Kunstmuseum Basel: Kandinsky Malerei 1908 -1921

Wassily Kandinsky, 1866 in Moskau geboren und 1944 in Paris gestorben, ist einer der grossen Erneuerer der Kunst des 20. Jahrhunderts und ein Wortführer der Moderne. Mit der Entwicklung der Abstraktion gab Kandinsky der Kunst einen neuen Impuls, der bis heute wirksam ist, und eröffnete sich eine geistige Wirklichkeit jenseits sichtbarer Vorbilder. Die grosse Ausstellung im Kunstmuseum Basel, die als Gemeinschaftsprojekt mit der Tate Modern, London, entstanden ist, konzentriert sich auf die entscheidenden Schaffensjahre zwischen 1908 und 1921. Anhand von rund 60 Gemälden lassen sich seine Vorstösse in künstlerisches Neuland nachvollziehen, wobei neben Meisterwerken aus bedeutenden Sammlungen wie z.B. dem Art Institute of Chicago, dem Solomon R. Guggenheim Museum, New York, oder dem Centre Georges Pompidou, Paris, viele selten gezeigte Leihgaben aus den grossen russischen Museen und einigen Regionalmuseen zu sehen sind.


Wenn die Abstraktion den direkten Weg zur Komposition beschreitet
1908 gelingt dem bereits 42-jährigen Künstler ein erster Durchbruch mit Landschaftsbildern, die in Murnau entstehen, einem Dorf in den bayrischen Voralpen. In diesen farbgesättigten Gemälden bleibt der gegenständliche Bezug, meist zur Landschaft, zwar erhalten, doch ihre freizügige Bildsprache lässt sich bereits als Aufbruch zu einer autonomen künstlerischen Realität verstehen. Den geradezu dramatischen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet eine Gruppe von Gemälden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die eine zentrale Gewichtung in der Ausstellung haben. In ihnen ist die Konzeption einer gegenstandsfreien Malerei vollzogen, wobei der sphärische Klang von Farben und Formen eine der Musik vergleichbare Wirkung auslöst. Kandinsky beginnt seine Arbeiten denn auch analog zur Musik als «Improvisationen», «Kompositionen» oder «Impressionen» zu bezeichnen. Eine voll ausgereifte Abstraktion zeigen die ab Januar 1914 entwickelten Bilder. Allerdings können figurative Elemente weiterhin im Bildkosmos aufscheinen, unumkehrbar wird die Ungegenständlichkeit erst ab 1922. Kandinskys erklärtes Ziel ist weniger die revolutionäre Auflösung des Motivs, vielmehr will er ergründen, «was die Welt im Innersten zusammenhält». Die Befreiung der Malerei vom Diktat der wiederer-kennbaren Objekte ist für ihn ein Weg, dem «Geistigen in der Kunst» auf die Spur zu kommen, so der Titel seiner fundamentalen theoretischen Schrift.


Die russischen Wurzeln und die Auswegslosigkeit des Regimes
Nach Kriegsausbruch 1914 ist Kandinsky gezwungen, nach Russland zurückzukehren. Er erlebt dort 1917 die Revolution und die Entwicklungen der postrevolutionären Kunst- und Kulturpolitik, beteiligt sich am Aufbau neuer Lehrinstitutionen und Museen, erkennt allerdings recht bald, dass das neue Regime die Freiheit der Kultur zunehmend einschränkt. Seine unabhängige künstlerische Position, sowie sein Glaube daran, dass neben Logik und Vernunft die Intuition und Subjektivität wesentliche kreative Kräfte seien, machte es ihm unmöglich, sich den ratio-nalistischen Regeln der Revolutionskunst unterzuordnen. Aber die Auseinandersetzung mit Künstlern wie Malewitsch oder El Lissitzky findet Niederschlag in seinem Werk. Kandinsky verlässt Russland gegen Ende 1921 und kehrt nach Deutschland zurück, wo er am neu gegründeten Bauhaus zu lehren beginnt. Dieser Schritt markiert eine Wende in Leben und Werk. Noch in Moskau zeichnet sich ein Übergang ab von seiner romantisch-expressiven Gegen-standslosigkeit, von kosmischen Wirbeln und Sphären zur Klarheit geometrisch organisierter Elemente. Der dynamisierte Zusammenklang unterschiedlicher Farb- und Formelemente, der oft lange und über mehrere Vorstudien in ihm reift, dann aber mit grosser Spontaneität zum Ausdruck kommt, wird nach 1921 durch strenger konstruierte Formen und eine zurückge-nommene Farbigkeit abgelöst. Mit seinem zwischen 1908 und 1921 geschaffenen Werk nimmt Kandinsky jedenfalls die Möglichkeiten der Abstraktion vorweg, die von anderen Künstlern im Laufe des 20. Jahrhunderts ausgelotet werden sollten.


Katalog: Kandinsky. Malerei 1908?1921
Deutsche Ausgabe mit Beiträgen von Sulamith Behr, Hartwig Fischer, Bruno Haas, Bettina Kaufmann, Sean Rainbird, Noemi Smolik und Reinhard Zimmermann
232 Seiten, zahlreiche Abbildungen CHF 58.? / ca. EUR 38.? English Edition by Tate Publishing

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