Polizeiliche Kriminalstatistik 2008 – Erneut hohe Fallzahl bei Konto- und Überweisungsbetrug

Von Jörg-M. Lenz, SOFTPRO

Die Fallzahl blieb damit im langjährigen Vergleich auf beunruhigend hohem Niveau. Fazit: Überweisungsträger mit gefälschten Unterschriften sind nach wie vor ein häufiges, sehr ernst zunehmendes, Problem im beleghaften Zahlungsverkehr von Kreditinstituten. Einige Institute setzen Lösungen zur Prävention zum Teil bereits seit Jahren erfolgreich ein.


Aufklärungsquote ging 2008 von 72,4 auf 69,5 Prozent zurück
Für das Jahr 2008 verzeichnet die PKS in der Kategorie Konto- und Überweisungsbetrug 16.039 gemeldete Fälle. Nach einem sprunghaften Anstieg dieser Form von Vermögens- und Fälschungsdelikten um 32,7 Prozent von 2006 auf 2007 auf 18.116 Fälle war dies im Vergleich zum Vorjahreszeitraum lediglich ein Rückgang um 11,5 Prozent. Die Fallzahl liegt deutlich über den bekannt gewordenen Fällen in der Mitte der Dekade: 2006 wurden 13.297 Fälle gemeldet. Vergleichsweise stabil war die Zahl gemeldeter Fälle in den Jahren 2005 (11.130 Fälle), 2004 (11.694 Fälle) und 2003 (11.508 Fälle). Von einer Trendwende kann daher kaum gesprochen werden. Die Aufklärungsquote ging 2008 von 72,4 auf 69,5 Prozent zurück.  Für die Jahre 2008 und 2007 wurden bislang vom BKA keine Gesamtschadenssummen für den Bereich des Konto- und Überweisungsbetrugs veröffentlicht. Die im Mai 2007 veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik 2006 bezifferte die Schadenssumme der bekannt gewordenen Schäden im Bereich des Konto- und Überweisungsbetruges auf insgesamt 35.510.921 Euro. Von den 13.297 bekannt gewordenen Fällen 2006 lag ein Schwerpunkt der Einzelschäden im Bereich zwischen 500 und 2.500 Euro – 2.589 Fälle zählten zu dieser Gruppe


Das Thema Überweisungsbetrug ist Dauergast in den Medien
Im Jahr 2009 publizierten die Medien bisher unter anderem Fälle aus Berlin, Erlangen, dem Rhein-Neckar-Raum, Offenburg und Spaichingen. Die Vorgehensweise der Täter ist häufig identisch: In großem Maße werden Überweisungsträger aus den Briefkästen der Institute gefischt. Im Anschluss werden einerseits diese Überweisungsträger manipuliert und ein neuer Empfänger eingetragen, andererseits werden auf neuen Überweisungsträgern die Unterschriften nachgeahmt











Die Schwäbische Zeitung veröffentlichte am 10. Juni 2009 nach einem erfolgten Betrug mit Überweisungen eine Warnung der Polizei in Spaichingen: «Die Polizei bittet die Bevölkerung daher, auf Personen zu achten, die sich in auffälliger Weise in der Nähe von Bankbriefkästen aufhalten oder gar an den Briefkästen herum werkeln. Vor dem Einwurf von Dokumenten sollte man genau prüfen, ob Veränderungen an den Briefkästen feststellbar sind.» Ein Rentner bemerkte, dass sein Kontoauszug eine Überweisung von 3500 Euro auf ein ihm unbekanntes Konto aufwies.
Der Mannheimer Morgen vermeldete am 15. Mai 2009 den Fall eines Kongolesen, dem bandenmäßiger Betrug und Urkundenfälschung in Höhe von 38.000 Euro mittels fingierter Überweisungsträger vorgeworfen wurde.
Das Polizeipräsidium Mittelfranken berichtete am 29. April 2009 über einen groß angelegten Betrugsversuch bei dem mittels über tausend gefälschten Überweisungsträgern ein Guthaben von rund 50.000 Euro ergaunert worden sein soll.

Aussitzen löst das Problem nicht
«Überweisungsbetrug wird oft noch viel zu leicht gemacht», so Alain Sarraf, technischer Leiter bei weltweit führenden Spezialisten für die Betrugserkennung im beleghaften Zahlungsverkehr, dem Böblinger Softwarehaus Softpro. Bisher hoffte so mancher Verantwortliche im Zahlungsverkehr, dass es seine Bank «schon nicht treffen werde». Ein kaum kalkulierbares Risiko, wie die jüngsten Fälle erneut zeigen. Den Tätern komme, laut Sarraf, entgegen, dass in vielen Instituten die Unterschrift auf einem Überweisungsbeleg gar nicht oder erst bei vergleichsweise hohen Summen überprüft wird. Ein Grund dafür liegt an der hohen Anzahl der Überweisungen, die bei den Instituten eintreffen: allein die Sparkassen-Finanzgruppe erhält im Jahr rund Hunderte von Millionen an Papierbelegen – eine kaum zu überblickende Zahl. Zunehmend mehr Kreditinstitute setzen auf die Hilfe von Software für die Belegprüfung und einen automatischen Vergleich von Unterschriften. Auch die Rechenzentren der Finanzwirtschaft haben die strategische Bedeutung dieses Themas erkannt und fordern ihre Mitgliedsinstitute auf derartige Verfahren einzusetzen


Ohne Software können längst nicht alle Belege geprüft werden
In den USA ist der «Scheckberg» und seine Folgen noch viel dramatischer: Rund 30 Milliarden Schecks werden jährlich in den Vereinigten Staaten ausgestellt. Durch Scheckbetrug verlieren die Institute dort jedes Jahr Milliarden von Dollar, mit steigender Tendenz. Auch in Großbritannien oder Frankreich wird mit Schecks viel betrogen. Das Risiko ist für Betrüger noch verhältnismäßig gering und die vergleichsweise milden Strafen in den meisten Ländern haben keine abschreckende Wirkung. Im Vergleich mit diesen Zahlen erscheinen etwas mehr als eine Milliarde Überweisungen und Schecks, die nach Schätzungen 2008 in Deutschland ausgestellt wurden, gering. Doch für das einzelne Institut ist damit ein enormer Aufwand und Zeit und Kosten verbunden. Mehr als die Hälfte der Belege hat die Sparkassen-Finanzgruppe zu bearbeiten. Mangelnde Kapazitäten und die hohe Anzahl an Belegen erklären also, warum Überweisungsformulare unterhalb bestimmter Beträge oft nicht geprüft werden. Erst die volle Automatisierung der Unterschriftenprüfung macht dies möglich.


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Generell gilt, dass die Prüfung der Unterschrift auf Zahlungsbelegen einen Teil der Sorgfaltspflicht der Bank im Geschäftsverkehr mit ihren Kunden darstellt. In Deutschland sind Kreditinstitute verpflichtet, Fälschungen so gut es geht auszuschalten, und Auszüge zu kontrollieren (OLG Schleswig, Az. 5 U 69/93 und AG Frankfurt, AZ: 30 C 58/97-24), dennoch werden bisher relativ wenige Unterschriften auf Überweisungsträgern automatisch verglichen. Unter den wenigen deutschen Instituten, die bereits automatisch prüfen, finden sich diverse deutsche Privatbanken, die Sparkasse in Krefeld, die Berliner Sparkasse oder die Volksbank Mittelhessen. Eine kluge Investition, denn die Institute tragen das Risiko, sofern sie die Unterschrift nicht prüfen (BGH, AZ: XI ZR 117/96 und BGH, Az. XI ZR 325/00). In der benachbarten Schweiz wird heute schon nahezu flächendeckend ein automatischer Vergleich vorgenommen.


Der Überweisungsbeleg stirbt so schnell nicht aus
Überweisungsbelege werden auch in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle im Zahlungsverkehr spielen. Das Online-Banking wird nicht im von den Kreditinstituten gewünschten Masse akzeptiert. Auch wenn das elektronische Banking deutlich billiger ist, bevorzugen viele Kunden den Überweisungsträger. Neben der Bequemlichkeit spielen auch Ängste vor dem Missbrauch von Online-Transaktionen eine Rolle. Diverse Investitionen im Bereich des beleghaften Zahlungsverkehrs machen auch deutlich: Die Kreditinstitute rechnen fest damit dass sie in naher Zukunft noch viele papierbasierte Überweisungsbelege erhalten werden. Die Sparkasse Fürth legte im Juni 2009 ihre Automaten, an denen Kunden ihre Überweisungen elektronisch übermitteln konnten, still. Nach einem Bericht in der Fürther Zeitung bilanziert die Sparkasse nach zehn Jahren Automaten-Einsatz, dass die Automaten zu teuer und wartungsintensiv seien und zu selten genutzt werden. Der Kunde hat nun die Wahl wieder einen Überweisungsbeleg zu nutzen oder Online-Banking zu betreiben.


Einige Kreditinstitute setzen bewusst auf den Kundenkontakt am Schalter bei der Überweisungsabgabe. Sie verbuchen die höheren Kosten für den beleghaften Zahlungsverkehr eher unter Marketingaufwendungen, schließlich bleibe man so im Kontakt und erfahre, was der Kunde brauche. Die Sparkasse Offenburg/Ortenau ist ein Institut, das aufgrund des Betrugs mit manipulierten Überweisungsträgern alle Geschäftsstellen mit neuen Briefkästen ausgerüstet hat. Wie die Sparkassenzeitung am 5. Juni 2009 vermeldete, sollen die neue «Doppel-Briefkästen» das Herausfischen von Belegen nahezu unmöglich zu machen. Eine ähnliche Nachrüstung der Bankbriefkästen haben schon diverse Institute in Deutschland vorgenommen.


Brüchiges Vertrauen in Online-Banking
Das Vertrauen in Online-Banking ist brüchig und zahlreiche Berichte in den Medien über Sicherheitslücken sind nicht dazu angetan neue Nutzer für das elektronische Banking zu begeistern. Potentielle Nutzer tun sich schwer mit der Einschätzung möglicher Risiken. Das derzeit von den meisten Online-Banken verwendete Verfahren mit indizierter Transaktionsnummer (iTAN) bietet nach Meinung von Mirko Manske, Kriminalkommissar des Bundeskriminalamts, keinen hinreichenden Schutz vor ernsthaften Angriffen durch Computerbetrüger mehr. Manske referierte auf dem 11. IT-Sicherheitskongress des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Berlin im Mai 2009. Er berichtete unter anderem über 1.800 erfolgreiche Phishing-Aktionen, die in 2008 vom BKA erfasst wurden. Die registrierte Computerkriminalität stieg 2008 nach Angaben in der Polizeilichen Kriminalstatistik bei den Fallzahlen über das Ausspähen und Abfangen um satte 60 Prozent auf 7.727 Fälle.


Täglich weltweit über 30 Millionen automatisch geprüfte Unterschriften
Softpro hat sich seit 1998 ausschließlich der softwarebasierten Prüfung von Unterschriften widmet. Ein eigener Bereich beschäftigt sich explizit mit Lösungen zur Betrugsprävention. Bei einer der großen amerikanischen Banken werden heute die Unterschriften auf bis zu 15 Millionen Schecks pro Tag automatisch mit denen in einer Referenzdatenbank verglichen. Die erste Version der vollständig softwarebasierten Prüfung kam bereits 1994 bei der Credit Suisse zum Einsatz. Mittlerweile trifft man die Produktfamilie unter den Namen SignPlus oder FraudOne unter anderem auch in Australien, Brasilien, Großbritannien, Malaysia, Südafrika, Trinidad oder Zypern an. Seitdem wurde die Lösung kontinuierlich fort entwickelt, um den immer komplexer werdenden Ansprüchen stand zu halten. Sie basiert auf Erkenntnissen von Schriftsachverständigen. Bei Unterschriften auf Papier werden die statischen Bildmerkmale analysiert: dazu zählen Kreuzungen, Abzweigungen, Schleifen und Bogenformen. Diese Elemente werden gefiltert, kalkuliert und gewichtet. Beim Vergleich von Unterschriften wird ein Ähnlichkeitsgrad ermittelt. Liegt dieser innerhalb eines gewissen Toleranzrahmens, lassen sich die verglichenen Unterschriften folglich demselben Unterzeichner zuordnen. Derzeit werden täglich weltweit über 30 Millionen Schecks und Überweisungen mit dieser Technik geprüft, ein Großteil davon in den Vereinigten Staaten. Sarraf: «Der Informationsbedarf bei den Instituten ist außerordentlich hoch, zum Teil hat man lange versucht das Thema auszusitzen. Betrug im Zahlungsverkehr ist ein weltweites und recht komplexes Problem. Unser Beratungsteam ist weltweit derzeit gefragter denn je. Die weltweite Rezession sorgt für zusätzliche Hochkonjunktur bei Betrugsversuchen.»


Tipps für mehr Sicherheit bei Überweisungen
Verbrauchern rät Sarraf, ihre Bankdaten stets vertraulich zu behandeln, sie also zum Beispiel nicht auf Postkarten zu schreiben, wie es im Versandhandel üblich ist. Belege wie Kontoauszüge sollten vor dem Wegwerfen stets zerrissen werden. Unter Betrügern besonders beliebt sind die Papierkörbe neben Kontoauszugsdruckern – dort finden sich häufig vertrauliche Informationen. Lastschriftbelege von der EC-Karten-Zahlung, auf der auch die Unterschrift sichtbar ist- quasi als Fälschungsvorlage – sollten daher ebenso gründlich vernichtet werden. Es ist ratsam, Kontoauszüge genau und in kurzen Zeitabständen zu überprüfen und Auffälligkeiten unverzüglich dem Geldinstitut mitzuteilen. Einen ganz persönlichen Tipp hat Sarraf auch noch parat: Je ausführlicher und individueller man unterschreibt, desto schwerer macht man es einem Betrüger. Sarraf: «Bei Unterschriften auf Papier prüft unsere Software wie ein Gremium von Schriftsachverständigen. Untersucht wird dabei das Ergebnis eines typischerweise unreflektierten motorisch-kognitiven Prozesses – des Unterschreibens. Deshalb gilt hier: lieber eine individuelle Sauklaue als eine leicht nachahmbare Unterschrift in Schönschrift.»

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