David Bosshart, CEO Gottlieb Duttweiler Institut

von Patrick Gunti


Herr Bosshart, eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts hat ergeben, dass bei den Menschen der Wunsch nach Status stark anwächst. Was sind die Gründe?


Die wichtigste Botschaft der letzen Jahre lautete: «The World is flat». Alles ist für immer mehr Menschen sofort verfügbar und zugänglich, durch Kommunikation, Information, Internet, Netzwerke, Outsourcing, Offshoring etc. Aber wir lernen: das stimmt gar nicht. Wenn alles «flach» wird, wird es langweilig, ja unerträglich. Zwischen einem H&M-Anzug und einem Prada-Anzug gibt es kaum mehr einen Unterschied – ausser dem Preis. Menschen wollen anders sein durch Status. Menschen orientieren sich nicht einfach an Geld und Marken, sondern vielmehr an Status.


Was ist dabei unter Status zu verstehen, worum geht es beim Status?


Unsere Untersuchungen in der Schweiz und in Deutschland, die sich weitgehend mit amerikanischen Entwicklungen decken, haben ergeben, dass es in den letzten Jahren eine relative Angleichung der Lebensstile zwischen den Schichten, zwischen jung und alt, zwischen Frauen und Männern ergeben hat. Das ist Demokratisierung durch Teilhabe an Konsummustern. Das darf man nicht unterschätzen. Nur: alle Gesellschaften der Welt waren immer hierarchisch, und gerade eben nicht «flach». Menschen wollen sich unterscheiden und zu bestimmten Gruppen dazugehören und sich von anderen Gruppen abgrenzen. Wenn nun alles «flach» wird, steigt die Sehnsucht nach Unterscheidung. Und das macht Status aus. Status gibt uns in einer komplexen und komplizierten Welt Sicherheit, dazuzugehören, nicht ignoriert zu sein und unsere Identität zu finden.


Gibt es so etwas wie eine gekaufte Individualität?


Bis zu einem gewissen Grad, dann ist das Optimum erreicht. Sehr schön sehen wir das bei den Neureichen in den USA, von denen es auch in der Schweiz und Deutschland viele Exemplare gibt. Sie haben sich an den alten Statussymbolen orientiert – Golf, Autos, Clubs, Kunst, Immobilien – und haben ihre jährlichen Fixkosten ins Astronomische getrieben. Letzendlich bringt dieses Steigerungsspiel keine anhaltende Befriedigung, sondern macht brutal klar: das wichtigste ist das Expire Date – wie auf der Kreditkarte, das Ablaufdatum. Die entscheidende Frage der Gegenwart lautet: WANN ist es vorbei? Wann bist Du nicht mehr dabei? Hast Du die Ressourcen, um Dich für die nächste Runde zu qualifizieren? Bist Du noch ein A-Promi? Wenn man einmal für dieses Spiel einwilligt, ist der Ausstieg schwierig. Wir stellen in unserer Studie fest: viele Menschen sehen ein, dass dieses Steigerungsspiel nicht mehr genügt. Sie wollen nicht mehr vom selben, und damit ihre Kosten hochtreiben, sondern etwas anderes.


Durch was wird dieses Statusdenken gefördert?


Ganz klar durch den gesellschaftlichen Druck der Peers, also derjenigen Menschen, mit denen wir uns messen wollen. Und das sind immer Menschen, die leicht über uns selbst positioniert sind. Wenn ich 100’000 Fr. im Jahr verdiene, vergleiche ich mich nicht mit demjenigen, der 1 Mio. Fr. verdient. Der ist nicht in meiner Reichweite. Aber ich vergleiche mich mit demjenigen, der 120’000 Fr. verdient. Den will ich ein- und überholen. In einer so stark leistungsorientierten Gesellschaft wie der unsrigen kommt dazu, dass ich mich um so ärmer fühle, je mehr überall kommuniziert wird, was der Wohlstand der Reichen ist. Wenn ich mich im Umfeld mit lauter Multimillionären bewege, fühle ich mich automatisch «schlechter», obwohl es mir de facto immer besser geht.


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An der 4th European Consumer Trends Conference des GDI war die Rede von der Upgrade-Gesellschaft. Wie ist diese entstanden?


Damit gemeint ist der Druck, permanent seinen materiellen Status nach oben zu korrigieren. Alle grossen Firmen haben heute mit CRM-Programmen auch Loyalitäts-Karten und Incentives. Das heisst, ich bin entweder «Member of» ohne spezielle Privilegien, oder ich bin Silber-Karte Mensch, als nächstes Gold-Karte Mensch, und dann Platinum- oder Schwarz-Karte Mensch. Die Anreize sind banal, aber ökonomisch funkioniert es sehr simpel. Aber ich muss mich immer wieder neu qualifizieren, um meine Potenz zu demonstrieren. Entscheidend ist also auch hier, dass alles ein Verfallsdatum hat. Und damit steigt der Druck, immer wieder zu beweisen, dass man sich seine Status-Gruppe noch leisten kann.


Status wird häufig mit Luxus gleichgesetzt. Stimmt diese Gleichung?


Die Definition von Luxus hat sich deutlich verändert in den letzten Jahren. Die materiellen Werte können nur noch marginal optimiert werden – wenn ich schon Private Jet, in allen Kontinenten Firmen und Penthouses und Steuererleichterungen habe – wie kann ich das noch toppen? Wenn ich alle Luxusgüter per Mausclick kaufen kann, wo bleibt das Spezielle und Aussergewöhnliche? Es entstehen neue Sehnsüchte.


«Status gibt uns in einer komplexen und komplizierten Welt Sicherheit, dazuzugehören, nicht ignoriert zu sein und unsere Identität zu finden.» (David Bosshart, CEO GDI)


Kann Status auch immatriell sein?


Ganz eindeutig. Der nächste Schritt wird anders sein. Nach der Bedürfnispyramide von Maslow sehen wir, dass Selbstverwirklichung und die Ausrichtung auf das eigene Ego sich zu Tode läuft. Reiche Menschen, die schon alles haben, sehnen sich nicht mehr nach mehr vom selben, sondern nach Selbst-Transzendenz. Also: wie kann ich mich aufgehoben fühlen in einem übergeordneten Ganzen? Wie kann ich etwas Sinnvolles tun, ohne damit automatisch meinen materiellen Reichtum nochmals zu erhöhen, sondern einen immateriellen Wert erleben und erfahren, indem ich Gutes tue für andere. Darum ist Philanthropie ein grosser Trend bei den wirklich Reichen wie Bill Gates, Donna Karan oder Mo Ibrahim. Das hat dann sogar mit Glaube, mit Liebe, mit Religion zu tun.


Der Sinn für Luxus beginnt sich zu verändern, eine neue Bescheidenheit hält Einzug, also diskreter Luxus. Was kann man darunter verstehen?


Ich glaube nicht, dass es mit Bescheidenheit zu tun hat. Sondern einfach mit der Erkenntnis, dass mehr vom selben mich nicht weiterbringt. Und dass der Mut zur Radikalität auch mich persönlich weiterbringt als der nächste Porsche oder Aston Martin.


Das Statusdenken und die Lust auf Luxus hierzulande oder in anderen Wirtschaftsnationen ist aber anders als in aufstrebenden Märkten wie beispielsweise Indien, China oder Russland?


Ja, aber unterschätzen Sie nicht, diese Länder machen ein Leap Frogging: viele Menschen durchlaufen die Phasen, die wir in Jahrzehnten durchgemacht haben, gerade einmal in wenigen Jahren. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.


Herr Bosshart, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.





Zur Person
David Bosshart ist CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, einer der führenden europäischen Think Tanks. Er ist Autor diverser Publikationen u.a. von «Kultmarketing», «Die Zukunft des Konsums», «Billig» und Referent bei Veranstaltungen in Europa, den USA und Asien. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Handel und Konsum, Management und gesellschaftlicher Wandel.


Zur Studie:
Die neue Studie «Statusfaction»  des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) untersucht die wachsende Bedeutung von Status. Auf der Grundlage einer repräsentativen Umfrage in der Schweiz und in Deutschland beschreibt sie die Gründe, schildert die Folgen und zeigt neue Marktpotentiale. Die Studie erscheint am Montag, 26. Mai 2008 und kann bestellt werden unter http:///www.gdi.ch/studien.


Zum GDI:
Seit über vierzig Jahren ist das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) ein Garant für unabhängige Forschung, welche quere und unkonventionelle Denkweisen nicht nur zulässt, sondern fördert. So entstehen neue Ansätze und wegweisende Ideen. Dank weltweiter Vernetzung funktioniert das GDI als Wissensplattform, auf der wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen am Puls der Zeit erforscht, diskutiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das GDI ist ein Ort der Begegnung, ein Ort der kühnen Ideen, ein Ort der Überwindung von mentalen Grenzen.

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