Gasstreit eskaliert: Minsk blockiert Transit in EU

Kremlchef Dmitri Medwedew verfügte darauf neue Strafmassnahmen. Die EU rief beide Seiten zur Mässigung auf. Moskau und Minsk werfen sich gegenseitig Millionenschulden in ihren Gasgeschäften vor. Der russische Staatsmonopolist Gazprom liefert nur noch 70 Prozent der üblichen Menge Gas an den Nachbarn.


Erinnerungen an «Gaskrieg» zwischen Russland und der Ukraine
Erst im Winter 2009 hatte ein wochenlanger «Gaskrieg» zwischen Russland und der Ukraine zu Lieferengpässen auch in der EU geführt. Viele Menschen sassen im Kalten. Wegen des Sommers und der gefüllten Gasspeicher befürchten die Versorger zwar zunächst keine gravierenden Auswirkungen des Konflikts zwischen Moskau und Minsk für die Verbraucher in der EU. Experten erwarten allerdings, dass sich der Konflikt der beiden Ex-Sowjetrepubliken weiter weiter zuspitzt.


Lukaschenko auf russische Hilfe angewiesen
Russische Medien sehen in dem Streit ein Druckmittel, um Weissrusslands Widerstand gegen eine von Russland angestrebte Dreier-Zollunion mit Kasachstan zu brechen. Lukaschenko ist zudem dringend auf Hilfe aus Moskau angewiesen, um seine Macht bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen zu sichern.


Litauen von Blockade besonders betroffen
Von einer Blockade ist nach Einschätzung von Experten besonders das EU-Mitglied Litauen betroffen, da das baltische Land zu 100 Prozent über diesen Weg versorgt wird. Im Notfall soll das benachbarte Lettland für gut eine Woche aushelfen. «Was nach dieser Woche geschähe, wissen wir nicht», sagte die Sprecherin von EU- Energiekommissar Günther Oettinger, Marlene Holzner, in Brüssel. Auch die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad um das frühere Königsberg könnte von den Lieferungen ausgeschlossen werden.


Europa erhält gut 6,25 Prozent seines Erdgases über das Transitland Weissrussland. Deutschland bezieht danach zwischen 2 Millionen und 2,5 Millionen Kubikmeter Gas täglich auf diesem Wege und füllt damit vor allem seine Speicher auf.


EU ruft Parteien zur Einhaltung von Verpflichtungen auf
Brüssel rief beide Seiten auf, ihre vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten. «Wir erwarten, dass die Gasversorgung nach Westeuropa nicht beeinträchtigt wird und dass die Verträge erfüllt werden», sagte Holzner. Russland habe zugesichert, im Fall von Sperrungen auf das ukrainische Transitsystem auszuweichen. Die Ukraine, die nach einem Machtwechsel in diesem Jahr wieder prorussisch geführt wird, signalisierte Bereitschaft dazu.


Angebliche Gazprom-Schulden
Weissrussland warf Gazprom vor, 260 Millionen US-Dollar für das Durchleiten von Gas in den Westen nicht bezahlt zu haben. Diese Summe könnte mit den 192 Millionen US-Dollar verrechnet werden, die Weissrussland seinerseits dem Nachbarland schulde, schlug Lukaschenko bei einem Treffen mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow in Minsk vor. Andernfalls drohe der Ausbruch eines «Gaskriegs», warnte Lukaschenko. Moskau lehnt eine Verrechnung ab.


Lieferungen nach Weissrussland um bis zu 85 % reduziert
Russland drehte seinem Nachbarn am Dienstagmorgen den Gashahn noch weiter zu. Die Lieferungen nach Weissrussland sollen um bis zu 85 Prozent des üblichen Niveaus gekürzt worden, wenn der Nachbar nicht zahlt. Weissrussland unternehme keinerlei Schritte, um seine Schulden zu tilgen, hiess es in einer in Moskau veröffentlichten Mitteilung von Gazprom-Chef Alexej Miller. Zu Wochenbeginn hatte Gazprom zunächst 15 Prozent des Lieferumfangs gekürzt, am Dienstag noch einmal dieselbe Menge. Zwar hatte Minsk erklärt, das Geld bis 5. Juli zahlen zu wollen. «Wir werden aber sicher nicht diese zwei Wochen warten», sagte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow.  (awp/mc/pg/19)

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