Strompreisschock im Herbst?

Die Tatsachen zuerst: Die grossen Versorger der Schweiz kündigten in den letzten Tagen wiederholt an, ihre Tarife im 2011 zu erhöhen, weil sie «grosszügigerweise» im 2010 darauf verzichteten. Sie begründen ihren vermeintlich logischen Schritt mit der allgemeinen Preiserhöhung. Doch aus vielen Gründen mutet diese Logik sonderbar an.


Wiederholte Fischzüge
Im Verlauf dieses Jahres haben drei voneinander unabhängige Behörden allesamt festgestellt, dass die Tarife bereits zu hoch sind. Anfang April stellte die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) fest, dass die im 2009 verrechneten Preise in der Stromübertragung zu hoch waren. Satte 130 Millionen Franken kassierten die Elektrizitätsversorger über das gebotene Mass hinaus. Kurz darauf liess das Bundesamt für Energie (BFE) die preisrelevanten Eigenkapitalzinsen der Stromverteiler unverändert und folgte den vom sgv eingebrachten Überlegungen. Die Verteiler wollten auf dem Verordnungsweg (!) eine Erhöhung ihrer Zinsen erreichen. Das bedeutet natürlich eine Erhöhung der Strompreise um etwa 60 Millionen Franken. Ende März veröffentlichte der Preisüberwacher seine Untersuchung zu den Strompreisen. Ernüchternd gab er zu Buche, dass sie nach der Liberalisierung überproportional gestiegen sind. Er macht auch ausdrücklich auf die verheerenden Folgen für die KMU aufmerksam.


Die Zeichen der Zeit
Haben die Strommächtigen die Zeichen nicht erkannt? Vieles spricht dafür: Innerhalb eines Monats bestätigen drei Stellen, dass sich die Elektrizitätswirtschaft auf Kosten der Verbraucher auslebt, und dennoch zeigen sie sich unbelehrbar. Es ist unerklärlich, wie diese Tariferhöhung zu begründen wäre. Der Strompreis besteht aus drei Komponenten, Produktion, Verteilung und Abgaben ? für eine detaillierte Erklärung siehe Seite 7 ? und keines dieser Komponenten hat sich im 2010 verteuert. Im Gegenteil, die Preise der Verteilung sind sogar um 56 Millionen Franken gesunken! Der Elektrizitätswirtschaft gelingt es anscheinend, die doppelte Buchhaltung umgekehrt zu bewirtschaften: Weniger Kosten führen zu höheren Preisen.

Auch für die Elcom ist diese Ankündigung nicht nachvollziehbar. Renato Tami, der Geschäftsführer, sagt es klar: «Die Energieversorger haben keinen Grund, die Preise 2011 zu erhöhen.» Der sgv seinerseits setzt sich ebenfalls gegen einen heissen Stromherbst ein.


Die Trittbrettfahrer
Doch nicht nur Stromriesen zocken ab; Kantone und Gemeinden sind die lachenden Dritten. Neben den satten Gewinnen, welche sie als Eigentümer kassieren, nutzen sie etwa hohe Konzessionsgebühren als ein unauffälliges Mittel, Steuern indirekt zu erhöhen. sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler zürnt: «Für uns ist dies mehr als unverständlich, es ist untragbar. Die Preiserhöhungen sowie die Art und Wiese, wie sie kommuniziert werden, grenzen an Unverschämtheit. Nicht weniger unverschämt sind alle öffentlichen Abgaben auf den Strom.»


Henrique Schneider,
Politischer Sekretär sgv

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