Paul Graf, CEO Automobilverkehr Frutigen – Adelboden AG, im Interview

Paul Graf

Paul Graf, CEO Automobilverkehr Frutigen - Adelboden AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Graf, die AFA AG ist eine private Aktiengesellschaft, die Service Publique im öffentlichen Nahverkehr anbietet. Wie schwer ist dieser Spagat?

Paul Graf: Die öffentliche Hand hält einen Minderheitsanteil an der Unternehmung. Wir sind ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen und wollen Gewinn machen. Die Verhandlungen mit der öffentlichen Hand sind nicht immer einfach, weil wir dank dem öffentlichen Auftrag über eine gesicherte Grundauslastung verfügen und in der Sparte öffentlicher Verkehr keinen Gewinn erwirtschaften dürfen. Im Bereich Reisen und Taxi machen wir Gewinn.

Und wie wird das kontrolliert?

Aktuell ist die AFA eine einzige Unternehmung. Die Buchhaltung legen wir der Kontrollbehörde jährlich vor. Auf diese Weise hat die Kontrollbehörde den Überblick über die gesamte Unternehmung und wir können keine Erträge einer anderen Firma zuweisen. Zudem haben wir das Glück, dass wir insgesamt auf den öffentlichen Linien, im Vergleich zu anderen, einen sehr guten Deckungsbeitrag aufweisen. Dies erleichtert die Verhandlungen und der Spagat ist machbar.

«Wir haben Glück, dass wir insgesamt auf den öffentlichen Linien, im Vergleich zu anderen Anbietern, einen sehr guten Deckungsbeitrag aufweisen.»

Ist das Projekt „dynamisches Fahrgastinformationssystem“ abgeschlossen?

Die dynamische Fahrgastinformation ist auf allen Fahrzeugen eingebaut, welche ausschliesslich im öffentlichen Verkehr eingesetzt werden. Die Tests sind alle erfolgreich abgeschlossen. Die offizielle Inbetriebnahme des dynamischen Fahrgastinformationssystems ist auf den Fahrplanwechsel Dezember 2019 vorgesehen.

Wie sieht es bei der behindertengerechten Ausgestaltung der Haltestellen aus?

Die betroffenen Gemeinden wurden von verschiedenen Seiten informiert. Auf den verschiedenen Bergstrassen, die wir befahren, fehlt oft der Platz um eine Haltestelle zu erstellen, welche den vielen verschiedenen Bedürfnissen entspricht. Betreffend unserem Bushof in Adelboden läuft ein Projekt. Das Ziel ist, den Zugang in unser Gebäude und den Ein- und Ausstieg in unsere Fahrzeuge barrierefrei zu gestalten. Sehr früh hat das Projektteam festgestellt, dass wir mit dem Umbau nicht genügend Haltekanten für die aktuellen Bedürfnisse erstellen können.

In Zusammenarbeit mit Gemeindevertretern von Adelboden haben wir ein weiteres Teilprojekt „OV Adelboden“ gestartet. Diese Gruppe sucht nach geeigneten Lösungen, um den Ortsverkehr so zu organisieren, dass wir den Knotenpunkt Adelboden, Post nachhaltig entlasten könnten. Die verschiedenen baulichen Massnahmen ausserhalb unseres Grundstücks erweisen sich als schwer realisierbar, weil die gesetzlichen Bestimmungen viele Nachweise fordern und anschliessend noch mit den betroffenen Personen die Verhandlungen abzuschliessen sind.

«Wenn man innerhalb von 12 Monaten zweimal gegen die Postauto AG eine Ausschreibung verliert, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Grösse des Unternehmens einen Einfluss auf die Entscheidungsträger hat.»
Paul Graf, CEO Automobilverkehr Frutigen – Adelboden AG

Wie läuft es bei der neu in den Fahrplan aufgenommenen Linie St. Stephan, Matten – St. Stephan, Lengebrand?

Diese Linie fahren wir während den vier Wintermonaten im Auftrag der Gemeinde St. Stephan. Der Erfolg hat uns überrascht. Von Dezember 2018 bis März 2019 durften wir über 18‘000 Personen transportieren. Um den Ansturm zu bewältigen mussten wir an Spitzentagen bis zu drei Fahrzeuge einsetzen. Damit alle Personen befördert werden konnten, waren wir auch auf die Unterstützung der Anwohner sowie den Strassendienst angewiesen. Die Anwohner haben für ihre Privatfahrten sehr genau auf den Fahrplan geachtet. Dank dem gab es auf der schmalen Strasse keine Kreuzungsprobleme. Von früh bis spät machte das Team des Strassendienstes auch einen hervorragenden Job.

Sie rivalisieren schon mal mit den gelben Postautos bei Ausschreibungen. Hat es da gleichlange Spiesse?

Sehr schwer zu beurteilen. Insbesondere, wenn man innerhalb von 12 Monaten zweimal gegen die Postauto AG eine Ausschreibung verliert, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Grösse des Unternehmens einen Einfluss auf die Entscheidungsträger hat. Dies ist eine subjektive Einschätzung der AFA respektive von mir. Was diesen Eindruck verstärkt ist, dass wir bei beiden Offerten mindestens 11 Prozent weniger Steuergelder für die gleiche Leistung verlangen als Postauto AG. Nach dem aufgedeckten Skandal im Jahre 2018 und den Unregelmässigkeiten im Sommer 2019 im Berner Oberland hat man als unterlegene Unternehmung das Gefühl, dass unsere Leistung nicht richtig gewürdigt wird.

Seit 2011 nimmt Ihr Personalbestand ständig leicht zu. Kann man die AFA als bedeutenden Arbeitgeber des Simmentals bezeichnen?

Die AFA ist als Arbeitgeberin nicht nur im Simmental tätig. Auch im Kander- und Engstligental dürfen wir Mitarbeiter beschäftigen. 2/3 unseres Umsatzes erzielen wir mit Aufträgen der öffentlichen Hand. Die Zunahme der beförderten Personen hat in den letzten Jahren, über die ganze Unternehmung gesehen, stetig zugenommen. Aufgrund dieser Tatsache haben wir Verdichtungen im Linienverkehr vorgenommen. Weiter werden Anforderungen im administrativen Bereich ständig erhöht. Die Nebengeschäfte Reisen und Taxi haben wir aufgebaut und bauen sie weiter aus. Dank all dieser zusätzlichen Aufgaben können wir auch unseren Personalbestand laufend erhöhen. Aktuell können wir rund 50 Arbeitsplätze in den drei Tälern zur Verfügung stellen.

Gibt es Überlegungen zu der grossen Position an Aktien der Adelbodner Bergbahnen (immerhin fast 24’000 Stück), welche die AFA hält?

Bis in die 90er Jahre hat die AFA, das einheimische Gewerbe – insbesondere Unternehmen – welche direkt im touristischen Bereich tätig waren, unterstützt. Wir verfolgen mit diesem Engagement keine strategischen Ziele.

«Aktuell können wir rund 50 Arbeitsplätze in drei Tälern zur Verfügung stellen.»

Wie lief der Sommer bei AFA Reisen?

Wir haben einen erfreulichen Sommer hinter uns. Mit unseren attraktiven Angeboten haben wir im letzten Sommer neue Kunden überzeugen können, mit uns zu reisen. Wir freuen uns besonders, vermehrt auch Kunden aus dem Simmental bei uns im Reisebus begrüssen zu dürfen.

Die AFA bietet auch einen 24h-Taxidienst. Sind die Fahrer festangestellt?

Einen Teil unserer Taxifahrer sind festangestellt. Einige Fahrer sind polyvalent einsetzbar. Das heisst diese Fahrer/-innen können wir auf Busse, Kleinbusse und Taxi einsetzen. Einige Fahrer setzen wir ausschliesslich im Taxibetrieb ein. Diese sind im Stundenlohn angestellt.

Der bescheidene Reingewinn wird meist auf neue Rechnung vorgetragen. Wie verteilen sich die Aktien?

Wie bereits erwähnt ist die öffentliche Hand an unserem Unternehmen in einem sehr bescheidenen Rahmen beteiligt. Die Hauptauftraggeber im öffentlichen Verkehr (Bund und Kanton) sind nicht an unserer Unternehmung beteiligt. Weit über 90% der Aktien sind in Privatbesitz.

Ältere abgeschriebene Dienstfahrzeuge stellen Sie zum Verkauf. Wer darf sich darüber freuen? Die Sammler?

Bis auf eine Ausnahme haben wir nur noch Fahrzeuge mit Euro5/Euro6 – Motoren. An solchen Fahrzeugen haben Sammler kein Interesse. Das eine alte Fahrzeug ist bereits für einen Sammler reserviert, welcher schon seit mehreren Jahren auf sein Schmuckstück wartet.

Automobilverkehr Frutigen – Adelboden AG

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