Swisscom sieht verschiedene Bedrohungen für Fastweb

Der Richter sollte am 4. März über das Commissariamento entscheiden. Aktuell hat die Römer Staatsanwaltschaft bei dem zuständigen Untersuchungsrichter einen Aufschub von sieben bis zehn Tagen beantragt, um die Vorschläge von Fastweb und der ebenfalls betroffenen Telecom Italia Sparkle zu prüfen, wie italienische Medien am Freitag berichten. Offen ist, wann der Richter entscheidet, ob er dem Aufschub zustimmt.


Mutmasslicher Steuerbetrug von 70 Mio. Euro im Falle von Fastweb
Gegenstand der Untersuchungen wegen Geldwäsche und Mehrwertsteuerbetrug sind Ein- und Weiterverkäufe von Telefonkarten von Fastweb im Jahr 2003 sowie Interkonnektionsdienste 2005 bis 2006 von Fastweb und Sparkle. Die Einnahmen aus den Verkäufen betrugen rund 2 Mrd EUR, davon entfiel ein Fünftel auf Fastweb. Der mutmassliche Steuerbetrug beläuft sich auf rund 370 Mio EUR, davon entfallen laut Swisscom rund 70 Mio EUR auf Geschäfte mit Fastweb.


Fastweb als Geschädigter
Der Telekomkonzern sieht zum einen das Risiko, dass Fastweb die Mehrwertsteuern in Höhe von 70 Mio EUR nicht vom Staat zurückerstattet bekommt. «Aufgrund des laufenden Verfahrens gegen einzelne Personen aus dem Umfeld von Fastweb hat der italienische Staat die Rückzahlung bislang zurückgehalten», erklärt Swisscom-Sprecher Carsten Roetz. Weil Fastweb Mehrwertsteuern an die Lieferanten gezahlt, aber noch keine Rückzahlung vom Staat erhalten hat, sei das Unternehmen Geschädigte der Transaktionen.


Swisscom prüft Rückstellungen
Hinzu kommen könnten noch allfällige Bussen. Swisscom prüft nach eigenen Angaben derzeit, ob diesbezüglich Rückstellungen notwendig sind.


Fastweb will Commisariamento entgehen
Welche Kompetenzen ein möglicher Kommissar haben würde, ist derzeit für die Swisscom schwer absehbar, wie es weiter heisst. Das Gericht werde die Aufgaben definieren. Das gesetzliche Instrument wurde in Italien aber laut Swisscom bislang noch nie auf eine börsenkotierte Gesellschaft angewendet. Medienberichten zufolge will Fastweb dem Commissariamento mit der Ernennung eines Sonderverwalters entgehen, der sich für mehrere Monate um die operative Führung und Aufsicht der betroffenen Sparte Wholesale kümmern würde.


Reputation steht auf dem Spiel
Auch die Reputation von Fastweb und der Swisscom selbst steht auf dem Spiel. Schliesslich sei die Tochter eine wichtige strategische und finanzielle Beteiligung, heisst es aus Bern. Die Wachstumsaussichten könnten nun beeinträchtigt werden: «Einen Grossteil ihrer Umsätze erwirtschaftet Fastweb mit Geschäftskunden und der öffentlichen Hand, die auf einen zuverlässigen, stabilen und integren Lieferanten angewiesen sind», so Roetz.


Bewertungsreserve von rund 1 Mrd. Euro
Fastweb steht derzeit mit einem Goodwill von 2,6 Mrd CHF in den Büchern der Swisscom. «Die letzte Prüfung Ende 2009 ergab eine Bewertungsreserve von rund 1 Mrd EUR», heisst es dazu. Die Werthaltigkeit sei stark abhängig von den Wachstumsaussichten des Unternehmens. Diese könnten durch einen Reputationsschaden negativ beeinflusst werden.


Kein Gewinn aus Transaktionen krimineller Mitarbeiter
Die Muttergesellschaft sieht die Mailänder Tochter als Opfer – und zwar von kriminellen Machenschaften einzelner Mitarbeiter sowie von Dritten. Fastweb habe keinerlei Gewinn aus den Transaktionen realisiert und sei durch zurückbehaltene Mehrwertsteuerguthaben geschädigt worden. «Es liegen keinerlei konkreten Vorwürfe gegen das aktuelle Management von Fastweb vor», betont die Swisscom.


Unterstützung für Fastweb-Geschäftsleitung
Gegen CEO Stefano Parisi und Ex-Fastweb-CFO Mario Rossi werde allein aufgrund ihrer Stellung bei Fastweb ermittelt. «Die Swisscom bekennt sich zur Geschäftleitung von Fastweb», sagt Sprecher Roetz. Zwei Manager seien hingegen entlassen worden, weil sich der Verdacht auf das Mitwirken in einer kriminellen Vereinigung erhärtet habe. Das Mitwissen und Mitwirken von Firmengründer und Ex-Hauptaktionär Silvio Scaglia wird derzeit noch geprüft.


Mögliche Sorgfaltspflichtverletzung
Neben den Vorwürfen wegen Mehrwertsteuerbetrug und Geldwäsche gegen einen Ring von Unternehmen und Einzelpersonen steht die Frage im Raum, ob Fastweb Sorgfaltspflichten verletzt hat. Dazu verweist die Swisscom auf frühere Kontrollsysteme, die den heutigen Ansprüchen nicht entsprechen. Auch seien Telekom-Dienstleistungen generell anfällig für Scheingeschäfte. Inzwischen sei das Kontrollsystem ausgebaut und die betroffenen Geschäfte eingestellt worden.


Gesamte kriminelle Dimension bei Fastweb-Kauf nicht erkennbar
Die Swisscom betont erneut, dass sie beim Zukauf des italienischen Unternehmens vom Mehrwertsteuerrisiko wusste, Gutachten erstellen liess und dies im Kaufpreis berücksichtigt war. «Die gesamte kriminelle Dimension war Swisscom damals nicht bekannt und wäre auch nicht erkennbar gewesen», sagt der Sprecher.


Ausbau des Italien-Engagements steht nicht zur Debatte
In punkto Akquisitionen will sich der Telekomkonzern vorerst zurückhalten: Eine mögliche Erweiterung des Engagements in Italien stehe nicht zur Diskussion, bis Klarheit in Sachen Fastweb bestehe. (awp/mc/pg/28)

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