Jens Breu, CEO SFS Group, im Interview

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Breu, durch den Zukauf der Unisteel Technology Group in Singapur vor knapp fünf Jahren wurde SFS zum Zulieferer von Apple. Inwiefern ist das ein Klumpenrisiko? Bei Smartphones, gibt ja keine Tendenz zum Zweitphone…

Jens Breu. Die SFS Group ist breit abgestützt und in den verschiedenen Endmärkten gut positioniert, um am Erfolg der Kunden teilzuhaben. Auch in der Elektronikbranche. Wir sehen da zum Beispiel gute Entwicklungen bei den rasch wachsenden chinesischen OEMs. Ausserdem verfügen wir über eine robuste Projektpipeline an Innovationen und Projekten, die auf unterschiedliche Segmente aufgeteilt sind.

Voll digitalisierte Warenbewirtschaftungssysteme gewinnen immer mehr an Bedeutung. Ab welcher Betriebsgrösse lohnen sie sich?

Mit digitalisierten Warenbewirtschaftungssystemen können Beschaffungsprozesse automatisiert werden. SFS verfügt mit dem «M2M»-System über eine starke Wettbewerbsposition in diesem Bereich – auch dank den niedrigen Systemkosten. Diese Warenbewirtschaftungssysteme sind bereits für Kunden mit kleineren Einkaufsvolumen (zum Beispiel mehrere 10’000 Franken) attraktiv. Sie können aufgrund der kurzen Zeitspanne, welche die Implementierung erfordert, rasch zu ersten Einsparungen führen.

Wie hoch ist die Marge, für die Anbieter solcher Industrie 4.0-Systeme?

Unsere Logistiksysteme bilden immer einen integralen Bestandteil unserer Marktleistung; entsprechend ist auch die Marge integriert zu betrachten. Damit profitieren unsere Kunden nicht nur von den Produkten in der Anwendung, sondern auch von optimierten Beschaffungs- und Lagerkosten.

«Warenbewirtschaftungssysteme sind bereits für Kunden mit kleineren Einkaufsvolumen ab mehreren 10’000 Franken attraktiv.»
Jens Breu, CEO SFS Group

Dieses Jahr wird SFS rund ein Fünftel oder gar noch mehr seines Umsatzes in Amerika machen. In den USA wird vor allem Tegra Medical für Wachstum sorgen. Ist die «America first»-Doktrin im SFS-Geschäftsbereich überhaupt eine Gefahr?

Mit den Akquisitionen von Tegra Medical (USA) und Stamm (CH) im letzten Jahr wurde die Positionierung im Wachstumsmarkt Medizinaltechnik deutlich ausgebaut. Der Umsatzanteil in den USA dürfte sich im Jahr 2017 von 14% auf 18-20% erhöhen. Neben der Konsolidierung von Tegra Medical wird auch das Geschäft mit Kunden aus der Bau- und Automobilindustrie zum Wachstum beitragen. SFS ist in den USA lokal verankert und verfügt über verschiedene Produktions- und Vertriebsstandorte. Wir bedienen unsere Kunden in den USA heute schon hauptsächlich lokal. Die Auswirkungen auf die US-Wirtschaftspolitik sind noch nicht ganz greifbar. Dank der starken lokalen Präsenz sind wir aber gut vorbereitet.

Hat das Chaos rund um die US-Gesundheitsreform Auswirkungen?

Wir erwarten keine Auswirkungen von dieser Seite. Die aus unserer Sicht relevanten Wachstumstreiber für die Medizinaltechnik sind unter anderem die demographische Entwicklung und der zunehmende Kostendruck, welcher zu einer verstärkten Zusammenarbeit der OEMs mit Fertigungsspezialisten wie SFS führt.

«Aufgrund des starken zweiten Semesters 2016 werden wir im zweiten Halbjahr 2017 einen Basiseffekt im Segment Engineered Components sehen.»

Im Segment Engineered Components, das gut die Hälfte Ihres Umsatzes macht, gab es letztes Jahr einige Grossaufträge. Schlägt 2017 der Basiseffekt zurück?

Neben dem Hochlauf von Neuprodukten insbesondere im Bereich der elektronischen Bremssysteme wurde die Entwicklung des Segments aber auch stark vom auslaufenden Handelsgeschäft – welches nicht zum Kerngeschäft gehört – der Division Electronics belastet. Wir erwarten für das Segment Engineered Components ein solides Wachstum in 2017. Aufgrund des starken zweiten Semesters 2016 werden wir im zweiten Halbjahr 2017 einen Basiseffekt sehen.

Das dritte Segment von SFS, Distribution & Logistics, wuchs letztes Jahr am langsamsten. Sollte da nicht eigentlich die Post abgehen? Logistik ist doch die grosse Zukunftsbranche.

Das Segment Distribution & Logistics fokussiert seine Aktivitäten auf den Schweizer Markt und beliefert beispielsweise industrielle Kunden und die Bauindustrie mit Befestigungssystemen, Werkzeugen und Beschlägen. Dank den Logistiksystemen konnten wir zahlreiche Neukunden gewinnen. Generell ist der Umsatz aber stark abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz. Wir erwarten auch in den nächsten Jahren Wachstumsraten im tieferen einstelligen Prozentbereich. Das Segment erreicht aber auch eine attraktive Kapitalrentabilität.

SFS wird bis 2018 rund 40 Mio Franken in die Zentrallager der Schweiz in Rebstein, Rotkreuz und Emmenbrücke und am Firmenhauptsitz in Heerbrugg investieren. Wie wird sich das auf die „bottom line“ auswirken?

SFS investiert rund 36 Mio Franken in die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schweizer Standorte. Einerseits wird in Heerbrugg die Logistikinfrastruktur erneuert und die Wärmebehandlung ausgebaut. Andererseits wird in Rebstein die Lagerkapazität ausgebaut. Wir erwarten, dass sich diese Investitionen positiv auswirken, denn damit wird die Basis für zukünftiges Wachstum und den Hochlauf neu akquirierter Kundenprojekte geschaffen.

Im Ausland werden Sie bis 2019 35 Millionen für ein Produktions- und Vertriebszentrum nahe Shanghai investieren. Kundennahe Niederlassungen in Asien eröffnen ja viele Firmen: Wie stark ist mittlerweile der Konkurrenzdruck in China?

Die Nähe zu den Kunden ist für SFS sehr wichtig. Dank dem neuen Produktions- und Vertriebsstandort können wir die heutigen vier Standorte im Raum Shanghai konsolidieren, was sich positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirken und Synergie-Effekte schaffen wird. Die Wettbewerbssituation war schon in den vergangenen Jahren intensiv, da sich die Supply-Chain der Elektronikbranche zu einem grossen Teil in China positioniert hat.

Die Profitabilität pro Mitarbeiter ist letztes Jahr gestiegen – um satte 15.9%, gemessen am Deckungsbeitrag pro Mitarbeitenden der Schweizer Produktionsstandorte der SFS intec. Wo schaffen Sie die grössten Skaleneffekte?

Einerseits ist dieser erfreuliche Wert auf die ergriffenen Massnahmen zurückzuführen, die im Nachgang zur Aufwertung des Schweizer Frankens ergriffen wurden. Diese Massnahmen sind im Verlauf des letzten Jahres zunehmend sichtbar geworden. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen wurden die Schweizer Produktionsstandorte auf besonders Know-how- und kapitalintensive Produkte und Prozesse mit hoher Wertschöpfung und hohem Automatisierungsgrad ausgerichtet. Zusätzlich haben wir vom Hochlauf attraktiver Kundenprojekte und durch die hohe Auslastung von Skaleneffekten profitiert.

«SFS investiert rund 36 Mio Franken in die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schweizer Standorte.»

Gibt es eigentlich in so klassischen Befestigungstechniken wie Vernietung technische Neuerungen?

Ja natürlich! Eine Neuheit in der Blindniettechnologie ist die «Flow Drilling Rivet»-Technologie. Diese patentierte Produktinnovation erlaubt das Vorlochen und den Setzvorgang in einem Arbeitsschritt. So entsteht für den Kunden einen deutlichen Mehrwert, da die Setzgeschwindigkeit markant erhöht wird.

Die EBITA-Marge ist mit 14,4% auf Rekordstand. Sie wollen, getrieben durch Ihre Offensive im Bereich Medizinaltechnik und Luftfahrt, noch einmal einen Zacken zulegen. Auf wieviel?

Unter der Annahme, dass die Wechselkurse stabil bleiben, erwarten wir für das Geschäftsjahr 2017 eine Umsatzsteigerung um 8 bis 10% inklusive Veränderungen im Konsolidierungskreis. Zudem erwarten wir eine Steigerung der normalisierten EBITA-Marge auf 14.2-15.2%. Die Halbjahreszahlen 2017 werden am 21. Juli veröffentlicht.

Zum Gesprächspartner:
Jens Breu hat eine Lehre als Maschinenmechaniker bei Krupp Presta in Oberegg absolviert. Im Jahr 1995 begann er bei SFS in Heerbrugg als Projektleiter in der Werkzeugkonstruktion und wechselte im Jahr 2000 in die Niederlassung in den USA, wo er als Verantwortlicher der Produktion bis 2008 für den Aufbau der Produktionsstandorte verantwortlich war. Zu dieser Zeit absolvierte er auch einen MBA an der Cleveland State University. Nach seiner Rückkehr nach Heerbrugg arbeitete er in verschiedenen Führungspositionen und ist seit 2016 CEO der SFS Group.

Zum Unternehmen:
SFS ist ein weltweit tätiges Unternehmen für mechanische Befestigungssysteme und Präzisionsformteile und operiert in den drei Segmenten Engineered Components, Fastening Systems und Distribution & Logistics. Das Segment Engineered Components, mit den Marken SFS intec (Divisionen Automotiveund Industrial), Unisteel (Division Electronics) und Tegra Medical (Division Medical), steht für kundenspezifische Präzisionsformteile, mechanische Befestigungslösungen und Baugruppen. Das Segment Fastening Systems entwickelt, produziert und vertreibt anwendungsoptimierte mechanische Befestigungssysteme unter den Marken SFS intec (Division Construction) und GESIPA (Division Riveting). Im Segment Distribution & Logistics ist SFS mit ihrer Marke SFS unimarket ein führender Vertriebs- und Logistikpartner für Kunden aus Industrie, Handwerk und Gewerbe in der Schweiz. Das Produktsortiment umfasst unter anderem Befestigungstechnik, Werkzeuge und Beschläge. Zudem leisten massgeschneiderte Logistiklösungen einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Kunden. Die SFS Group ist weltweit in 25 Ländern und an über 70 Vertriebs- und Produktionsstandorten präsent und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2016 mit rund 9’000 Mitarbeitenden einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Franken.

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