Basel – Die Schweizer Pharmakonzerne haben einigermassen gelassen auf die Zolldrohung von US-Präsident Donald Trump zu Arzneimittelimporten ab Oktober reagiert. Laut den betroffenen Unternehmen und Branchenverbänden bleibt vieles unklar, doch konkrete Sorgen über unmittelbare Folgen äusserten die Schwergewichte Roche und Novartis bislang nicht.
Trump hatte in der Nacht auf Freitag erklärt, dass Medikamente künftig nur dann ohne 100-Prozent-Strafzoll in die USA gelangen könnten, wenn Hersteller Produktionsstätten im Land betreiben oder konkret neue Fabriken planen. Der US-Präsident begründete die Zölle mit dem Ziel, heimische Firmen zu schützen sowie Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten zu schaffen.
Die Schweizer Pharma-Konzerne hatten bereits im Frühling milliardenschwere Investitionsprogramme in den USA angekündigt. Roche verwies am Freitag erneut auf Pläne seiner Tochter Genentech in North Carolina sowie auf insgesamt 50 Milliarden US-Dollar Investitionen für den Ausbau und Forschung. Novartis will in den nächsten fünf Jahren 23 Milliarden in den US-Standort investieren. Auch das Produktionsunternehmen Lonza betonte seine grosse US-Präsenz mit Werken in Kalifornien und North Carolina.
Sturm im Wasserglas?
Analysten erklärten, dass die Schweizer Konzerne mit ihren US-Investitionen gut vorbereitet seien. Die Aktienmarkt-Experten der Bank J. Safra Sarasin schrieben, dass die Zölle womöglich schlimmer aussähen, als sie am Ende seien.
Mehrere Analysten sprachen von einer eher taktischen Drohung Trumps, die der Industrie vor Ablauf einer Frist Ende September zusätzlichen Druck machen solle. Trump hatte vor 90 Tagen in Briefen an die Chefs der wichtigsten Pharma-Firmen weltweit ultimativ verlangt, dass sie ihre Preise in den USA reduzieren und an jene in anderen vergleichbaren Industrieländern anpassen.
An den Finanzmärkten blieben die Reaktionen entsprechend verhalten. Nach einem ersten Schreck legten die Aktien der grossen Schweizer Pharmakonzerne am Freitag gar zu. Die Papiere von Novartis, Roche und Lonza verteuerten sich leicht.
«Ultimativer Weckruf»
Alarmistischer tönte es von den Pharmaverbänden. Sie warnten vor weitreichenden Risiken durch die Zölle, sollten sie tatsächlich kommen. Interpharma sprach von einem «ultimativen Weckruf» und warnte, Strafzölle könnten Lieferketten und Forschung massiv beeinträchtigen.
Scienceindustries kritisierte, dass der Aufbau neuer Kapazitäten in den USA Jahre dauern und die Zölle die Versorgung von Patienten gefährden würden. Zudem sei unklar, ob die angedrohten Massnahmen Wirkstoffe, Generika oder nur Endprodukte beträfen. Beide Verbände forderten von der Schweizer Politik, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts aktiv zu stärken.
Die offizielle Schweiz reagierte zunächst zurückhaltend. Die zuständigen Departemente würden zusammen mit den betroffenen Interessengruppen die Auswirkungen analysieren, teilte ein Sprecher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) mit. Die zuständigen Departemente nähmen die Ankündigung durch die USA zur Kenntnis.
Widersprüchliche Strategie
Ökonomen sehen die Zollstrategie Trumps skeptisch. Dessen Ansätze würden sich widersprechen, erklärte Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile Anfang Woche in einem Kommentar. «Zölle erhöhen die Preise, während eine Preisregulierung sie senken soll.» Der Aufbau neuer Produktionsstätten in den USA dauere Jahre, sei teuer und der Genehmigungsprozess langwierig.
Die Pharmafirmen sind für die Schweiz bedeutsam. Sie erwirtschaften zuletzt knapp 10 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Sie tragen seit Jahren rund 40 Prozent zum Wirtschaftswachstum bei und generieren mehr als die Hälfte der Exporte. Über 50’000 Personen sind direkt in der Pharma beschäftigt, weitere 250’000 Jobs sind entlang der Wertschöpfungskette von dem Sektor abhängig. (awp/mc/ps)