Matthias Huenerwadel, CEO Zehnder Group, im Interview

Matthias Huenerwadel

Matthias Huenerwadel, CEO Zehnder AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Huenerwadel, die Zehnder Group ist erstaunlich gut durch das Coronajahr 2020 gekommen. Der Umsatz sank nur um 4%, EBIT und Reingewinn legten um 20% resp. 25% zu. Mit welchen Massnahmen ist es gelungen, in der zweiten Jahreshälfte so stark zuzulegen?

Matthias Huenerwadel: Nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie hatten wir umgehend Gegenmassnahmen eingeleitet, um den negativen Effekt des Umsatzrückgangs auf das betriebliche Ergebnis zu minimieren. Zudem führten wir die bereits vorher initiierten Massnahmen zur Erhöhung der Profitabilität konsequent weiter. Dadurch gelang es uns bereits im ersten Halbjahr, das EBIT leicht zu steigern. Im zweiten Halbjahr entwickelte sich die Nachfrage in den Schlüsselmärkten stabil, und es kam trotz erneut verhängter Restriktionen im Zusammenhang mit der zweiten Corona-Welle zu keinen weiteren wesentlichen Unterbrüchen in der Herstellungskette.

Wie hat die Corona-Pandemie Ihr Geschäft beeinflusst, einerseits in der Produktion, andererseits im Kontakt mit den Kunden?

Um sowohl unsere Mitarbeitenden als auch unsere Kunden bestmöglich vor einer Ansteckung durch das neue Coronavirus zu schützen, führten wir einerseits zusätzliche Schutzmassnahmen in der Produktion ein. Andererseits stellten wir für Mitarbeitende im administrativen Bereich auf Homeoffice um und etablierten neue, digitale Wege in der Kundenansprache. Auch das traditionelle Schulungsangebot unserer verschiedenen Schulungszentren – den sogenannten «Zehnder Academies – wurde schnell durch zahlreiche Online-Kurse erweitert. Dadurch war es möglich, dass 2020 so viele Kunden wie noch nie an Schulungen der Zehnder Group teilnehmen konnten. Konzernweit waren es knapp 40’000 Personen, vor allem Monteure, Planer, Installateure und Servicetechniker.

Wie herausfordernd war die Aufrechterhaltung der Lieferketten?

Die Aufrechterhaltung der Lieferketten und die Vermeidung von Lieferantenausfällen hatte 2020 eine sehr hohe Priorität. Wenn ein einziges Teil eines Produkts fehlt, kann unter Umständen eine komplette Lieferung nicht ausgeführt werden. Dank des grossen Einsatzes aller Beteiligten kam es zu keinen wesentlichen Lieferunterbrüchen. Im ersten Halbjahr reduzierten viele Firmen ihre Aktivitäten oder schlossen vorübergehend komplett. Auch die Transporte waren anspruchsvoll. Unsere strategisch wichtigen Lieferanten konnten jedoch mehrheitlich immer liefern. Im zweiten Halbjahr kam es zu keinen wesentlichen Unterbrüchen.

«Die Aufrechterhaltung der Lieferketten und die Vermeidung von Lieferantenausfällen hatte 2020 eine sehr hohe Priorität.»
Matthias Huenerwadel, CEO Zehnder Group

Das Geschäftsfeld Lüftungen mit den Produktlinien Wohnungslüftungen, Wärmetauscher und Luftreinigungsgeräte verzeichnete ein Wachstum von 4% und macht nun 52% des Gesamtumsatzes aus. In wie weit profitiert Zehnder davon, dass das Thema Raumklima durch Corona stark an Bedeutung gewonnen hat?

Durch die COVID-19-Pandemie ist das Bewusstsein für eine saubere und gesunde Luft in Innenräumen weiter gestiegen. Kurzfristig hatte dies wenig Einfluss auf unsere Geschäftsaktivitäten. Aber das Interesse an nachhaltigen Produkten und Systemen nimmt grundsätzlich laufend zu. Mit dem «Grünen Deal» setzte sich die Europäische Union das Ziel, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden bzw. der Einsatz energieeffizienter Lösungen ist dabei ein wichtiger Faktor. Dies unterstützt langfristig unser Wachstum im Lüftungsbereich.

Lässt sich mit Ihren Produkten im Bereich Raumlüftungen der gleiche Effekt wie beim «Lüften» mit offenen Fenstern erzielen, also die Minimierung der Virenlast?

Komfortlüftungssysteme, wie wir sie anbieten, garantieren die im Zusammenhang mit dem Coronavirus empfohlene Aussenluftzufuhr. Sie führen den Innenräumen permanent frische Luft zu und leiten verbrauchte Luft zuverlässig und konstant nach aussen ab. Wer lässt schon ununterbrochen die Fenster geöffnet? Gegenüber der Fensterlüftung bieten die Komfortlüftungssysteme zahlreiche weitere Vorteile. Die Wärmeenergie kann im Winter zurückgewonnen werden und im Sommer bleibt die Hitze draussen. Zudem können mittels Feinfilter in Komfortlüftungsgeräten beispielsweise Blütenpollen und Feinstaub abgefangen werden. Insekten bleiben draussen, da die Fenster geschlossen bleiben. Geschlossene Fenster schützen aber auch vor Lärm und vor Einbrechern.

«Komfortlüftungssysteme, wie wir sie anbieten, garantieren die im Zusammenhang mit dem Coronavirus empfohlene Aussenluftzufuhr.»

Vermögen Ihre Luftreinigungsgeräte die Corona-Aerosole aus der Luft zu filtern?

Unsere kommerziellen Luftreiniger «Virus Shield» sind mit einer speziellen Filterkombination ausgestattet. Zum einen filtert unser Flimmerfilter gröbere Partikel aus der Luft. Zum anderen filtert der HEPA14-Filter über 99,995 % der luftgetragenen Viren und andere Mikroorganismen aus der Luft. Viren, die nicht mehr an Aerosolen haften, d. h. z.B. Viren am Boden, können jedoch nicht gefiltert werden. Die Viren-Luftreiniger «Virus Shield» sind besonders geeignet für Schulen, Büros, Kultur-, Gastro- und Veranstaltungsstätten.

Die Viren-Verbreitung in Grossraumbüros oder Schulzimmern ist durch Covid-19 ein grosses Thema geworden. Könnte dies über die aktuelle Pandemie zu einer erhöhten Nachfrage nach Ihren Anlagen führen? Die Viren-Übertragung in entsprechenden Räumen oder Gebäuden ist ja nicht nur in einer Pandemie sehr hoch…

Lüftung für Schulzimmer ist vor dem Hintergrund von COVID-19 in der Tat ein grosses Thema geworden. Die rasch ansteigende CO2-Konzentration in intensiv genutzten Schulräumen ist ein weiteres Thema. Häufiges Fensterlüften sorgt für Unterbrüche im Unterricht. Im Winter werden die Schulräume stark ausgekühlt, im Sommer dringen Pollen, Insekten und Hitze ins Klassenzimmer. Derzeit sind in der Schweiz, in Deutschland und in den Niederlanden unsere Schullüftungsanlagen Zehnder ComfoSchool im Testbetrieb. Die Lösung funktioniert zuverlässig, und wir sind lieferbereit. Neue Investitionen müssen jedoch zuerst bewilligt werden. Dies geschieht nicht von heute auf morgen.

«Unsere Schullüftungsanlagen Zehnder ComfoSchool funktionieren zuverlässig und wir sind lieferbereit.»

Das tendenziell rückläufige Geschäftsfeld Heizkörper verzeichnete einen Umsatzrückgang von 11%. Hier haben Sie im vergangenen Jahr in Frankreich ein neues Elektroheizkörpersortiment eingeführt. Wann ist der Einsatz von Elektroheizkörpern sinnvoll?

Das Elektroheizkörpersortiment, das Sie ansprechen, führten wir exklusiv für einen wichtigen Kunden im DIY (Do-it-yourself)-Bereich ein. Es lässt sich – zusammen mit rund 200 weiteren Haushaltsobjekten verschiedener Marken – mittels einer Smart Home Box und einer App von zu Hause oder aus der Ferne bedarfsgerecht steuern. Dies schafft den Hausbewohnern mehr Komfort im Alltag und spart gleichzeitig Energie.

Sind moderne Elektroheizkörper energieeffizient einsetzbar?

Die EU hat sich das Ziel gesetzt, elektrische Heizkörper energieeffizienter zu machen. Seit Januar 2018 gilt deshalb die Eco-Design-Richtlinie, die verschiedene Anforderungen an Eigenschaften und Funktionen der Heizkörper stellt, wie z.B. Standby-Stromverbrauch ≤ 0,5 W, Wochenprogrammierung oder Fenster-offen-Erkennung. Wir sehen diese Richtlinie als Bestätigung für die kontinuierliche Weiterentwicklung und Optimierung unserer Produkte. Die meisten unserer Produkte übertreffen die Mindestanforderungen schon heute.

Auch 2021 wird noch massgeblich vom Coronavirus beeinflusst sein. Welche Erwartungen hegen Sie für das laufende Geschäftsjahr?

Das gestiegene Bewusstsein für Gesundheit und Nachhaltigkeit dürften unser weiteres Wachstum begünstigen. Andererseits ist die COVID-19-Pandemie noch nicht ausgestanden. Die Rohmaterialpreise steigen stark, und auch die weltpolitischen Spannungen halten an. Wir werden die Marktbearbeitung und Innovationkraft weiter verstärken, um die Grundlagen für künftiges Wachstum zu schaffen. Gleichzeitig behalten wir unseren Fokus auf Kostenoptimierungen und Effizienzsteigerungen bei. Dies soll auch 2021 zu einer weiteren Profitabilitätsverbesserung führen. Mittelfristig strebt die Zehnder Group nach einem durchschnittlichen jährlichen Umsatzwachstum von 5% und einer EBIT-Marge zwischen 8% und 10%.

Letzte Frage: Welche Lehren lassen sich nach über einem Jahr aus der Pandemie ziehen? Einerseits für Ihr Unternehmen, andererseits für Sie persönlich?

Die letzten zwölf Monate waren anspruchsvoll. Dennoch bin ich stolz auf unsere Leistungen. Die Zehnder Group hat bewiesen, dass sie gut aufgestellt ist und schnell auf Veränderungen reagieren kann. Unsere Strategie hat sich bewährt, und wir werden sie entsprechend weiter umsetzen.

Für mich persönlich hat das Jahr 2020 gezeigt, dass eine Krisensituation immer auch neue Chancen eröffnet. Beeindruckt war ich von der Kreativität und Bereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, neue Wege zum Beispiel in der Kommunikation mittels digitaler Möglichkeiten schnell und effizient zu gehen. Gleichzeitig hat das erfolgreiche Meistern der vielen Herausforderungen den gemeinsamen Zusammenhalt weiter gestärkt.

Herr Huenerwadel, besten Dank für das Interview.

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