Martin Scholl, CEO Zürcher Kantonalbank

von Patrick Gunti


Herr Scholl, die ZKB hat im 1. Halbjahr einen um 18,3 % tieferen Betriebser-trag von 356 Mio. Franken und einen 41,6 % tieferen Reingewinn von 302 Mio. Franken erzielt. Wie fällt Ihr generelles Fazit zum 1. Semester aus?

Mein Fazit zum Halbjahresergebnis 2008 fällt durchzogen aus. Ich bin sehr erfreut über die Steigerung von mehr als sieben Prozent im Zinsengeschäft. Ein positives Zeichen ist auch der Neugeldzufluss von knapp sieben Milliarden Franken. Er ist Ausdruck des Vertrauens der Kunden in unsere Bank. Nun liegt es an uns, diesen Kunden zu zeigen, dass sie ihr Geld der richtigen Bank anvertraut haben. Das ist eine grosse Herausforderung für die kommenden Monate. Enttäuschend ist vor allem das Handelsgeschäft ausgefallen. Von den Finanzmärkten weht den Banken derzeit eine steife Brise entgegen. Vor allem der Bereich Aktien- und Aktienderivatehandel, in den wir in den vergangenen Jahren sehr viel investiert haben, stellte uns mit einem Verlust von knapp 120 Millionen Franken vor Probleme. Glücklicherweise konnte dieser Verlust durch die gute Arbeit im Zinsen- und Devisenhandel ausgeglichen werden.


Das Zinsengeschäft, der wichtigste Ertragspfeiler der ZKB, entwickelte sich mit einem Plus von 7,4 % sehr stark. Welche Gründe sehen Sie für die Entwicklung?

Dieses sehr erfreuliche Ergebnis ist auf den hohen Mittelzufluss im Gefolge der Finanzmarktkrise sowie unsere starke Bonität im Finanzierungsgeschäft zurückzuführen. Zudem haben wir auch im Bilanzstrukturmanagement gute Arbeit geleistet.


Die Kreditmarktkrise hat Ihre Spuren im Handelsgeschäft der ZKB hinterlassen, dass um 93 % auf 18 Mio. Fr. zurückging. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Wir schätzen die Stimmung an den Finanzmärkten zwar weiterhin als labil ein, erwarten aber für das zweite Semester 2008 ein etwas besseres Handelsgeschäft. Dies, weil wir davon aus-gehen, dass diejenigen Aktienpositionen, welche uns im ersten Halbjahr massive Verluste beschert haben, nun Boden gefunden haben.


«In bewegten Zeiten, wie wir sie gegenwärtig an den Finanzmärkten erleben, ist die ZKB als Staatsbank und «sicherer Hafen» für Anlagegelder besonders gefragt.» (Martin Scholl, CEO ZKB)


Das Hypothekargeschäft hat sich mit einem Plus von 0,9 % unter den Erwartungen entwickelt. Welche Resultate hat die Hypothekarinitiative gebracht?

In den vergangenen vier Monaten wurden im Rahmen unserer Hypothekarinitiative, die Ende August 2008 ausgelaufen ist, an über ‹000 Kundinnen und Kunden vergünstigte Hypotheken mit einem Volumen von zwei Milliarden Franken vergeben. Diese Hypotheken werden für die ZKB jährlich Bruttoerträge von gegen 70 Millionen Franken generieren.


Die Bindung des Mietzinsindexes an die variablen Hypothekarzinsen ist weggefallen. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die variablen Hypotheken?

Durch die Loslösung des Mietzinsindexes von den variablen Hypothekarzinssätzen der Kantonalbanken fallen für dieses Produkt die politischen Fesseln. In Zukunft wird sich die Preisfestsetzung für variable Hypotheken wie bei anderen Hypothekarmodellen nach den Zinssätzen am Geld- und Kapitalmarkt richten. Die variable Hypothek wird damit Teil des bewährten ZKB Hypothekar-Preissystems. Die ZKB wird dadurch in der Preisgestaltung flexibler. Zinssatzänderungen sind inskünftig schneller und einfacher durchsetzbar. In nächster Zukunft erwarte ich jedoch keine Zinssatzanpassung. Mit 3,5 Prozent ist die variable Hypothek heute absolut marktgerecht.


Die Hypothekarinitiative kann die ZKB auch dank einem sehr hohen Neugeldzufluss von rund 7 Mrd. Franken im 1. Halbjahr finanzieren. Worauf führen Sie den markanten Neugeldzufluss zurück?


In bewegten Zeiten, wie wir sie gegenwärtig an den Finanzmärkten erleben, ist die ZKB als Staatsbank und «sicherer Hafen» für Anlagegelder besonders gefragt. Eine berechenbare Geschäftspolitik zahlt sich auf die Dauer immer aus.


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Wie schätzen Sie die Entwicklung für die zweite Jahreshälfte ein?


Obwohl die Stimmung an den Finanzmärkten noch immer düster und die Krise noch nicht ausgestanden ist, hat sich die Unsicherheit bei den Schweizer Bankkunden in der Zwischenzeitetwas gelegt. Wir gehen davon aus, dass der Neugeldzufluss im zweiten Halbjahr wesentlich moderater ausfallen wird.


Für die Umsetzung der Wachstumsinitiative Avanti sucht die ZKB zusätzlich 250 Kundenberater. Welche Kundensegmente stehen im Fokus?

Wir möchten unser Engagement insbesondere bei den Pensionskassen, den externen Vermögensverwaltern sowie den Privatkunden mit erhöhten Anlagebedürfnissen verstärken. Zu diesem Zweck werden Private Banking-Kunden in Zukunft nicht mehr zentral an der Zürcher Bahnhofstrasse, sondern an 15 regionalen Standorten betreut.


Die Cost/Income Ratio hat sich im 1. Halbjahr von 58,9 auf 66,2 % verschlechtert. Welche Geschäftsaufwände haben hauptsächlich dazu beigetragen?


Der Sachaufwand hat im ersten Halbjahr 2008 im Vergleich zur Vorjahresperiode um rund zehn Prozent zugenommen. Diese Steigerung rührt überwiegend von Investitionen in die Erneuerung unserer IT-Plattform her. Die gestiegene Cost-Income-Ratio ist jedoch weniger auf die gestiegenen Kosten, als vielmehr auf die massiv gesunkenen Erträge zurückzuführen. Enttäuschend ist insbesondere das Handelsergebnis ausgefallen.


Das gemeinsame Projekt mit der Banque Cantonale Vaudoise für die Zusammenarbeit in den Bereichen Informatik und Backoffice wurde beendet. Welche Probleme waren für die Einstellung des Projektes verantwortlich?


Wie sich nun in der Planungsphase gezeigt hat, wäre die ZKB Plattform nicht bereit gewesen, um die IT der BCV termingerecht zu integrieren. Diese zeitliche Verzögerung hätte einen erheblichen finanziellen Mehraufwand verursacht und wäre mit einiger Ungewissheit über den er-folgreichen Projektabschluss verbunden gewesen. Unter diesen Umständen hielten es die beteiligten Banken für angezeigt, das Projekt zu beenden.


Wie hoch waren die bisherigen Aufwendungen für das Projekt?

Die Projektkosten belaufen sich auf rund zehn Millionen Franken.


Die ZKB entwickelt seit Jahren eine neue Informatikplattform, die auch die Basis für das Projekt mit der BCV gewesen wäre. Wie geht es mit diesem Projekt nun weiter, wann wird die Plattform einsatzbereit sein?


80 Prozent der neuen IT-Plattform sind bereits erstellt. Hierfür hat die ZKB seit 1999 1,1 Milliarden Franken investiert. Für die restlichen 20 Prozent werden weitere 250 Millionen investiert. So verfügt die ZKB spätestens 2012 über eine Top-IT-Plattform.


Herr Scholl, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Martin Scholl hat am 1. Juni 2007 den Vorsitz der Generaldirektion übernommen, der er seit 2002 angehört. Bis 2005 war Martin Scholl Leiter der Geschäftseinheit Firmenkunden, 2006 übernahm er die Leitung der Geschäftseinheit Privatkunden. Nach Abschluss der Banklehre bei der ZKB hatte er verschiedene Funktionen inne. 2001 war Martin Scholl als Leiter Kreditmanagement tätig und von 1996 bis 2001 als Leiter Vertrieb Geschäfts- und Firmenkunden.

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