auto-schweiz: Mogelpackung Offroader-Initiative

Die «Initiative für menschenfreundlichere Fahrzeuge», besser bekannt unter dem griffigen Titel «Stopp-Offroader-Initiative», scheint zustandegekommen zu sein; am Montag wurden laut Initiativkomitee der Bundeskanzlei über 140’000 Unterschriften abgegeben.

Worum geht es?
Der genaue Initiativtext kann unter www.menschenfreundlicher.ch eingesehen werden; hier nur die wichtigsten Passagen:
1. Personenwagen mit einem CO2-Ausstoss von mehr als 250 g/km sind nicht mehr zugelassen, ebenso Personenwagen, die schwerer sind als 2200 kg oder die mehr als 2,5 mg Russpartikel pro km emittieren.
2. Personenwagen, die durch die Ausgestaltung ihrer Frontpartie Velofahrende, Fussgänger oder andere Verkehrsteilnehmer übermässig gefährden, sind nicht mehr zugelassen.
3. Motorfahrzeuge, welche vor dem Inkrafttreten dieses Artikels zugelassen wurden, dürfen – ebenso wie im Ausland immatrikulierte Fahrzeuge – weiterhin verkehren, allerdings mit einer auf 100 km/h limitierten Geschwindigkeit.


Neidfaktor beim Unterschriften Sammeln?
Was auffällt: Obwohl der Begriff «Offroader» im Initiativtext nirgends auftritt (lediglich in der Begründung der Initiative ist diese Kategorie explizit erwähnt, wobei die Definition, was ein Offroader ist und was nicht, offen bleibt), spielte dieses Reizwort bei der Unterschriftensammlung eine entscheidende Rolle. Denn es wurde stets von der «Stopp-Offroader-Initiative» gesprochen, auch wenn in Tat und Wahrheit sehr viele andere Autos anderer Kategorien betroffen wären. Beim Sammeln der Unterschriften machten sich die Initianten offensichtlich ganz bewusst den Neidfaktor zunutze, ausserdem unterstellten sie den Benützern von Geländewagen und SUVs generell mangelnde Umweltsensibilität und Sozialkompetenz, und schliesslich wurde auch ins Feld geführt, dass Fussgänger bei Kollisionen mit Offroadern stärker gefährdet seien. So gesehen, erstaunt es nicht, dass die für eine Volksinitiative nötige Unterschriftenzahl nach anfänglich harzigem Start doch noch erreicht werden konnte. Nun könnte man zur Tagesordnung übergehen und prophezeien, bei der Nagelprobe vor dem Stimmvolk und den Ständen stünde die «Offroader-Initiative» ohnehin von vornherein auf verlorenem Posten, aber das Beispiel der Alpen-Initiative, die 1994 (nach mehr als flauer bürgerlicher Gegenwehr) angenommen wurde und einen zweiten Gotthard-Strassentunnel faktisch verbietet, sollte Warnung genug sein, die Initiative nicht zu unterschätzen.

Weichen sind bereits gestellt
Stichhaltige Gründe, die gegen die «Initiative für menschenfreundlichere Fahrzeuge» sprechen, gibt es genügend, entpuppen sich doch bei genauerer Analyse die Forderungen der Initianten als geradezu abstrus, weil im Sonderfall Schweiz technisch, politisch oder gesellschaftlich nicht umsetzbar. Vor allem aber gilt es festzuhalten, dass es diese Initiative schlicht nicht braucht, weil ohnehin schon alle Weichen in Richtung CO2-Senkung gestellt sind, und zwar weltweit. Bezeichnenderweise wird in der Initiative völlig ausgeblendet, dass namentlich  in der EU die CO2-Debatte im vollen Gange ist und ungefähr zu dem Zeitpunkt, in dem die Initiative im Falle einer Annahme Rechtskraft erlangte (2012),  EU-weit CO2-Grenzwerte gelten werden, die partiell sogar noch weit schärfer sind als diejenigen der «Stopp-Offroader-Initiative». Vermutlich dürften diese neuen Emissionslimiten zu einer Bereinigung der Angebotspaletten der Hersteller führen, beispielsweise durch den Entfall besonders durstiger Modellvarianten bzw. Motoren, zumindest für europäische Märkte.

Zur Zeit verhandelt die Importeurenvereinigung auto-schweiz mit dem Bundesamt für Energie über neue CO2-Zielvereinbarungen für den hiesigen Markt, und obwohl noch keine konkreten Ergebnisse vorliegen, darf doch davon ausgegangen werden, dass die EU-Vorgaben zumindest als Messlatte dienen. Denn schliesslich müssen wir die Autos nehmen, die von den Herstellern serienmässig angeboten werden; wer von Spezialversionen für den Schweizer Markt träumt, ist mehr als naiv. Fakt ist: Angesichts der globalen Bemühungen um Ressourcenschonung und CO2-Reduktion wäre ein allfälliger schweizerischer Alleingang in jeder Beziehung blanker Unfug.

Nicht nur Offroader
Es ist ein fataler Irrglauben, zu meinen, im Falle einer Annahme der Initiative müssten nur Autos à la Hummer & Co. aus dem Angebot genommen werden. Eine erste Konsultation der auf der Fahrzeugliste des Bundesamtes für Energie (BFE) aufgeführten zeigt, dass von den total 4841 Modellen ungefähr 650 nicht mehr importiert werden dürften. Zwei Drittel dieser rund 650 Modelle fallen nicht unter die Rubrik SUV/Geländewagen, sondern es sind Limousinen, Kombis, Familienvans und Sportwagen. Was die wenigsten wissen dürften: Im Falle einer Annahme der grünen Initative müssten ausser den grossen SUVs nicht nur einzelne Modellreihen aus dem Angebot gestrichen werden, sondern sogar ganze Marken: Ferrari, Lamborghini, Maserati, Bentley, Rolls-Royce und Aston Martin; ausserdem bis auf zwei Modelle sämtliche Porsche. Der als konkurrenzlos sparsam geltende Dieselmotor ist übrigens nicht automatisch die Lösung aus dem Dilemma: Durch die Festschreibung eines extrem niedrigen Partikelgrenzwerts von 2,5 mg/km& das sind 50 Prozent des für die Normen Euro-5 (kommt 2009) und Euro-6 (2013) vorgesehenen Wertes von 5 mg/km – würde rund ein Viertel aller mit Russpartikelfilter versehenen Dieselmotoren ebenfalls aus Abschied und Traktanden fallen.

Schwammige Formulierung
 Artikel 3 des Initiativtextes («Motorfahrzeuge, welche Velofahrende, Zufussgehende oder andere Verkehrsteilnehmer übermässig gefährden, sind nicht zugelassen») ist so wolkig formuliert, dass man zur Schlussfolgerung kommen muss, dass er nur deshalb Eingang gefunden hat, weil man nicht nur bei den umweltbesorgten Bürgerinnen und Bürgern auf Stimmenfang gehen wollte, sondern auch bei all denen, die sich durch das Feindbild Offroader in ihrer Sicherheit bedroht fühlen. Moniert werden in der Begründung der Initative die hohe, kantige Aufprallfront, der starre Leiterrahmen und die unnachgiebigen Karosserieteile der Offroader, welche im Falle einer Kollision ein höheres Gefährungspotenzial hätten. Hierzu nur soviel: Nachdem die Insassensicherheit mittlerweile einen sehr hohen Standard erreicht hat, geniesst das Problem des Fussgängerschutzes in der Automobilindustrie höchste Priorität, und es sind bereits entsprechende Vorschriften (die im Laufe der Zeit noch deutlich verschärft werden sollen) in Kraft. Und, mit Verlaub: Ginge es tatsächlich um starre und hohe Frontpartien, müssten sämtliche Trams und Stadtbusse umgehend aus dem Verkehr gezogen werden, Lastwagen sowieso.


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Internationale Abkommen tangiert
Abgesehen vom Imageschaden, welchen sich der Wohlstandsstaat Schweiz mit dem von den Initianten vorgesehenen Eingrenzungen einhandeln würde, ist anzunehmen, dass eine solche Massnahme internationale Verträge wie etwa WTO-Vereinbarungen oder das Landverkehrsabkommen mit der EU verletzt, insbesondere mit der angestrebten «Liberalisierung des Fahrzeugimports und Fahrzeughandels» sowie dem «Abbau von Handelshemmnissen» im Widerspruch steht. Ausserdem könnten auch wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verletzt werden. Es ist durchaus möglich, dass die anstehende Gültigkeitsüberprüfung (obligatorisch nach dem Zustandekommen einer Initiative) ergeben wird, dass die gesamte Initiative oder zumindest Teile davon als ungültig erklärt werden muss. 
Übrigens: Anders als die grünen Initianten gerne behaupten, sind schwere und leistungsstarke Autos nicht zwingend ein Ausdruck von Wohlstand oder von Geltungssucht sind, sondern in der topografisch schwierigen Schweiz mit ihren spezifischen Strassenverhältnissen je nach Wohnort und Einsatzgebiet teilweise unverzichtbar. In einem freiheitlichen Land darf es nicht sein, dass unter dem Deckmäntelchen des Umweltschutzes und der Sicherheit vorgeschrieben wird, was wir fahren dürfen und was nicht. Das wäre reiner Ökoterror. Nicht unterschätzt werden darf auch, dass das Verbot von schweren Personenwagen und Sportwagen eine Diskriminierung der Schweizer Bevölkerung gegenüber anderen Ländern bedeuten würde und eine einschneidende Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit wäre. Ungelöst ist ausserdem die Frage, wie man mit den in die Schweiz einreisenden oder durchreisenden, von der Initiative betroffenen Fahrzeugen zu verfahren gedenkt. Vermutlich wäre mit massiven Repressalien seitens der EU zu rechnen, sollte die Umsetzung der Initiative Schikanen nach sich ziehen.

Wider Treu und Glauben
Ein weiterer juristischer Knackpunkt versteckt sich im Initiativpassus, in dem es um die Behandlung von bereits im Verkehr stehenden Fahrzeugen geht. Die Initianten  sehen vor, dass diese nur noch mit Tempo 100 zirkulieren dürfen, sofern sie den Anforderungen punkto CO2- und Partikelemissionen bzw. dem Sicherheitsanspruch nicht genügen. Von der Tatsache abgesehen, dass solches eine technisch kaum durchführbare Kontrolltätigkeit nach sich ziehen würde: Besitzer von Autos, die zum Zeitpunkt der ersten Inverkehrsetzung völlig legal waren, also sämtlichen gesetzlichen Vorschriften genügten, würden durch das nachträgliche Einbremsen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h total diskriminiert. Ein nicht tolerierbarer Verstoss wider Treu und Glauben. Zudem würden die betroffenen Autos im Occasionenmarkt schlagartig und massiv an Wert verlieren – eine Geldvernichtung im dreistelligen Millionenbereich.

Prügelknabe Auto
Einmal mehr wird also Umweltpolitik auf dem Rücken des motorisierten Privatverkehrs gemacht. Um das zu beweisen, braucht man nur die Frage zu stellen, weshalb die grünen Initianten nicht mit dem gleichen Elan Einschränkungen im Wohnbereich fordern (wie wäre es mit der Limitierung der maximalen Wohnfläche auf 50 m2 pro Person?), weshalb sie nicht gegen Billig-Flugreisen in die entlegensten Ecken der Welt ankämpfen oder gegen Ölheizungen generell. Betätigungsfelder gäbe es genügend, aber in keinem sind die Leute durch unablässigen Beschuss aus der Öko-Ecke bereits so zermürbt wie beim privaten Automobil, dass sie fast ohne Widerspruch auch rigoroseste Repressalien akzeptieren. Die Grünen sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass in keinem anderen Wirtschaftszweig so viel für den Umweltschutz getan wurde (und wird) wie in der Automobilbranche. Es bleibt zu hoffen, dass das Schweizer Stimmvolk vom dauernden «Car-bashing» genug hat und der Initiative, sollte es denn dereinst zur Abstimmung kommen, eine Abfuhr erteilt. Übrigens: Nach der Einreichung geht das Volksbegehren den üblichen Weg via Verwaltung, Bundesrat und Parlament, bevor es  frühestens in zwei, wahrscheinlicher aber in drei oder vier Jahren, dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden kann. auto-schweiz, die Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure, wird die «Stopp-Offroader-Initiative»  federführend bekämpfen, gemeinsam mit den Organisationen der Automobiliwirtschaft und des privaten Strassenverkehrs.

(auto-schweiz/mc/hfu)

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