von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Süss, die Börse hat mit einem riesigen Kursprung auf den Verkauf des Chemiefasergeschäfts reagiert. Wie gehen Sie mit diesen Vorschusslorbeeren um?
Michael Süss: Es zeigt, dass der intrinsische Wert des Unternehmens deutlich höher ist als die aufgerufene Marktkapitalisierung.
Der Bestelleingang hat sich im ersten Quartal 2025 stabilisiert. Wo soll in den nächsten Jahren der Mehrwert in der verbleibenden Division generiert werden?
Unser Kerngeschäft Oberflächentechnologien und Advanced Materials ist weltweit Markt- und Technologieführer. Der Mehrwert liegt im Potential für weiteres profitables Wachstum, indem wir unseren Technologiebaukasten von fünf Kerntechnologien gezielt in neue Anwendungen und Industrien bringen. Zudem bauen wir unsere Position in wachstumsstarken Regionen, insbesondere in den Americas und Asien, weiter aus.
«Wir bauen unsere Position in wachstumsstarken Regionen, insbesondere in den Americas und Asien, weiter aus.»
Michael Suess, Executive Chairman Oerlikon Group
Die operative Marge war im vergangenen Jahr mit gesamthaft 16,6 Prozent wieder erfreulich. Trotz guten Aussichten in den Bereichen Luftfahrt, HRSflow und Werkzeugbau bleiben Sie im Ausblick vorsichtig. Der Grund ist klar, aber irgendwann werden die tiefen Zinsen doch die Investitionsgelder fliessen lassen, oder?
Aufgrund der möglicherweise länger anhaltenden Handelskonflikte sehen wir zunehmende makroökonomische Unsicherheiten. Wir beobachten die Situation genau und legen weiterhin grossen Wert auf Preisgestaltung und Kosteneffizienz.
Sie wollen die anvisierte Marge von 18,5% sicherlich schon in diesem Jahr erreichen, nehme ich an.
Wie in unserer Guidance angegeben, erwarten wir im Jahr 2025 eine operative EBITDA-Marge von rund 18,5%. Wie aber bereits erwähnt, sehen wir zunehmende makroökonomische Unsicherheiten aufgrund möglicherweise länger anhaltender Handelskonflikte. Wir überwachen die Situation genau.
«Wir sehen zunehmende makroökonomische Unsicherheiten aufgrund möglicherweise länger anhaltender Handelskonflikte.»
In Deutschland sicherte sich Oerlikon weitere Aufträge für ihre neuen Batterieschutzlösungen für die E-Mobilität. Haben Sie Hoffnung, dass Deutschland jetzt mit der Grossen Koalition endlich wirtschaftlich durchstartet?
Deutschland ist ein wichtiger Markt für uns. Die jüngsten Aufträge im Bereich Batterieschutzlösungen zeigen, dass wir dort ein innovatives Team haben und dass unsere Technologie dort gefragt ist. Für uns als Industrieunternehmen erwarten wir, dass die neue Regierung die grossen Herausforderungen annimmt und bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen schafft.
Neben dem Gegenwind in den Bereichen Automobil ist auch der Luxusgütermarkt durch die Zölle und die allgemeine konjunkturelle Unsicherheit unter Druck. Was bedeutet das für Riri?
Wir haben Riri übernommen, um unsere Beschichtungen in den Luxusgütermarkt zu bringen. Das ist auf sehr gutem Weg. Unabhängig davon ist auch der Luxusmarkt von den wirtschaftlichen Unsicherheiten betroffen.
Die Tochter Barmag mit dem Chemiefasergeschäft wird für mindestens 713 Millionen Franken an Rieter verkauft. Rund die Hälfte der endgültigen Einnahmen dient der Schuldentilgung. Wo wird der Verschuldungsgrad auf Ende Jahr zu liegen kommen?
Mit den erwarteten Mittelzuflüssen werden wir unseren Term Loan über CHF 475 Millionen zurückbezahlen, was unseren Verschuldungsgrad stark reduzieren wird. Mittelfristig streben wir einen Verschuldungskorridor zwischen dem Einfachen und Doppelten des EBITDA an.
«Mittelfristig streben wir einen Verschuldungskorridor zwischen dem Einfachen und Doppelten des EBITDA an.»
Der Gesamtwert der Übernahme, die vermutlich im vierten Quartal abgeschlossen sein wird, liegt bei 850 Millionen Franken. Sollte Barmag bis 2028 unter dem Dach des Rieter-Konzerns bestimmte finanzielle Ziele erreichen, könnte ein zusätzlicher Erfolgsbonus fällig sein. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit einer Sonderzahlung für die Aktionäre ein?
Hier möchte ich nicht spekulieren. Neben der oben genannten Rückzahlung ist eine attraktive Option, die Aktionäre über eine potenzielle Ausschüttung ebenfalls am Erfolg teilhaben zu lassen.
Bei der Division Surface Solutions verspricht das neue INVENTA-System, die Beschichtungseffizienz und -leistung zu revolutionieren. Ist das dann der grosse Game Changer?
INVENTA ist ein Fortschritt aber kein Game Changer. Und eines von vielen guten Beispielen dafür, wie wir durch Technologie Mehrwert schaffen.
Die Additive Fertigung (3D-Druck) konnte stark steigende Aufträge aus der Luft- und Raumfahrt, der Verteidigungs- und der Halbleiterindustrie verzeichnen. Wird der Regierungswechsel in den USA nun zu einem gewaltigen Boost führen? Im Q4 gelang ja schon mal der Break-Even.
Die Verlagerung der weltweiten 3D-Druck-Produktion in die USA war der richtige Schritt. Wir verzeichnen hier in den letzten Quartalen Wachstumsraten von circa 40 Prozent. Diese Entwicklung wird durch die von Ihnen erwähnten Aufträge im Verteidigungs- und der Halbleiterbereich getrieben. Prinzipiell sind die USA aufgeschlossener gegenüber neuen Technologien.