf setzen, Mitarbeiter zu binden. Ich denke, beide Ansätze laufen parallel. Was zumindest die Älteren in Deutschland betrifft, halte ich es für ein Gerücht, sie hielten wieder bessere Karten in der Hand. Von Experten jenseits der 50 höre ich eher, dass für sie kaum mehr Chancen existieren.  

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Ich wünsche mir, dass wir uns aus den Abteilungsbunkern bewegen und Dinge endlich gemeinsam vorantreiben, ohne zu sagen: Das ist meins! Unterlegt wäre diese Entwicklung – mein zweiter Wunsch – von einer hohen Neugierde, was Kunden und Märkte bewegt. Dadurch entstünden intern und extern substanzielle Partnerschaften und Netzwerke.

Der Gesprächspartner:
Frank Schabel ist Head of Marketing/Corporate Communications bei der Hays AG.

Das Unternehmen:
Hays plc. ist ein weltweit führender Personaldienstleister für die Rekrutierung von hoch qualifizierten Spezialisten. Hays ist im privaten wie im öffentlichen Sektor tätig und vermittelt Spezialisten für Festanstellungen und Projektarbeit sowie im Personalverleih. Das Unternehmen beschäftigt weltweit über 9 000 Mitarbeiter in 33 Ländern und erzielte im Geschäftsjahr 2014/2015 Erlöse von 5,05 Mrd. Euro. In der Schweiz ist Hays mit Filialen in Basel, Bern, Genf und Zürich vertreten. Weitere Informationen zum Unternehmen: www.hays.ch

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