Jeffrey Singer, CEO Nasdaq Dubai

von Gérard Al-Fil


Wie müssen wir Sie anreden? Herr Singer, Herr Vorstandsvorsitzender,…

Bitte nennen Sie mich Jeff.

Also Jeff, Amerikaner sind ja bekannt als unkompliziert und zugänglich. Würden Sie diese Qualitäten auch Ihrer Börse zurechnen, der Nasdaq Dubai?

Absolut. Die Nasdaq Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten muss sogar als einzige internationale Börse in der Region Mittlerer Osten für eine weltweite Anlegergemeinde transparent und im Handel leicht zugänglich sein. Sonst erreichen wir den globalen Investor nicht.

Sie starteten am 26. September 2005 als DIFX, die später von der Nasdaq übernommen wurde. Nach der Fusion zwischen der amerikanischen Nasdaq und der «Nordischen Börsengruppe» OMX im vergangenen November nennt sich der Markt Nasdaq Dubai. Was hat sich seitdem getan?

Seit dem Re-Branding ist viel in Bewegung gekommen. Wir hatten einen guten Start ins Jahr 2009. Im ersten Quartal wurden 1,036 Milliarden Aktien gehandelt, ein Zuwachs von 63 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Dabei haben wir einen guten Mix aus institutionellen und privaten Investoren beobachtet. Im Monat April hat sich dieser positive Trend fortgesetzt. Ausserdem wurden am 2. März die Scharia-konformen Dubai Gold Securities neu gelistet. Das ist ein Exchange Traded Commodity, ein ETC, der es Anlegern erlaubt, im Einklang mit der islamischen Rechtsprechung Scharia an der Entwicklung des Goldpreises zu partizipieren. Deren Wert beträgt etwa ein Zehntel des Spotspreises der Feinunze Gold in US-Dollar. Ausserdem entdecken immer mehr Anleger unsere kotierten Aktien-Derivate. Im Februar wurden 386 Derivate-Kontrakte gehandelt, im März waren es 6,816 und im April bereits 7,575 Kontrakte.


«Seit dem Re-Branding ist viel in Bewegung gekommen. Wir hatten einen guten Start ins Jahr 2009. Im ersten Quartal wurden 1,036 Milliarden Aktien gehandelt, ein Zuwachs von 63 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.»


Blickt man genauer auf die Handelsumsätze im Hauptsegment, so fällt auf, dass sich der Löwenanteil auf nur drei Papiere konzentriert. Auf die Hafenbetreiberin Dubai Ports (DP) World, auf DEPA, also dem Innendesigner des Burj Al Arab, und eben auf die Dubai Gold Securities. Wie wollen Sie die  Aufmerksamkeit der Anleger auch auf die 17 anderen Listings ziehen?

Die drei Wertpapiere, die sie nannten, sind an der Nasdaq Dubai primär gelistet. Alle anderen sind Secondaries, d. h., sie wurden primär an einer anderen Börse kotiert und landeten per «Dual Listing» auf den Kurszettel der Nasdaq Dubai. Das heisst aber nicht, dass dort kein Handel stattfindet. Nehmen Sie Boulder Steel, ein Stahlproduzent aus Australien, der primär an der Börse ASX in Sydney gehandelt wird. Dort verzeichnen wir an der Nasdaq Dubai einen durchschnittlichen Umsatz von 100, 000 Aktien pro Tag. Warum? Weil Boulder Steel durch die Nasdaq Dubai im Mittleren Osten erst bekannt wurde und sich so Zugang zu den Anlegern hier eröffnet hat. Ausserdem ist der Handel bei den besagten drei Primary Listings aktiver als bei den Blue Chips an den lokalen Börsen Dubai Financial Market (DFM) und Abu Dhabi Securities Exchange (ADX). Aber es benötigt Zeit, bis alle kotierten Unternehmen an Profil gewinnen. Dann werden auch die Handelsvolumina steigen. Die meisten der «Secondary Listings» sind ja erst seit ein, zwei Jahren bei uns kotiert.

Glauben Sie, das auch das Re-Branding zum jüngsten Umsatzanstieg geführt hat?

Wir denken einerseits, dass es für institutionelle Anleger, also Banken, Vermögensverwalter und Versicherer keinen grossen Unterschied gemacht hat, ob sie an der DIFX oder jetzt an der Nasdaq Dubai im Handel aktiv sind. Wohl aber hatte das neue Etikett einen Einfluss auf den Privatanleger, im Mittleren Osten und weltweit. Der Name Nasdaq ist eine anerkannte Weltmarke unter den Börsen.  Für beide Gruppen bieten wir eine Plattform, die in ihrer Regulierung in der Region einzigartig ist. Das bedeutet: strenge Aufnahmekriterien für kotierte Unternehmen und Broker, Verbot von Insider-Handel und eine faire Preisfindung. Diese Qualitäten sind wichtig, um eine Börse auch durch ökonomisch schwierige Zeiten zu steuern, so wie in der jetzigen Phase.

Die genannten Qualitäten in allen Ehren, wie aber wollen sie dem erlahmten Primärmarkt Leben einhauchen? Seit Anfang 2009 gab es  genau eine neue Kotierung. Ein angekündigter Börsengang der Baufirma Saraya Holding lässt weiter auf sich warten.

Das geplante Listing der Oger-Tochter Saraya wurde verzögert. Es ist aber nicht vom Tisch. Ich glaube, Saraya?s Entscheidung hängt mehr mit der Politik des Unternehmens selbst zusammen und weniger mit der Nasdaq Dubai. Die Unternehmen wollen bei einem IPO (Initial Public Offering) ein Optimum an Kapital akquirieren. In wirtschaftlich angespannten Zeiten kann dieses Ziel nicht erreicht werden. Dass IPOs verzögert werden ist ein globales Phänomen und betrifft nicht nur den Mittleren Osten.

Wie sieht es mit neuen Sekundärkotierungen aus? Der russische Energiekonzern Lukoil hatte ja an eine Ihrer Investorenkonferenzen bereits zwei Manager entsandt. Geht da was?

Wir wollen unsere Börse einfach Unternehmen vorstellen, die noch nie in der Region Mittlerer Osten waren und in puncto Kapitalmärkte neue internationale Optionen ausloten. Was die beiden Manager hier in Dubai gemacht haben? Sie haben sich über unsere Listing-Prozeduren informiert und darüber, welche Vorteile eine Kotierung hätte. Nur die Nasdaq Dubai bietet einen Zugang zu einer Region mit einem geschätztem Vermögen von 4 Billionen Dollar und gleichzeitig eine Plattform, die internationalen Standards gerecht wird.

Werden Lukoil-Papiere also bald an der Nasdaq Dubai handelbar sein?

Wir bleiben in Kontakt mit Lukoil.


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Sie betonen den internationalen Charakter der Nasdaq Dubai. Wieso sollten auch Schweizer Investoren auf ihre Börse ein Auge werfen?

Weil uns erstens Kanäle nach Europa offen stehen, über welche die lokalen Märkte nicht verfügen. Die lokalen Märkte erreichen Sie als Anleger aus Europa oft nur über Investmentfonds, Einzelwerte können nur mit sehr hohen Gebühren über Broker gekauft werden. In Europa laufen unsere Kanäle zweitens über Investmentbanken in London, die an unserer Börse als Mitgliedsbanken registriert sind.

Sind darunter auch Banken aus der Schweiz?

Ja, die Grossbanken UBS und die Credit Suisse gehören zu den Mitgliedern der ersten Stunde. Beide Geldhäuser sind sehr loyal und unterstützen uns in unseren Zielen mit Herzblut. Wir sind bestrebt, Liquidität an der Nasdaq Dubai konstant zu erhöhen und eine weltweite Investorengemeinde aufzubauen. Ihre Grossbanken sind global aufgestellt und können uns deshalb dabei helfen.

Welche weiteren Ziele setzen Sie der Nasdaq Dubai für, sagen wir, die nächsten drei Jahre?

Wir würden zunächst gerne eine höhere regionale Beteiligung sehen. Es gibt momentan 15 arabische Börsen im Mittleren Osten. Mit den zwei weiteren nicht-arabischen Börsen und uns kommen wir auf insgesamt 18 Märkte. Das sind sehr viele. Kapital sucht stets den Ort, der den höchsten Return bietet. Wenn die Renditen steigen, dann folgen auch die Investoren. Unsere Mission ist es, der führende Markt in der Region zu werden, der internationalen Standards gerecht wird. Wir werden sicher mit anderen Handelsplätzen zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen. Wie eingangs erwähnt, verbuchen wie konstante Umsatzzuwächse in unserem Segment für Derivate. Dieses Feld möchten wir ausbauen und auf regionale Aktien und Indizes ausweiten.

Sie nannten 18 Börsen im Mittleren Osten. Rechnen Sie mit Fusionen unter den Märkten, so wie in Europa und den USA? Die Nasdaq Dubai ist ja selbst ein Kind aus der Ehe zwischen der skandinavisch-baltischen Gruppe OMX und der amerikanischen Nasdaq.

Vielleicht. Aber das Umfeld hier unterscheidet sich erheblich von den westlichen Märkten. Dem Fusionskarussel in Europa und Amerika ging eine schrittweise Öffnung der Börsen voraus. Dieser Wandel zog sich über mehrere Jahre hin. Die arabischen Börsen sind dagegen recht verschlossene Konstrukte. Deshalb wäre ich vorsichtig mit allfälligen Prognosen, insbesondere in Bezug auf kommerzielle Interessen. Und das ist nur ein Teil in einem recht unübersichtlichen Puzzle. Das entscheidende Hindernis liegt in den sehr unterschiedlichen Regulierungen der Märkte. In einigen Fällen werden die Börsen von der Zentralbank beaufsichtigt. Deshalb glauben wir, dass da OMX-Modell auf die Golfstaaten übertragbar wäre. Unter dem Dach der OMX befanden sich vor der Fusion mit der Nasdaq Börsen, die zwar die technologische Plattform teilten, aber weiterhin von ihren nationalen Aufsichtsorganen kontrolliert wurden, so wie in den OMX-Mitgliedsmärkten in Schweden, Finnland und Island.

Welche Vorteile hätte das OMX-Modell im Mittleren Osten?

Das OMX-Modell harmonisiert die Regeln, die bei einem IPO gelten, und es standardisiert die Prozeduren im Handel. Diese Transparenz wissen Banken, Broker und Anleger zu schätzen. Dies funktioniert auch, wenn die Mitgliedsbörsen mit verschiedenen Währungen arbeiten, denn nicht alle OMX-Märkte, zu denen auch die Nicht-Euro-Länder Lettland und Armenien gehören, gehören dem gleichen Währungsregime an. Im Nahen Osten haben bis heute alle Länder ihre eigenen nationalen Zahlungsmittel. Nur die vier Golfstaaten Saudiarabien, Kuwait, Katar und Bahrain arbeiten auf eine Währungsunion hin.

In Dubai wird wohl der Dirham Zahlungsmittel bleiben. Hat Sie der Rückzug der Vereinigten Arabischen Emirate aus dem Währungsprojekt 2010 überrascht?

Ja, durchaus. Der Rückzug hat aber keinerlei Auswirkungen auf die Nasdaq Dubai, weil wir kein lokaler Markt sind.


«Dubai ist kein isolierter Ort im Orient mehr. Das Golf-Emirat hat die Voraussetzungen geschaffen, um in der Weltliga mitzuspielen.»


Jeff, die Strategie ihres Unternehmens wird in einem 13-köpfigen Direktoriumsgremium formuliert, dem auch der Chef des Gastronomiekonzerns Jumeirah, Herr Gerald Lawless, angehört. Bei allem Respekt, aber wie kann ein Hotel-Manager Ihnen, den erfahrenen Börsenmenschen, weisen Rat erteilen?

Zunächst ist Börsenerfahrung nicht notwendige Voraussetzung, um im Board aufgenommen zu werden. Gerald Lawless berät uns konkret in den Bereichen Entlöhnung und Bonusregelung, Aspekte, die nicht nur in der Hotellerie, sondern in jeder Unternehmung sehr wichtig sind, um Mitarbeiter zu motivieren und an die Firma zu binden. Wir haben inzwischen 50 Mitarbeiter aus vielen Nationen. Offen gesagt, ich kenne in Dubai keinen besseren Experten beim Management mit Humankapital als Gerald Lawless. Was die Börsenkompetenz betrifft, so sitzt auch Bob Greifeld, unser CEO der Nasdaq OMX-Gruppe, im Board. Bob kann auf 20 Jahre Erfahrung mit elektronischen Handelssystemen zurückblicken. Oder nehmen Sie Essa Kazim, den Chef der lokalen Börse «Dubai Financial Market». Auch er steht uns in dem 13-köpfigen Gremium mit Rat und Tat zur Seite.

Zu guter Letzt: was raten Sie erfahrenen westlichen Managern, wenn sie eine neue Herausforderung in Dubai anpacken?

Wir erleben gerade die Geburt von Dubai 2.0. «Dubai Inc.», wie das Golf-Emirat wegen seiner Fülle an Freihandelszonen und Immobiliengrossprojekten auch genannt wird, war auf die Ausstattung der Stadt ausgerichtet, um aus ihr ein globales Drehkreuz zu machen. Die Version 2.0 wird anders aussehen. Die Gesetze werden getestet. Neue Gesetze werden erlassen, wie beispielsweise zum Schutz geistigen Eigentums. Mit der Öffentlichkeit richtig zu kommunizieren wird in Zukunft immer wichtiger. Dubai ist kein isolierter Ort im Orient mehr. Das Golf-Emirat hat die Voraussetzungen geschaffen, um in der Weltliga mitzuspielen. Deshalb wird den Entscheidern in Dubai auch genauer auf die Finger geschaut als vorher. Die Medien verfolgen die Unternehmensreignisse in Dubai, das bedeutet, die Welt verfolgt jeden ihrer Schritte mit. Sie können es natürlich weiterhin geniessen, beim Aufbau Dubais mitzuwirken, eine einmalige Herausforderung. Wenn Sie als CEO in Zukunft ihre Ideen umsetzen, dann hat dies aber nicht nur Auswirkungen auf ihr näheres Umfeld, sondern unter Umständen auf die Weltmärkte. Dubai 2.0 wird noch stärker mit anderen Weltmetropolen vernetzt sein. Darauf müssen Sie sich einstellen, und danach müssen Sie handeln.

Jeff, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.





Der Gesprächspartner:
Jeffrey H. Singer (44) wurde am 1. Juli 2008 zum CEO der Nasdaq Dubai berufen. Er war zuvor Senior Vice President und Head of International, The Nasdaq OMX Group. In dieser Aufgabe zeichnete er für die Weiterentwicklung der Operationen ausserhalb Nordamerikas verantwortlich. Davor baute Singer für die Nasdaq das Geschäft an der Ostküste aus, auf den Bermudas, Kanada sowie in Lateinamerika. Vor seiner Zeit bei der amerikanischen Börse  war Singer President and CEO bei bei 4R Systems, einem amerikanischen Dienstleister für Telekommunikationslösungen im Retail-Geschäft. Jeff Singer hält einen MBA der Harvard Business School und einen Bachelor?s of Science in International Finance der Brigham Young University. Der Amerikaner ist auch zertifizierter SAP Prognose- und Produktions-Planer und ?Berater. Er ist verheiratet und hat sieben Kinder.

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