Richard Fritschi, CEO Ypsomed: «Wir bei Ypsomed haben alles, was es zum nachhaltigen Markterfolg braucht»

von Patrick Gunti


Moneycab: Herr Fritschi, Ypsomed hat im ersten Semester des Geschäftsjahrs 2006/07 rote Zahlen geschrieben. Der Verlust betrug 5,3 Mio. Franken, auch der Umsatz ging um 8,8 % auf 129 Mio. Franken zurück. Welche Gründe sind für dieses Resultat verantwortlich?

Richard Fritschi: Wir haben am 14. September in einer Adhoc Mitteilung kommuniziert, dass die zu Beginn des Jahres von Sanofi-Aventis in Aussicht gestellten Bestellmengen für Insulin-Pens reduziert wurden. Zudem hatten wir im ersten Halbjahr aus technischen Gründen einen Stillstand bei der Produktion des OptiClik®-Steuerungsmoduls, wodurch nicht geplante Zusatzkosten im Umfang von CHF 14.2 Mio. entstanden sind. Für das zweite Halbjahr erwarten wir eine Rückkehr in die Gewinnzone und insgesamt für das Geschäftsjahr 2006/07 einen kleinen Gewinn.


Wodurch wurde der achtwöchige Unterbruch bei der Produktion des Insulin-Pens «OptiClik» verursacht?


Die Produktion von Medizinprodukten ist komplex und anspruchsvoll. Ypsomed produziert über 15 verschiedene Pen-Systeme. Beim Ausbau des Produktionsmittel traten unerwartet Schwierigkeiten auf, die schliesslich zum Produktionsstopp beim OptiClik®-Steuerungsmodul von rund acht Wochen führten. Zu betonen ist, dass die Funktionalität und Sicherheit der hergestellten OptiClik®-Pens stets einwandfrei gewährleistet war. Unsere Produkte waren und sind für alle Patienten absolut sicher.


Im September hatte Ypsomed seine Umsatz- und Gewinnziele für 2006/07 zurückgenommen, was auch mit den rückläufigen Bestellungen Ihres Hauptkunden Sanofi-Aventis für Insulin-Pens zusammenhängt. Wie hat Sanofi-Aventis diesen Bestellungsrückgang erklärt?

Es gibt drei Hauptgründe: Erstens; eine geringere Nachfrage in den USA für den OptiClik®-Pen, zweitens eine Verzögerung der OptiClik®-Einführung in Europa und drittens ein allgemein erhöhter Pen-Lagerbestand bei Sanofi-Aventis. In USA nutzen erst rund 15% Insulin-Pens, während es in Europa durchschnittlich über 85% sind. Die Umstellung auf Insulin-Pens in den USA ist immer noch ein grosses Potenzial, aber sie wird langsamer erfolgen als ursprünglich geplant. Erfreulich ist, dass Sanofi-Aventis in diesen Wochen den OptiClik®-Pen in den wichtigsten Ländern einführt.



«Unsere Produkte waren und sind für alle Patienten absolut sicher.»  (Richard Fritschi, CEO Ypsomed)


Wie erklären Sie sich die mangelnde Nachfrage nach Insulin-Pens in den USA?

Die Nachfrage in den USA für den OptiClik®-Pen ist tiefer, als ursprünglich in Studien und Befragungen von Sanofi-Aventis angenommen. Der Umsatz von Lantus, dem langwirkenden Insulin von Sanofi-Aventis, wächst in den USA trotz überwiegender Abgabe in konventionellen Vials immer noch mit über 40%, so dass kein erhöhter Konkurrenzdruck besteht. Im Gegenteil, Lantus in OptiClik®-Pens ist in den USA teurer als in Vials. Die USA sind für uns im Bereich Insulinpens ein wichtiger Zukunftsmarkt, aber Ypsomed verkauft ihre innovativen Pen-Systeme an zahlreiche, weltweit tätige Pharma-Partner.


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  Sanofi-Aventis ist für 60 % des Gesamtumsatzes von Ypsomed verantwortlich. Ist das Klumpenrisiko nicht zu gross?

Sanofi-Aventis ist für Ypsomed eher eine «Klumpenchance», denn die Abhängigkeit ist sicher gegenseitig und Ypsomed ist in den letzten Jahren dank der langjährigen Partnerschaft mit Sanofi-Aventis sehr stark gewachsen. Wir sehen jedoch Möglichkeiten, den Umsatz in Zukunft breiter zu diversifizieren. Ypsomed entwickelt neue Pen-Systeme und Autoinjektoren für neue und bestehende Pharma-Kunden. Wir wollen zudem unser erfolgreiches Diabetes-Standbein weiter ausbauen, was wir mit Akquisitionen und neuen Partnerschaften erreichen wollen. Mittelfristig sehen wir die Chance durch eigene Technologie-Entwicklungen neue Devices für generische Peptidhormone im Markt zu lancieren.


Sie sind etwas mehr als zwei Monaten CEO von Ypsomed – welchen Eindruck haben Sie von den Beziehungen zwischen Ypsomed und Ihrem Hauptkunden?

Die Reaktionen der Kunden auf den Führungswechsel waren durchwegs positiv. Alle Kunden haben bekräftigt, die langjährigen Partnerschaften mit Ypsomed fortzuführen.



«Sanofi-Aventis ist für Ypsomed eher eine «Klumpenchance»». (Richard Fritschi)


Ypsomed hat in den letzten Jahren riesige Investitionen getätigt und beschäftigt mittlerweile 1250 Angestellte. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Ich gehe davon aus, dass Ypsomed auch am Ende des Geschäftsjahres 2006/07, das heisst bis Ende März, rund 1250 Mitarbeitende zählen wird. Wir werden nicht aktiv Personal abbauen. Allerdings überlegen wir bei jedem Weggang im Rahmen der natürlichen Fluktuationen, ob die entsprechende Stelle wieder besetzt werden soll. Ypsomed wird auch künftig weiter in die Forschung & Entwicklung investieren, um die im Rahmen der Strategie eigen entwickelten Technologie-Plattformen zu forcieren. Für das Geschäftsjahr 2006/07 sind total Investitionen von zwischen CHF 35.0 bis 40 Mio. geplant.


Welches sind die bedeutendsten Fortschritte im Forschungsbereich?

In den letzten zwölf Monaten haben wir das Team um 33 auf total 103 Mitarbeitende erhöht. Der Fokus liegt in der Entwicklung von eigenen Technologieplattformen im Rahmen der erweiterten Geschäfts-Strategie. Wir wollen diese Entwicklungen gezielt zur Marktreife bringen und planen mittelfristig Insulin und andere Medikamente mit eigenen Dosierungs-Systemen im Markt zu lancieren. Entsprechende klinische Tests sind ab Mitte 2008 geplant. Des Weitern entwickelt das Team neue Produkte für unsere Kunden.


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Sie sind seit vielen Jahren in verantwortlicher Stellung im Medizinaltechnik-Bereich tätig. Ypsomed hat ein klares Bekenntnis zum Standort Schweiz abgelegt. Wie schätzen Sie die Rahmenbedingungen für den Medtech-Standort Schweiz generell ein?

Die Schweiz ist für Medizintechnikfirmen aus mehreren Gründen ein idealer Standort. 1. Forschung & Entwicklung bilden die Basis für innovative Produkte. In der Schweiz besteht eine hervorragende Basis von gut ausgebildeten Fachkräften. 2. Die Schweiz steht für Qualität und Sicherheit, weit über die Uhren- und Präzisionsindustrie hinaus. 3. Hohe Produktivität in der Produktion von hochwertigen, komplexen und anspruchsvollen Produkten.


Welches sind die grössten Herausforderungen für die Zukunft?

Ypsomed ist in den letzten beiden Geschäftsjahren im Kerngeschäft mit jeweils über 40% gewachsen. Dieses Wachstum müssen wir organisatorisch und führungsmässig noch besser bewältigen. Ypsomed ist in Wachstumsmärkten tätig: Der Diabetes Markt wächst mit 3%, der Insulin-Markt mit 10% und das lang wirkende Insulin Lantus von Sanofi-Aventis immer noch mit 40%. Diese Chancen zu nutzen, ist meine grösste Herausforderung.



«Ich sehe meine Aufgaben darin, die Prioritäten neu zu definieren und neue Märkte zu erschliessen.» (Richard Fritschi)


Mit welchen Zielsetzungen haben Sie Ihr neues Amt angetreten?

Mein Vorgänger hat hervorragende Aufbauarbeit geleistet und Ypsomed zur Markführerin entwickelt. Die Strategie ist definiert, wird weiterverfolgt und die Führungskompetenz weiter gestärkt. Ich sehe meine Aufgaben darin, die Prioritäten neu zu definieren und neue Märkte zu erschliessen. Wir bei Ypsomed haben alles, was es zum nachhaltigen Markterfolg braucht. Top qualifizierte Mitarbeitende, Know-how und Patente, langjährige Kunden und zuversichtliche Eigentümer. Das ist eine ideale Ausgangslage. 


Letzte Frage: In den letzten Monaten ist vermehrt Kritik an der Kurzfristigkeit der Beurteilung von Unternehmen zu vernehmen. Firmen und CEOs würden immer stärker nur noch an Quartalszahlen gemessen, und nicht mehr an den langfristigen Folgen von strategischen Entscheidungen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich möchte dies nicht generell kommentieren, aber ich wollte ganz bewusst ein Führungsposition in einem Unternehmen wie der Ypsomed, bei dem ein starker Eigentümer wie Willy Michel langfristige Ziele verfolgt. Ypsomed investiert jährlich über CHF 20 Mio. in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Technologien. Heute verfügt Ypsomed in den Bereichen Selbstmedikation, Pen-Systeme und Autoinjektoren-Technologie über insgesamt 187 Patentfamilien. Das ist die Grundlage für den Erfolg von morgen, hat aber wenig Einfluss auf die kurzfristige Bewertung.


Besten Dank für das Interview!





Zur Person
Richard Fritschi ist seit Mitte September 2006 CEO der Ypsomed Gruppe. Fritschi war bis Ende 2005 bei Zimmer als President Europe & Australasia verantwortlich für einen Umsatz von CHF 1.3 Milliarden und 2’000 Mitarbeiter. Seine Karriere bei Sulzer begann Richard Fritschi 1991 als Vice President Finance & Controlling bei der Allo Pro AG. 1998 übernahm er als General Manager Global Sales die Verantwortung für den internationalen Verkauf der Sulzer Orthopedics und ab 2001 bei Sulzer Medica/Centerpulse die Verantwortung als President Europe, Asia & Latin America.


Zum Unternehmen
Die Ypsomed ging 2003 aus einem der zwei Standbeine der renommierten Disetronic Gruppe hervor und besitzt somit über 19 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Injektions-Pens und Pen-Nadeln. Im Bereich der Selbstinjektion ist Ypsomed die weltweit führende unabhängige Medizinaltechnikfirma und ausgewählter Partnerin für die Pharma- und Biotechindustrie. Ypsomed hat ihren Hauptsitz in Burgdorf/Schweiz und beschäftigt über 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an mehreren Produktionsstandorten in der Schweiz sowie in einem europäischen Verkaufs- und Vertriebsnetz.

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