Yvan Maillard Ardenti, Kapitalmarktspezialist «Brot für alle»

Yvan Maillard Ardenti, Kapitalmarktspezialist «Brot für alle»

Yvan Maillard Ardenti, Kapitalmarktspezialist bei «Brot für alle»

Von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch.

payoff im Gespräch mit Yvan Maillard Ardenti, Kapitalmarktspezialist bei «Brot für alle», über die aktuelle Initiative zu den Preiseinflüssen bei Agrarrohstoffen, physischen Handel vs. Finanzmarkt und die globale Macht der Terminbörsen über Weizen, Mais & Co.

payoff: Herr Maillard Ardenti, Ihre Organisation hat vor Kurzem die Anti-Agrarrohstoff-Kampagne «Stopp Spekulation» lanciert. Woher kam der Impuls?

Yvan Maillard Ardenti: Fastenopfer und Brot für alle erachten diese Thematik als wichtig: Das Recht auf Nahrung gehört zu unseren Kernanliegen. Zugleich haben seit einigen Jahren Banken, Pensionskassen und Versicherungen die Spekulation mit Nahrungsmitteln für sich entdeckt.

«Kauft der Kongo Reis, bestimmt die Chicagoer Terminbörse den Preis.»

Was kreiden Sie konkret an?

Einige Finanzadressen spekulieren mit Milliardenbeträgen auf die Preisentwicklungen von Mais, Weizen, Reis und anderen Grundnahrungsmitteln. Das verstärkt die Preisschwankungen und beeinflusst aber auch die lokalen Marktpreise – mit gravierenden Folgen: In den Emerging Markets benötigt ein Haushalt oft 50-90% des Einkommens für den Kauf der Nahrungsmittel.

Warum fokussieren Sie sich mit der Kritik auf die Finanzwirtschaft und lassen die physischen Händler von Agrarstoffen gänzlich aussen vor?

Physische Händler vermitteln zwischen Produzenten und Verbrauchern rund um den Globus. Das ist eine nützliche Funktion. Sie hilft auch, Risiken der im Markt aktiven Beteiligten abzusichern oder zu vermindern. Ganz anders die Finanzspekulanten, die keine nützliche Funktion haben und die Rohstoffmärkte verzerren. Sie wetten auf höhere Rohstoffpreise, einzig um damit Profit zu erzielen.

Hat der Preis an der Chicagoer Terminbörse wirklich einen Einfluss auf die lokalen Nahrungsmittelpreise?

Viele afrikanische Länder spüren das ganz direkt. Sie können sich nicht selbst versorgen und sind auf den Import von Nahrungsmitteln angewiesen. Kaufen als Beispiel die Demokratische Republik Kongo oder Sierra Leone Reis auf dem Weltmarkt, müssen sie den Preis der Chicagoer Terminbörse bezahlen. Wenn sich aber importierte Nahrungsmittel verteuern, hat das auch einen Einfluss auf die Preise aller Nahrungsmittel.

«Einzig der Zwischenhandel und Grossbauern profitieren»

Höhere Preise bei allen lokalen Agrargütern würde aber auch bedeuten, dass der Bauer vor Ort mehr Geld für seine Ware bekommt…

Leider nicht der Kleinbauer und seine Familie. Eine Studie aus Kenia zeigt, dass von höheren Preisen eher der Zwischenhandel sowie Grossbauern profitieren. Auch in Thailand wurde 2007 festgestellt, dass, obschon die Reispreise an der thailändischen Börse wie auch auf dem Weltmarkt stark stiegen, die Bauern gleiche oder gar tiefere Verkaufspreise für ihren Reis erzielten.

Ganz lässt sich der höhere Verkaufspreis also nicht wegdiskutieren…

Bei steigenden Verkaufserlösen für die Bäuerinnen und Bauern klettern zugleich meist auch die Preise für Benzin und Transport in die Höhe. Das wirkt entsprechend neutralisierend.

Im Langfristvergleich (1973-2013) ist nur bei Sojabohnen eine starke Teuerung festzustellen. Die übrigen Rohstoffe reagierten primär auf Ernte-Nachrichten. Hinkt da Ihre verallgemeinernde These vom Börsenzocker?

Für die Bäuerinnen und Bauern sind besonders die Preisschwankungen, die Volatilität, katastrophal. Für sie ist wichtig, dass die Preise langfristig stabil und vorhersehbar sind, damit sie ihre Produktion planen können und sie sich auch nicht aufgrund der Preissignale verschulden.

«Finanzspekulanten verzerren den Rohstoffmarkt.»

Was macht Sie da so sicher?

Kürzlich haben Ökonomen der UNCTAD und ETH Zürich eine Studie zu den Gründen von Preisschwankungen an den Rohstoffbörsen veröffentlicht. Darin konnten sie anhand von mathematischen Modellen aufzeigen, dass nahezu 70% der Schwankungen bei den Rohstoffkursen nicht auf Angebot-/Nachfrage-Informationen zurückzuführen waren. Hauptauslöser der Preisschwankungen sei das Herdenverhalten verschiedener Finanzinvestoren.

Mit welchen Finanzhäusern haben Sie zu Ihren Thesen Gespräche geführt?

Nach Abschluss der Recherche wurden die Ergebnisse den zehn Schweizer Banken mit Fonds, die in Agrarrohstoffen anlegen, zugestellt und um eine Antwort gebeten. Mit Vertretern von Swisscanto, Lombard Odier und Pictet kam es zu einem Gespräch; Safra Sarasin und UBS antworteten schriftlich.

Was war der Tenor?

Die Aktivitäten hätten keinen Einfluss auf die Preise, da sie nur kleine Player seien.

Wie war die Reaktion von Brady Dougan bzw. der Credit Suisse, auf welche Ihre Kampagne primär abzielt?

Eine direkte Antwort haben wir bisher nicht erhalten. Jedoch liess die Credit Suisse via Nachrichtenagentur verlauten, ihre wenigen Anlageprodukte, die einzig in Nahrungsmittel investieren, würden mit dem Ende ihrer Laufzeit nicht mehr verlängert.

Das hört sich doch nach gütlicher Einigung an…

Wir kritisieren in diesem Zusammenhang primär die drei Anlagefonds der Credit Suisse, die im Umfang von 2,4 Milliarden teilweise in Nahrungsmittel investieren. Diese werden jedoch weiterhin angeboten.

Besten Dank für das Gespräch!

Der Gesprächspartner:
Yvan Maillard Ardenti ist Finanzspezialist bei Brot für alle und arbeitet zu den Themen Nahrungsmittelspekulation, Land Grabbing und Verschuldung. Nach dem Studium der Umweltnaturwissenschaften (Zürich) und Betriebswirtschaft (Lausanne) arbeitete Yvan Maillard Ardenti als Research Analyst bei Centre Info AG in Fribourg, einem Beratungsunternehmen für sozial verantwortliche Geldanlagen. Seit 2004 ist er auch als Kursleiter für nachhaltige Betriebswirtschaft an den Hochschulen für Wirtschaft in Freiburg, Yverdon-les-Bains und Genf tätig.

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