Patrick Loepfe, Gründer und VR-Präsident GENTWO, im Interview

Patrick Loepfe, Chairman GENTWO. (Foto: GENTWO)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Loepfe, vor einem Jahr, nach der ersten Welle der Pandemie, wurden Sie mit Anfragen zu Verbriefungslösungen nach eigener Aussage quasi überrannt. Wie sieht die Situation aktuell aus?

Patrick Loepfe: Die Nachfrage nach unserer Verbriefungslösung ist ungebrochen. Mit dem steigenden Bedarf unserer Kunden können wir aber sehr gut umgehen. Denn wir konnten zusätzliche wertvolle Mitarbeiter gewinnen und unsere Workforce innerhalb der letzten neun Monate verdoppeln. Wir werden ausserdem weiter in Automatisierung investieren, was uns zusätzliche Effizienzgewinne bescheren wird.

«Wir haben Ende 2020 bereits eine Finanzierungsrunde durchgeführt. Die aufgenommenen Mittel genügen uns, um unsere Vorhaben durchzuführen. Eine Aufnahme weiterer Gelder ist derzeit nicht nötig.» Patrick Loepfe, Gründer und VR-Präsident GENTWO

Ein wichtiger Aspekt Ihrer Strategie ist die Internationalisierung, die in der Coronakrise wahrscheinlich kaum in gewünschtem Masse vorankam. Nach welchen Kriterien wählen Sie die nächsten Zielländer aus, welche Länder stehen zuoberst auf der Liste?

Es ist richtig, dass unsere Internationalisierungsbestrebungen während der Pandemie etwas zu kurz kamen. Entsprechende Aktivitäten werden wir nun verstärken. Für die Länderpriorisierung wird die geografische Lage unserer (bestehenden und zukünftigen) Kunden massgeblich sein. Logischerweise werden wir vor allem dort aktiv werden, wo sich bereits Kunden befinden. Wo man bereits auf uns aufmerksam geworden ist und Projekte realisiert hat, wird typischerweise weitere Nachfrage erzeugt.

Die Internationalisierung wird beträchtliche finanzielle Mittel erfordern. Wie finanzieren Sie die nächste Wachstumsphase? Ist der Gang an die Börse eine konkrete Option?

Wir haben Ende 2020 bereits eine Finanzierungsrunde durchgeführt. Die aufgenommenen Mittel genügen uns, um unsere Vorhaben durchzuführen. Eine Aufnahme weiterer Gelder ist derzeit nicht nötig.

Gentwo ist sowohl thematisch als auch technologisch in einem Bereich, in dem das meiste neu und innovativ ist und Sie kaum von etablierten Strukturen profitieren können. Wie gut eignet sich die Schweizer Wirtschafts- und Politkultur, um in einem solchen Bereich ein Unternehmen aufzubauen und wachsen zu lassen, was könnte verbessert werden?    

Zunächst einmal zu ein paar Schweizer Vorteilen, die ich sehr schätze: Man findet schnell qualifiziertes Personal. Viele der Arbeitnehmer, die sich in der noch jungen Fintech-Welt bewegen, sind motiviert, proaktiv und leben gerne die sogenannte Ownership; sie wollen sich mit dem Unternehmen entwickeln. Leute, die zugleich einen internationalen Hintergrund aufweisen, fassen in der Schweiz schnell Fuss und leisten sehr gute Resultate.

«In der Schweiz sind Mitarbeiteraktien für Arbeitnehmer steuerlich recht unattraktiv. Ein Bremsklotz – insbesondere für Startups mit Unicorn-Potenzial.»

Nun zu einem Aspekt, den man in der Schweiz verbessern sollte: Entwicklungspotenzial gibt es beispielsweise bei den Rahmenbedingungen für neue Vergütungsmodelle. Ein noch junges Unternehmen, das Teil einer aufstrebenden Branche ist, kann sich in der Regel noch keine hochbezahlten Fachleute leisten. Dennoch braucht es aussergewöhnliche Talente, um sich langfristig am Markt zu positionieren. Die Vergabe von Mitarbeiteraktien als Teil eines Vergütungspakets kann hierbei eine interessante Lösung sein; sie gewinnt derzeit weltweit an Bedeutung. In der Schweiz sind Mitarbeiteraktien für Arbeitnehmer aber steuerlich recht unattraktiv. Ein Bremsklotz – insbesondere für Startups mit Unicorn-Potenzial.

Verbriefungsplattformen wie Gentwo eröffnen neue Möglichkeiten, den Mitbesitz an zuvor nicht finanzierbaren Objekten für ein breites Publikum zu öffnen. Wo sehen Sie die spannendsten Möglichkeiten, in welchen Anlageklassen werden die neuen Verbriefungsmöglichkeiten den grössten Nutzen bringen? 

Unsere Verbriefungslösung erlaubt es Asset-Managern, ihr Arsenal an Investmentmöglichkeiten erheblich zu erweitern. Die alternativen Vermögenswerte, die auf diese Weise investierbar werden, korrelieren zudem meist nur schwach mit traditionellen Anlageklassen. An dieser Stelle muss man jedoch anmerken, dass sich die neuen Anlagemöglichkeiten nicht für ein sehr breites Publikum eignen. Bei der Verbriefung von unkonventionellen Assets geht es in erster Linie um die Finanzierung sehr spezifischer Projekte, zum Beispiel aus den Bereichen Infrastruktur, ESG oder dem Streaming von Content im Musik- oder Filmsektor.

Die Attraktivität eines Marktes hängt auch davon ab, wie liquide und flexibel er ist. Wie steht es um den Sekundärmarkt von Assets, die durch GenTwos Lösung verbrieft werden? 

In der Regel sind die Vermögenswerte, die wir verbriefen, nicht sehr liquide. Dazu muss man aber folgendes sagen: Weil es sich bei unseren Kunden um Investoren professioneller Natur handelt, können diese sehr gut mit eingeschränkter Liquidität umgehen. Hinzu kommt, dass die Anlageprodukte mit einer ISIN versehen sind, wodurch sie sich gut von einem Account auf einen anderen übertragen lassen. So lassen sich die Instrumente auf jegliche Basiswerte auch gut weiterverkaufen, was zum Beispiel bei einer Direktanlage in das jeweilige Asset nicht so einfach wäre.

Der hohe Automatisierungs- und Replikationsgrad Ihrer Plattform erhöht tendenziell das Risiko, dass mehrfach verschachtelte, komplexe, aber einfach zu generierende Produkte zu Blasen und deren Platzen führen. Wie kann einem unerwünschten Beschleunigungseffekt durch Verbriefungsplattformen entgegengewirkt werden? 

Noch wichtiger als der Automatisierungsgrad ist uns die Transparenz von Produkten. Ausserdem ermöglichen wir über unsere Verbriefungslösung viele kleinere Investitionen und beugen so einem Klumpenrisiko vor. Darüberhinaus müssen sich alle professionellen Anleger im Klaren sein, in welche Art von Werte sie investieren (wollen).

Sie machen Assets, die bisher nicht als Anlage geeignet waren, über die Verbriefung Anlegern zugänglich. Dasselbe geschieht aktuell auch über die Tokenisierung. Weshalb haben Sie nicht gleich den Schritt der Tokenisierung gewählt?

Auch die Tokenisierung haben wir anfangs für unsere Lösung in Betracht gezogen. Schliesslich haben wir aber lieber auf etablierte und im Anlagemarkt anerkannte „Träger“ unseres Erzeugnisses gesetzt. Das sind konventionelle Anlageprodukte, die sich mit einer Schweizer ISIN versehen und leicht in Anlageportfolios einbinden lassen. Anleger wollen friktionslos in Assets investieren können.

«Auch die Tokenisierung haben wir anfangs für unsere Lösung in Betracht gezogen. Schliesslich haben wir aber lieber auf etablierte und im Anlagemarkt anerkannte „Träger“ unseres Erzeugnisses gesetzt.»

Für den Erfolg unseres Geschäftsmodells wäre die Wahl des Trägers aber völlig unerheblich; gegenüber der Ausgestaltung des Wrappers sind wir also agnostisch. Somit stehen wir grundsätzlich auch der Tokenisierung weiter sehr offen gegenüber. Sofern uns eines Tages genügend Nachfrage erreicht, können wir uns vorstellen, sie als zusätzliche Lösung und „Träger verbriefter Assets“ anzubieten.

An welchen Produktinnovationen arbeitet GenTwo, um den Vorsprung im Bereich der Verbriefung halten oder ausbauen zu können?

Wir werden dafür sorgen, dass mehr und auch unterschiedlichere Vermögenswerte grösseren Anlegerkreisen zugänglich werden – in der Schweiz wie weltweit. Dazu werden wir weitere Partnerschaften eingehen und auch weitere Produktinnovationen lancieren. Konkreter kann ich leider noch nicht werden. Aber ein paar spannende Pfeile haben wir schon im Köcher.

Die Pandemie schuf auch für die Wirtschaft eine Ausnahmesituation. Was an der Strategie von GenTwo hat sich bewährt, wo mussten Sie Anpassungen vornehmen?

Wir sind froh, dass wir bei der Aufsetzung unserer gesamten IT-Infrastruktur von Anfang an auf Cloudlösungen gesetzt haben. So ist jeder unserer Mitarbeiter in der Lage, von theoretisch überall auf der Welt aus normal für uns zu arbeiten. In Lockdown-Zeiten hat sich dies als immenser Vorteil bewährt. Was sich während dieser Zeit allerdings als Nachteil herausgestellt hat: Wenn man sich permanent im Remote-Modus befindet, ist es nicht leicht, die Kultur einer wachsenden Organisation aktiv zu gestalten.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Mein Wunsch ist, dass mehr Investoren die Möglichkeit erhalten, in alternative Anlagen zu investieren. Denn die meisten Werte sind ja nach wie vor nur einem sehr kleinen Kreis zugänglich. Mein zweiter Wunsch: Ich möchte, dass wir noch einen schönen und langen Sommer geniessen!


Zur Person
Patrick Loepfe ist GENTWOs Chairman und Entwickler des innovativen Verbriefungs-Setups. Der Spezialist für Strukturierte Produkte und Bankgeschäfte mit langjähriger Erfahrung im Investment Banking avancierte dank herausragender mathematischer und technologischer Fähigkeiten nun auch zur Schlüsselfigur der Schweizer Fintech-Industrie. Patrick Loepfe gilt als sogenannter Mastermind und treibende Kraft von Vontobels Deritrade – einem disruptiven Geschäftsmodell für den Vertrieb von Strukturierten Produkten.

Patrick Loepfe bei Linkedin

Das Interview entstand mit Unterstützung des Fundplat «Mountain Talks» Summit

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