Johanna Holldack, CEO Telormedix

Johanna Holldack

Johanna Holldack, CEO von Telormedix.

von Bob Buchheit

Moneycab: Frau Holldack, da die Leute immer älter werden, sterben mittlerweile in den Industrienationen mehr Menschen an Krebs als an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wie viel Hoffnung können wir uns machen, in vielleicht 100 Jahren den Krebs zu besiegen?

Johanna Holldack: Das ist eine schwierige Frage und ich bin kein Hellseher. Krebs ist nicht Krebs. Es gibt sehr verschieden Arten von Krebs und deshalb sehr verschiedene Behandlungsmethoden. In den letzten Jahren ist es gelungen, für viele Krebspatienten die Lebenserwartung zu verbessern. Das ist schon ein Fortschritt. Ich würde mal davon ausgehen, dass in 100 Jahren die Wissenschaft sehr grosse Fortschritte machen wird. Man wird mehr über die Ursachen wissen und deshalb gezielter behandeln können. Es wird bessere Methoden geben, um kleine Tumorreste zu finden und zu vernichten. Das wird alles dazu beizutragen, die Behandlung von Krebserkrankungen zu verbessern. Einige Krebsarten können schon heute erfolgreich bekämpft werden. Für andere wird es sicher auch gelingen. Ob das für alle Arten von Krebs gelingen wird, bleibt zu hoffen.

Zwei der drei Medikamentenkandidaten von Telormedix (TMX-101 und TMX-201) sollen Blasenkrebs heilen. TMX-101 ist am weitesten gediehen. Es soll jetzt in die erste klinische Prüfphase gehen, hat also noch einen langen Weg vor sich. Wann wäre, wenn alles optimal läuft, frühestens eine Zulassung drin?

Das wird in der Tat noch ein paar Jahre dauern. Es ist schwierig vorherzusagen, wie lange das genau dauern wird. Circa 4 Jahre würde ich sagen. Für ein neues Medikament muss man ja die Dosierung entwickeln und dann belegen, dass diese dann wirksam und sicher ist. Dazu muss man ein grosse Zahl von Patienten behandeln. Das kostet Zeit und Geld.

«Eine unserer Substanzen hat im Tierversuch fantastische Eigenschaften als Adjuvanz gezeigt. Ich hoffe, dass das in der Zukunft für neue Impfstoffe wertvoll sein wird.»
Johanna Holldack, CEO Telormedix

Telormedix stehen aus einer Anfangsfinanzierung 21 Millionen Franken zur Verfügung, womit sie bei rund zehn Mitarbeitern sicher eine gute Weile auskommen werden. Wann steht die nächste Finanzierungsrunde an?

Wir arbeiten daran, die Firma weiter finanziell zu stärken. Ich hoffe sehr, dass wir das noch in diesem Jahr erreichen werden.

Neben klassischen Venture-Kapitalisten hat auch die italienische Generali Versicherungsgruppe in Telormedix investiert. Bis 2008 wurde Telormedix gar vollständig von Generali kontrolliert. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Partnerschaft?

Ich glaube, das gemeinsame Interesse, Biotech in Lugano zu stärken, war hier im Spiel. Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung.

«Wenn man sehr lange mit schwerkranken Patienten zu tun hatte, wirft es einen nicht aus der Bahn, wenn mal etwas Technisches schief geht.»

Alle Produktkandidaten von Telormedix wurden von Dennis Carson, Professor an der renommierten Universität von San Diego, Kalifornien, in Lizenz erworben. Er gehört auch zusammen mit dem Schweizer Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel zu den Mitbegründern der Firma. Wie sehr bringen sich die beiden Berühmtheiten ins Tagesgeschäft ein?

Die beiden Berühmtheiten bringen sich strategisch ein. Wir haben regelmässig Gespräche – so alle 2 Wochen -, in denen wir wissenschaftliche Daten und strategisches Vorgehen diskutieren. Es ist eine grosse Bereicherung, mit diesen Wissenschaftlern arbeiten zu dürfen, für das Unternehmen und auch persönlich.

Die Medikamentenkandidaten von Telormedix sollen über positive Veränderungen des angeborenen menschlichen Immunsystems den Blasenkrebs bekämpfen. Stehen Sie in Kontakt mit führenden Impfstoffherstellern als mögliche Partner?

Natürlich. Das liegt wohl in der Natur der Projekte. Wir haben Kooperationen mit Pharma und mit akademischen Einrichtungen. Eine unserer Substanzen hat im Tierversuch phantastische Eigenschaften als Adjuvanz gezeigt. Ich hoffe, dass das in der Zukunft für neue Impfstoffe wertvoll sein wird.

«An erster Stelle müssen immer die Menschen kommen, die Mitarbeiter, die Patienten, die behandelt werden oder behandelt werden sollen.»

Sie sind gelernte Kinderärztin. Inwiefern prägt diese Ausbildung Ihren Managementstil?

Ich sorge dafür, dass es genug Schokolade gibt… Spass bei Seite. Ich glaube, dass mich meine Zeit in der Kinderonkologie geprägt hat. Kinder sind ehrlich, und ich erwarte Ehrlichkeit von Kollegen. Und man kommt gut mit Kindern aus, wenn man sie respektiert. Das gilt für Erwachsene genauso. Wenn man sehr lange mit schwerkranken Patienten zu tun hatte, wirft es einen nicht aus der Bahn, wenn mal etwas Technisches schief geht. Es muss deshalb schon sehr dick kommen, ehe ich mich ernsthaft aufrege. Aber es passiert gelegentlich.

Sind Biochemiker, Mediziner oder Ingenieure bessere Firmenleiter als reine Betriebswirte?

Meine Erfahrung ist da natürlich ganz subjektiv. Sachverstand ist nur ein Aspekt des Führungsstils. Charakter ein weiterer. Der ist nicht abhängig von der Ausbildung. Natürlich braucht es auch kaufmännische Grundkenntnisse, aber oft ist die rein betriebswirtschaftliche Brille hinderlich, wenn es um Menschenführung bei Jungunternehmen geht. Finden Sie nicht? Eine rein betriebswirtschaftliche Brille ist in jeder Hinsicht hinderlich. An erster Stelle müssen immer die Menschen kommen, die Mitarbeiter, die Patienten, die behandelt werden oder behandelt werden sollen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Unternehmen nur dann erfolgreich sein können, wenn die Mitarbeiter die Chance haben sich zu entwickeln, zu wachsen und ihren Beitrag zu liefern. Natürlich muss eine Firmenstrategie wirtschaftlich Sinn machen, aber die Umsetzung hängt von den Menschen ab.

Was sollte der grösste Meilenstein werden, den Telormedix im Jahr 2011 erreicht?

Etablierung der Sicherheit von TMX 101. Dass das Medikament in der Phase 1 keine ernsten Nebenwirkungen zeigt. Und eine neue Finanzierungsrunde.

Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchs ein?

Das kann ich nicht beurteilen. Biotech ist ein so internationales Geschäft. Ich trage da keine nationale Brille.

«Sachverstand ist nur ein Aspekt des Führungsstils. Charakter ein weiterer. Der ist nicht abhängig von der Ausbildung.»

Als forschendes Unternehmen ist Telormedix sicher sehr international, was die Mitarbeiter anbelangt. Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?

Diversity hinsichtlich der nationalen Herkunft? Wir sind nur wenige Mitarbeiter, aber kommen aus drei verschiedenen Ländern. Das ist Zufall. Wir stellen die besten ein und fragen nicht nach dem Herkunftsland.

Die Gesprächspartnerin:
Die gelernte Kinderärztin Johanna Holldack wurde letzten Herbst zum CEO ernannt. Sie hat in Göttingen studiert, an einigen deutschen Universitäten und an der Harvard Medical School gearbeitet, verschiedenste Führungspositionen in Pharmafirmen innegehabt und freut sich über die Nähe des Firmensitzes zu den Tessiner Seen.

Das Unternehmen:
Telormedix ist ein Biotech-Start-up aus Bioggio bei Lugano. Das Unternehmen versucht Medikamentenkandidaten zur Marktreife zu bringen. Die kleinen Wirkstoff-Moleküle von Telormedix wirken auf sogenannte toll-like receptors. Die genaue Wechselwirkung der TMX-Moleküle mit den spezifischen TLR7-Rezeptoren, auf die sie wirken, bleibt jedoch noch genau zu erforschen. Die präklinischen Daten sind nichtsdestotrotz ermutigend.



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