WEF: Krise hat Weltwirtschaftsforum im Griff

Obwohl die Krise in der Luft gehangen habe, hätten sich die meisten Wirtschaftskapitäne noch ihre Scheibe vom Kuchen abschneiden wollen. Die «wollten die steigende Welle nicht wahrhaben». Die Welt erlebe jetzt ihre erste richtig globale Krise, die sich mit beispielloser Geschwindigkeit weiterentwickle. «Unabhängig vom politischen oder wirtschaftlichen System sitzen alle Nationen im selben Boot.»


Noch nie gesehener Abschwung
Die über die ganze Welt verstreuten Risiken durch Derivate der amerikanischen Schrotthypotheken zeigen die Kehrseite der Globalisiserung. Die Lawine reisst nicht nur die dumm-dreisten Tiefschneefahrer fort, sondern auch Wald und Dorf. Dieses Jahr sei das erste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Weltkonjunktur schrumpfe, sagt Morgan-Stanley-Banker Stephen Roach. Die Industriestaaten erlebten einen Abschwung, den man noch nie gesehen habe. Darunter litten auch die Schwellenländer.


«Gipfel der Verantwortungslosigkeit»
Global ist auch die Empörung über jene Banker, die sich vom normalen Leben abgekoppelt haben. US-Präsident Barack Obama bezeichnete es diese Woche in Washington als beschämend und «der Gipfel der Verantwortungslosigkeit», dass die Wall-Street-Banken trotz Milliardenverlusten und Staatshilfe im vergangenen Jahr über 18 Mrd USD an Boni ausgeschüttet hätten. Hierzulande sorgten die Boni der UBS für rote Köpfe.


Ackermann und Kielholz verstecken sich nicht
«Man hat Boni immer damit legitimiert, dass sie ein Anreiz seien, hart zu arbeiten. Doch wenn man seine Bank ins Desaster führt und dafür noch einen Bonus kriegt, dann entpuppt sich der Bonus als Trick, als Gimmick, als Diebstahl», sagt US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» im Hinblick auf die US-Banken. Nachdem der Karren nun im Dreck steckt, gingen die meisten Banker in Deckung, die in den Vorjahren prominent an den WEF-Podien auftraten. Ausnahmen waren Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann oder Credit Suisse-Präsident Walter Kielholz.


Politiker nutzen Rampenlicht
Andere wurden von der eigenen Vergangenheit eingeholt: Die Bank of America als neue Besitzerin der US-Investmentbank Merrill Lynch entliess Ex-Merrill-Chef John Thain nur wenige Tage vor seinem geplanten Auftritt am WEF. Und da die Banker, wie etwa UBS-Präsident Peter Kurer oder UBS-Geschäftsleiter Marcel Rohner, den grossen Auftritt scheuten, nutzten die Politiker das Rampenlicht. Dort taten sie das, was Politiker am liebsten tun: Vorschläge machen und bezüglich der Umsetzung vage bleiben.


Brown legt Drei-Punkte-Plan vor
So fordert der britische Premierminister Gordon Brown ein gemeinsames Vorgehen der Staaten gegen die Krise und legte gleich einen Drei-Punkte-Plan vor. Um die Banken vor dem Kollaps zu bewahren, müssten die Sparer auf der ganzen Welt geschützt werden. Zudem sprach sich Brown für weltweite Konjunkturprogramme und Steuersenkungen aus.


Merkel fordert Weltwirtschaftsrat
Gleichzeitig müssten auch weltweite Regeln für das Finanzsystem eingeführt werden: Das Flickwerk der derzeitigen Regulierung sei durch eine globale Koordination der Aufsichtsbehörden zu ersetzen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel brachte erneut ihre Idee eines Weltwirtschaftsrats aufs Tapet. Brown und Merkel wollen ihre Vorschläge beim Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) im April in London unterbreiten. Doch bis dahin dürften die Ideen zerredet und von der Entwicklung der Ereignisse überrollt werden.


Informelle WTO-Ministerrunde
Bundesrätin Doris Leuthard ihrerseits versuchte, mit der Einladung zu einer informellen WTO-Ministerrunde, der stillstehenden Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels wieder Leben einzuhauchen. Die Öffnung der Märkte sei das Beste, was man gegen die Krise tun könne, stellten die 20 Handelsminister fest und warnten vor Protektionismus.


Gemischte Gefühle
Dass mehr internationale Zusammenarbeit bei den Wirtschaftskapitänen auf gemischte Gefühle stösst, zeigt eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers: Einerseits wollten die Bosse mehr Führung und Taten durch die Regierungen.  Andererseits fürchteten sich mehr als die Hälfte der Firmenchefs vor Überregulierung. Ein WEF-Teilnehmer drückte es anders aus: «Zusammenarbeit ja, aber nur auf einem sehr hohen, abstrakten Niveau. Wenn’s konkret wird, sind die Konzernchefs dagegen.» (awp/mc/ps/01)

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