Wallisellen – Die USA haben angekündigt, ab dem 1. Oktober auf Importe von pharmazeutischen Markenprodukten aus der Schweiz einen Zollsatz von 100 % zu erheben. Dank Ausnahmeregelungen dürften sich die Auswirkungen in Grenzen halten.
Nach dem 36 % Zollhammer kam vergangene Woche eine weitere Hiobsbotschaft aus den USA. Auf Schweizer Importe von pharmazeutischen Markenprodukten soll ein Zoll von 100 % erhoben werden. Vor dieser Ankündigung lag der effektiven US-Zollsatz gegenüber der Schweiz nach Berechnungen von Allianz Trade, dem weltweit führenden Kreditversicherer, auf der Grundlage der Importanteile für 2024 bei 25 %. Dieser könnte sich jedoch deutlich erhöhen, da die bisher zollfreien pharmazeutischen Produkte aus der Schweiz 9 % der US-Pharmaimporte aus ausmachen.
«Die Schweiz muss mit den Pharmazöllen einen weiteren Zollschlag verkraften», sagt Jan Möllmann, CEO von Allianz Trade Switzerland. «100 % Zölle sind eine echte Hausnummer. Die gute Nachricht ist allerdings, dass sich die Auswirkungen vermutlich dank Ausnahmeregelungen und bereits bestehenden Produktionskapazitäten in den USA in Grenzen halten dürften. Zudem dürften viele Unternehmen Lieferungen vorgezogen und Importeure die Lager gefüllt haben, um so den Zöllen zuvorzukommen. Mit den angestrebten Meistbegünstigungspreisen ziehen allerdings schon weitere dunkle Wolken am Pharmahimmel auf.»
Ausnahmen der Zollregelung
Generika und Unternehmen, die Produktionsstätten in den USA errichten, sollen nicht von den 100 % Zöllen getroffen werden. Die Ausnahme für Generika ist hinsichtlich der Auswirkungen auf den US-Zollsatz wahrscheinlich weniger bedeutend. Zwar entfallen 90 % des Arzneimittelverbrauchs in den USA auf Generika, doch aufgrund ihres deutlich niedrigeren Preises machen sie nur etwa 10 % der Ausgaben aus. Markenmedikamente machen aufgrund ihrer deutlich höheren Preise den Grossteil der Arzneimittelausgaben aus. Dies erklärt, warum «Big Pharma» rund 50 % seines Umsatzes in den USA erzielt (siehe Grafik). Als Big Pharma werden grosse Pharmaunternehmen bezeichnet, die für den Verkauf von Markenmedikamenten bekannt sind und in Forschung und Entwicklung investieren und daher vom Patentschutz profitieren.
Die Ausnahme für Unternehmen, die in den USA produzieren, ist bedeutend. Zwar geht aus einem Bericht von PharmacyChecker aus dem Jahr 2022 hervor, dass 71 % der 100 meistverkauften Markenmedikamente ausserhalb der USA hergestellt wurden. Viele der weltweit grössten Pharmaunternehmen verfügen jedoch entweder bereits über Produktionsstätten in den USA oder haben Pläne angekündigt, in naher Zukunft Produktionsstätten zu errichten. Damit dürften sie von den neuen Zöllen ausgenommen sein. Bisher hat die Branche US-Investitionen in Höhe von 366 Milliarden US-Dollar zugesagt, darunter 73 Milliarden US-Dollar von Schweizer Unternehmen. Hinzu kommt, dass es bei Arzneimitteln in diesem Jahr zu einer erheblichen Lagerbestandsakkumulation gekommen sein könnte, da Importeure versucht haben, potenziellen Zöllen zuvorzukommen, sodass die Auswirkungen auf den effektiven Zollsatz wahrscheinlich erst einmal gering sein werden. Aus diesem Grund dürften auch die Auswirkungen auf die Exportländer relativ begrenzt sein.
Die Schweiz als zweitgrösste Quelle für US-Pharmaimporte
Die Schweiz ist nach Irland (~12% des BIP) die zweitwichtigste Quelle für US-Pharmaimporte und deckt dabei rund 9 % des amerikanischen Bedarfs. Allein 2024 gingen Pharmaexporte im Wert von 35.4 Mrd. USD in die USA, dies entspricht 3.8 % der gesamten Schweizer Wirtschaftsleistung. Pharma ist der wichtigste Exportsektor der Schweiz in die USA, noch vor den nichtmetallischen Mineralprodukten mit einem Anteil von 15.8 Mrd. USD (1.7 % des BIP). Weiter stark von den verhängten Zöllen betroffen sind Singapur (~4 % des BIP) und die Slowenien (~7 % des BIP).
Mögliche Auswirkungen
Schweizer Grosspharmaunternehmen profitieren von einer starken Preissetzungsmacht, insbesondere bei patentierten Medikamenten, die ausschliesslich im eigenen Haus hergestellt werden. Der erneute Vorstoss der Trump-Regierung für die Meistbegünstigungspreise könnte jedoch die Margen unter Druck setzen, indem die US-Preise gedeckelt werden, was die Möglichkeit einschränkt, Zoll- oder Kostenerhöhungen an die Endverbraucher weiterzugeben. Es braucht hohe unternehmerische Flexibilität, um die Auswirkungen unter Einsatz von Verrechnungspreisen, Lagerbeständen und Lieferkettenstrukturen zu steuern. Der Anteil der Pharmaindustrie an der gesamten Direktbeschäftigung in der Schweiz im Jahr 2024 beträgt rund 0.8 %. Der Beschäftigungseffekt wird sich in Grenzen halten. Mittelfristig schaffen die Unsicherheit über mögliche Ausnahmeregelungen sowie Veränderungen in der US-Politik Abwärtsrisiken für die wirtschaftlichen Aussichten der Schweiz. Hinzu kommt das Risiko der Durchsetzung der Meistbegünstigungsklausel in der Preissetzung von Medikamenten und den zunehmenden Druck auf die Pharmamargen, wobei die Festlegung von Meistbegünstigungspreisen ein zentrales Ziel der US-Regierung darstellt.
Keine grosse Reaktion an den Aktienmärkten
An den Aktienmärkten gab es auf die Ankündigung der Zölle keine grossen Bewegungen. Insgesamt fielen die Aktien der Arzneimittelhersteller leicht, nachdem angekündigt wurde, dass Unternehmen mit grossen US-Investitionen ausgenommen würden. (Allianz Trade/mc/ps)