Olaf Swantee, CEO Sunrise, im Interview

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Swantee, die Q1-Zahlen Ihres grossen Konkurrenten haben gezeigt: das meiste Geld macht man in der Telecom-Industrie durch Bündelangebote. Welche Pakete schnürt Sunrise in Zukunft?

Olaf Swantee: Sunrise bietet seit drei Jahren ein modulares Angebot für Festnetz-, Internet-, TV- und Mobilfunkdienstem, und mit «Sunrise One» haben wir das Sorglos-Paket draufgepackt, das neue Massstäbe setzt und mit dem wir im März einen vielversprechenden Marktstart hingelegt haben. Wir konnten im ersten Quartal im Jahresvergleich bei dieser „4P“-Kundenbasis um 21 Prozent wachsen. Das kommt nicht von ungefähr – mit Sunrise One unterbieten wir die Konkurrenz auf vergleichbarer Basis um etwa 30 Prozent beziehungsweise sind über 600 Franken günstiger pro Jahr.

Ich nehme an, Sie wollen vor allem bei Geschäftskunden punkten?

B2B ist ein Markt mit intensivem Wettbewerb. Die Player versuchen ihre Marktanteile zu verteidigen, und genau da sehen wir ein grosses Potential und konnten auch im Q1 namhafte B2B-Kunden gewinnen. Wir richten unseren Fokus auf die Produktepalette insbesondere im KMU-Bereich, um auch hier in Zukunft Marktanteile zu gewinnen.

«Für mich geht die Strategie grundsätzlich klar in Richtung Managed Services.»
Sunrise-CEO Olaf Swantee

Im Geschäftskundenbereich ist Swisscom aber mit 82% Marktanteil unangefochten Marktführer. Auf wie viel will denn Sunrise kommen?

Wir gewinnen im B2B-Markt erfolgreich Neukunden, was sicher mit der besten Netzwerkqualität und dem Kundenservice zu tun hat, aber auch mit einem attraktiven Pricing. Für mich geht die Strategie grundsätzlich klar in Richtung Managed Services. Dinge wie interne Telefonieanlagen, Antenneninstallationen, Verkabelungen haben in der Vergangenheit mittelgrosse Unternehmen oft selber organisiert. Jetzt sehen wir, dass Firmen dies abgeben wollen. Sie wollen einmal im Monat eine Rechnung erhalten und gleichzeitig die Skalierbarkeit nach oben und unten gewährleistet haben. Hier sind wir ideal aufgestellt mit unseren eigenen Netzen. Aber wir haben auch noch Arbeit vor uns. Wir müssen im Bereich Managed Services unsere Hausaufgaben machen.

Bei den Retailkunden werden wohl weitere Preissenkungen unvermeidbar sein, oder?

Wir verfolgen eine klare Challenger-Strategie mit Fokus auf Qualität, Services, Innovation und Produkte – mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Der Beweis dafür ist das beste und schnellste Mobilfunknetz (connect/OOKLA/OpenSignal), und gemäss Bilanz-Telekomrating 2016 sind wir beste Universalanbieterin für Privat- und Geschäftskunden. Bei Sunrise ONE sind wir Preisleader, und im Bereich Roaming passen wir die Preise kontinuierlich an. Die Preise pro MB für die Region EU+, USA/Kanada wurden von uns unlängst halbiert. Roaming-Pakete sind zum Preis eines Espresso im Starbucks erhältlich. Für das Datenroaming ausserhalb der Region 1 gibt es die travel data Pakete neu für 50 Länder – was fast einer Verdoppelung entspricht. Auch hier haben wir die Preise um über 60 % gesenkt.

«Wir konnten auch im 1. Quartal namhafte B2B-Kunden gewinnen.»

Die Datenmengen explodieren unaufhaltsam. Wie verhindern Sie da Abstürze in Spitzenlastzeiten?

Wir bieten das beste und schnellste 4G Mobilfunknetz und planen mit 92% der Schweizer Fläche bis Ende 2017 das 4G-Netz mit der höchsten geografischen Abdeckung. Wir werden auch zukünftig alles unternehmen, damit dies so bleibt. Das Mobilfunknetz wird laufend aus- und umgebaut, um dem Bedürfnis nach mobilem Internet gerecht zu werden. Sunrise bietet bereits 4.5G mit bis zu 900 Mbit/s in den fünf grössten Schweizer Städten an und baut weiter aus. Weitere städtische Gebiete, Agglomerationen sowie die Hauptverkehrsachsen (Strasse/Bahn) profitieren vom weiteren Ausbau von Bandbreiten bis 300 Mbit/s. Damit wir dies auch zukünftig ausbauen können, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen (NIS-Regulierung) dringend angepasst werden.

Per Ende 2017 ist fertig mit klassischer ISDN-Telefonie, zumindest bei Swisscom. Seit März versucht Sunrise Migrationsprodukte für die Umstellung auf Voice over IP zu verkaufen. Gewinnen Sie damit Marktanteile?

Sunrise gewinnt Kunden in den Bereichen Mobile Postpaid, Internet, TV und Business und wächst in den meisten Bereichen überdurchschnittlich zum Markt. Alle unsere Produkte sind heute schon auf der Basis von VoIP. Analoge Systeme sind seit längerem nicht mehr im Verkauf. Folglich sind die meisten Sunrise-Kunden von der Umstellung nicht betroffen. Wir bieten zudem weiterhin eine Lösung für den analogen Telefonanschluss an. Das Produkt heisst Call+, es ist in Gebieten verfügbar, in denen Sunrise eigene Installationen in den Swisscom-Zentralen hat und ist bis mindestens 2021 verfügbar.

Trotz Rückkehr in die Gewinnzone sank auch 2016 der Sunrise-Umsatz. Seit Jahrzehnten hat Ihre Branche Gegenwind, weil Konkurrenz und Kosten horrend sind. Was könnte das Telecom-Business in die beste aller Welten katapultieren?

Trotz einem schwierigen Marktumfeld ist es entscheidend, das gesamte Produktportfolio anzubieten, also Festnetz, Breitband-Internet, Mobilfunk und TV. Unser Mobilfunknetz, unser TV-Angebot und unser Kundendienst werden von Experten und Kunden als sehr gut bewertet. Wir haben also die besten Voraussetzungen, den Umsatzrückgang zu stabilisieren. Die rückläufige Umsatzentwicklung wurde im Vergleich zu den Vorquartalen weiter gebremst. Zudem hat sich der Nettogewinn im Q1 2017 gegenüber dem Vorjahr auf 13 Millionen Franken nahezu verdoppelt.

«Trotz einem schwierigen Marktumfeld ist es entscheidend, das gesamte Produktportfolio anzubieten.»

Wo stehen Sie mit dem Verkauf Ihrer Antennenmasten?

Wir haben den Abschluss einer strategische Partnerschaft mit einem Konsortium unter Führung von Cellnex betreffend Verkauf der Swiss Towers AG mit 2239 Antennenmasten bekanntgegeben. Wir sind die erste Anbieterin in der Schweiz, die eine solche Transaktion tätigt und können dadurch unsere Netz- und Innovationsführerschaft weiter auszubauen. Die neue Partnerschaft wird es uns zudem erlauben, uns noch stärker auf die aktive Infrastruktur als Schlüsselfaktor zu konzentrieren und das Defect-Free-Mobilfunknetz zu realisieren, mit dem wir neue Massstäbe im Schweizer Mobilfunkmarkt setzen wollen.

Wachstum generiert Sunrise vor allem in den kleinsten Geschäftsbereichen Festnetz, Internet und TV. Wo könnten Sie da 2020 stehen?

Unsere Zahlen im ersten Quartal 2017 zeigen das anhaltende Kundenwachstum im Bereich Mobile Postpaid – in einem wettbewerbsintensiven Marktumfeld – und beschleunigtes Kundenwachstum in den Bereichen Internet und TV.

Ihr Partner Telefonica hilft Ihnen bei der Beschaffung. Wo ist das am meisten von Bedeutung?

Beim Austausch von Know-how und der Durchführung von Beschaffungsverfahren für Dienstleistungen, Netzwerkausrüstung, Informationstechnologie, eSim sowie Endkundengeräte wie Modems, TV-Boxen und mobile Datenübertragungseinrichtungen.

Router stellt Sunrise seinen Kunden in der Regel gratis zur Verfügung. Geht das eigentlich immer noch arg ins Geld?

Um eine ausgezeichnete Serviceleistung und den besten Support zu gewährleisten, integrieren wir die Kosten der Hardware in den Bundle-Preis. Das zahlt sich bei der Kundenzufriedenheit und -loyalität aus.

Ihrem Grossaktionär Freenet werden reine Investmentgründe für sein Engagement nachgesagt. Dabei könnte Freenet für Sunrise doch manche Tür in Deutschland öffnen, oder?

Es gibt keine konkreten Synergien, zumal Freenet kein eigenes Netz unterhält. Ich diskutiere aber regelmässig mit CEO Christoph Vilanek, der ja auch in unserem Verwaltungsrat sitzt. Da geht es zum Beispiel um Lifestyle-Inhalte oder Marketingideen.

Zum Gesprächspartner:
Seit Mai 2016 steht Olaf Swantee an der Spitze von Sunrise. Zuvor war er ab 2007 Europa-Verantwortlicher bei Orange/France Telecom. Ab 2011 machte er den Anbieter EE zum Marktführer in UK. Der geborene Niederländer ist mit einer Schwedin verheiratet, besitzt auch die Schweizer Staatsbürgerschaft und wohnt in Stäfa. Der 51-jährige Olaf Swantee hat zwei Töchter und einen Sohn. Swantee studierte an der Universität von Amsterdam Wirtschaft und hält einen MBA der European School of Management in Paris. Zu seinen Hobbys zählt er Tourenskifahren, Joggen und Kochen.

Zum Unternehmen:
Die Sunrise Communications Group AG (Sunrise) ist seit 2015 an der SIX Swiss Exchange in Zürich notiert und bietet voll integrierte Dienstleistungspaletten in allen Marktsegmenten der Telekommunikation an, sowohl im mobilen Bereich (Pre- und Postpaid) als auch im Festnetz. Sie ist die drittgrösste Festnetz-Internetanbieterin mit IPTV (Internet Protocol Television) und stützt sich auf ein landesweites Backbone-Glasfasernetz mit weit über 10 800 km Länge. Bei Sunrise arbeiten über 1600 Mitarbeitende aus 60 Nationen.

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