Matijas Meyer, CEO Komax, im Interview

Matijas Meyer

Matijas Meyer, CEO der Komax Gruppe. (Foto: Komax)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Meyer, bei 80 Prozent Umsatzanteil aus der Automobilindustrie ging Ihre Firma wohl allein in den letzten Wochen durch ein Wechselbad der Gefühle. Gibt es Hoffnung aus China?

Matijas Meyer: Die Automobilindustrie befindet sich momentan im Umbruch. Themen wie Elektromobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren sind von zentraler Bedeutung und erfordern sehr hohe Investitionen von den Automobilherstellern. Für Autofahrerinnen und -fahrer ist es zwar spannend, diese Entwicklung zu verfolgen, sie verunsichert aber auch sehr viele. Denn zahlreiche Konsumentinnen und Konsumenten wissen zurzeit nicht, für welche Antriebstechnologie sie sich beim Kauf eines neuen Fahrzeugs entscheiden sollen und ob die Zeit für den Wechsel zu einer neueren Technologie reif ist. Da zudem der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Automobilindustrie stark beeinflusst (rund 25% aller Autos werden in China produziert), nehmen die Produktionszahlen seit über einem Jahr deutlich ab.

Ich meinte aber vor allem jetzt das ganze Drama um den Coronavirus…

Das hat die Situation nun verschärft, da in den vergangenen Wochen viele Autohersteller ihre Werke auf der ganzen Welt geschlossen haben. Als Zulieferer der Automobilindustrie haben solche Werkschliessungen direkte Folgen für Komax. Hoffnungsschimmer gibt es mittlerweile aus Asien. Seit wenigen Wochen, seit China das Schlimmste der Corona-Pandemie überwunden zu haben scheint, erhalten wir wieder mehr Anfragen und Bestellungen aus Asien für neue Maschinen. Da Asien in der Corona-Entwicklung rund drei Monate vor Europa und Nord-/Südamerika liegt, hoffen wir, dass in einigen Wochen die Erholung auch in den übrigen Regionen einsetzt und die Bestellungen zunehmen.

«Seit wenigen Wochen, seit China das Schlimmste der Corona-Pandemie überwunden zu haben scheint, erhalten wir wieder mehr Anfragen und Bestellungen aus Asien für neue Maschinen.»
Matijas Meyer, CEO Komax

Entwicklung von Non-Automotive-Märkten ist einer Ihrer vier Kernstrategien. Wo geht es da lang?

Neben der Automobilindustrie konzentrieren wir uns auf die Marktsegmente Aerospace, Data-/Telecom und Industrial. Im Vergleich zur Automobilindustrie haben diese Marktsegmente im vergangenen Geschäftsjahr etwas besser abgeschnitten. Die Corona-Pandemie trifft sie nun aber ebenfalls hart, da beispielsweise die Flugzeughersteller stark unter der Krise leiden und momentan keinen Bedarf an zusätzlichen Komax-Lösungen haben.

Wieso kam es denn im gerade abgerechneten Geschäftsjahr zu einer Verdoppelung der Steuerquote?

Wir haben 2017 die Rechnungslegung von IFRS auf den Swiss GAAP FER Standard umgestellt. Dabei haben wir entschieden, Verlustvorträge nicht zu aktivieren. Da sich die Steuersätze in den einzelnen Ländern, in denen wir aktiv sind, zum Teil erheblich unterscheiden, kann es zu starken Schwankungen bei der Steuerquote kommen – abhängig davon, welches Geschäftsergebnis wir in den einzelnen Ländern erzielen.

Der EBIT soll sich in den nächsten drei Jahren mindestens verdoppeln. Nennen Sie mir doch bitte ganz kurz die drei grössten Gegenwinde, die drohen könnten?

Unser Verwaltungsrat hat für 2023 ein EBIT-Ziel von 50–80 Millionen Franken definiert. 2019 haben wir 24 Millionen EBIT erzielt. Diese Zielsetzung steht in Verbindung mit dem bis 2023 angestrebten Umsatz von 450 bis 550 Millionen. Wir gehen davon aus, dass ab 2021 zwei Faktoren zu einem jährlichen Marktwachstum von 3–5% beitragen werden: Die jährliche Zunahme der weltweit produzierten Fahrzeuge (CAGR: 1–2%, A.d.R.: compound annual growth rate) sowie die stetige Erhöhung des Automatisierungsgrads in der Kabelverarbeitung (CAGR: 2–3%). Wir sind überzeugt, ein jährliches organisches Umsatzwachstum erzielen zu können, das mindestens dem Marktwachstum entspricht. Da wir nicht nur über das breiteste Lösungsportfolio, sondern auch über das weltweit grösste Verkaufs-, Service- und Engineering-Netzwerk verfügen, sind wir gut positioniert, um wachsen zu können. Wenn die Umsatzzahlen wie beschrieben steigen und das margenträchtige Volumengeschäft im Vergleich zu 2019 deutlich zunimmt, werden wir die Profitabilität überproportional steigern und das EBIT-Ziel erreichen. Folglich ist ohne Umsatzwachstum auch die Erreichung des EBIT-Ziels nicht möglich.

«Bis 2023 streben wir einen Umsatz von 450 bis 550 Millionen Franken an.»

Sie bieten auch automatisierte Verarbeitung von Hochvoltkabeln für Elektrofahrzeuge an. Haben Elektrofahrzeuge mehr oder weniger Kabelstränge als Verbrennungsautomobile?

Der Motor eines Elektrofahrzeugs hat weniger Kabel als ein Verbrennungsmotor. Für Komax ist es aber dennoch ein zusätzliches Geschäft, da die orangen Hochvoltkabel, die in Elektrofahrzeugen benötigt werden, nicht mit den gleichen Maschinen verarbeitet werden können wie Kabel für Verbrennungsmotoren. Diese Maschinen für die Verarbeitung von Hochvoltkabel entwickeln und produzieren wir in unserem 2019 eröffneten Elektromobilität-Kompetenzzentrum in Budakeszi, Ungarn.

Komax stellt auch „Verdrillvollautomaten“ für Kabel her. Spart man da wirklich so viel Zeit im Vergleich zur Handarbeit?

Die Maschine ist einiges schneller als der Mensch; für unsere Kunden ist die Zeitersparnis jedoch nur einer von verschiedenen Faktoren, wenn sie den Kauf einer Maschine evaluieren. Schlussendlich geht es für die Kunden immer darum, ob sich die Investition rechnet. Dabei spielen für die Kunden die Stabilität und Zuverlässigkeit einer Maschine eine wichtige Rolle. Zudem hat die Maschine den Vorteil – im Gegensatz zu einem Mitarbeiter, der die Kabelverarbeitung manuell macht – dass sie nicht krank wird und grundsätzlich 24 Stunden 7 Tage in der Woche durcharbeiten kann. Und falls sie mal defekt ist oder ein Verschleissteil ersetzt werden muss, ist es für den Kunden wichtig, dass schnell ein Servicetechniker zur Stelle ist und sie nach kurzem Unterbruch wieder einsatzbereit ist. Ausserdem würden manuell verdrillte Leitungen den hohen Ansprüchen für die hochfrequente Datenübertragung nicht genügen. Nur das automatisierte Verdrillen gewährleistet, dass grosse Datenmengen über diese Leitungen übertragen werden können.

Warum ist in der Flugzeugindustrie der Automatisierungsgrad in der Kabelverarbeitung noch so gering?

Dies ist zu einem gewissen Teil historisch bedingt. Die Flugzeugindustrie hat seit jeher auf manuelle Kabelverarbeitung gesetzt. Um in diesen Produktionsprozessen der aus Sicherheitsgründen stark regulierten Flugzeugindustrie etwas ändern zu können, sind grosse Anstrengungen notwendig. Das heisst, Zulieferer müssen zuerst die notwendigen Zertifizierungen erlangen, bevor sie beispielsweise Maschinen liefern können. Das ist eine grosse Einstiegshürde, die viele Zulieferer davon abhält, in diesem Marktsegment aktiv zu werden. In einem Flugzeug hat es zudem viele lange Kabel, die nicht automatisiert verarbeitet werden können. Im Gegensatz zu einem Auto kann somit nicht der gesamte Kabelsatz extern, mit einem möglichst hohen Automatisierungsgrad, vorproduziert und dann als Ganzes im Auto eingebaut werden.

» Die Flugzeugindustrie hat seit jeher auf manuelle Kabelverarbeitung gesetzt.»

Schlaue Fertigungskonzepte entwickeln Sie gerne in Grossprojekten zusammen mit dem Kunden. Welches ist nach fünf Jahren als CEO Ihr Lieblingsbeispiel?

Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viele interessante Projekte gehabt. Ein spezifisches herauszupicken, würde all den anderen innovativen Projekten nicht gerecht werden. Ich möchte stellvertretend drei davon erwähnen: Die 2019 lancierte Sigma 688 ST ist die erste automatisierte Lösung, welche die vollautomatische Kabelverarbeitung mit Verdrillen und gleichzeitigem beidseitigem Fixieren offener Kabelenden ermöglicht. Das Fixieren der Kabelenden haben wir aufgrund von Kundenbedürfnissen entwickelt. Ein Kundenprojekt war anfänglich auch die vollautomatische Kabelbaumfertigung mit Bestückung von Kontaktgehäusen. Daraus sind Serienmaschinen der Omega-Linien entstanden, die wir mittlerweile unzählige Male verkauft haben. Als drittes Projekt möchte ich die Crimpvollautomaten Alpha 530/550 hervorheben, mit denen wir 2017 den Innovationspreise der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz gewonnen haben.

Werden Ihre Auftraggeber jetzt insbesondere bei Grossprojekten zurückhaltender?

Nein, im Gegenteil. Sowohl im letzten als auch in diesem Jahr gibt es zahlreiche Projekte, die mit neuen Technologien zusammenhängen (unter anderem Elektromobilität und autonomes Fahren) und die Erhöhung des Automatisierungsgrads anstreben.

Kabelkonfektionäre haben ihre Produktion teilweise nach Nordafrika ausgelagert. Kann sich dieser Trend umkehren?

Wenn die Logistikkosten grösser werden als die Einsparungen, die man mit der Auslagerung erzielt, ist es denkbar, dass wieder mehr in Europa produziert wird. Wenn Lieferunterbrüche und beispielsweise Streiks zunehmen und dadurch Lager vergrössert werden müssen, um Lieferunterbrüche zu kompensieren, steigen die Logistikkosten. Für Automobilhersteller ist es wichtig, dass die Lieferketten nicht unterbrochen werden und sie Versorgungssicherheit haben. Falls dies in einer Region nicht gewährleistet ist, kann es zu einer Verschiebung der Produktionsstandorte kommen. Wenn die Automatisierung weiter zunimmt und dadurch die Personalkosten weniger ins Gewicht fallen, ist denkbar, dass Kabelkonfektionäre ihre Produktionen in die Nähe der Automobilhersteller in West- und Südeuropa verschieben.

Ein Zehntel Ihres Umsatzes investieren Sie in Forschung & Entwicklung. Wie viele Patente deponieren Sie in der Gruppe denn pro Jahr?

Wir lancieren jedes Jahr diverse neue Produkte und melden auch jährlich mehrere Patente an. Die Anzahl angemeldeter Patente ist nicht entscheidend für uns. Entscheidend ist, dass diejenigen Erfindungen, die wir anmelden, wirklich neu sind und verteidigt werden können.

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