Bundesrat beunruhigt über Entwicklung in Fukushima

Micheline Calmy-Rey

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey.

Bern – Der Bundesrat zeigt sich beunruhigt über die Entwicklungen in Japan rund um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima. Er empfiehlt den 105 Schweizerinnen und Schweizern, die sich in dieser Region im Nordosten Japans aufhalten, abzureisen.

Mit einem Mail hat das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auch alle anderen der 1890 bei der Schweizer Botschaft in Tokio gemeldeten Schweizer Bürger auf die Ausreiseempfehlung hingewiesen, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey am Dienstag im Anschluss an eine ausserordentliche Bundesratssitzung.

Heimkehrmöglichkeiten zugesichert
Für die Schweizer, die das Land ganz verlassen wollten, gebe es noch genug Flüge. Man behalte die Entwicklung aber genau im Auge. Nötigenfalls werde man umgehend Charter-Flüge organisieren, um die Schweizer heimzufliegen. Laut Calmy-Rey konnte die Botschaft mit 1592 der 1890 Schweizer Bürger Kontakt aufnehmen. Schweizer Opfer seien bislang keine gemeldet worden. In der Botschaft in Tokio stünden sei Beginn der Krise ein Teil der 35 Angestellten rund um die Uhr im Einsatz. Für die Schweizerinnen und Schweizer vor Ort, aber auch deren Angehörige in der Schweiz, habe die Botschaft die 24h-Notfallnummer +41 (0)800 247 365 eingerichtet.

Schweizer Botschaft bleibt in Tokio
Trotz der radioaktiven Bedrohung aus dem Nordosten, will die Schweiz ihre Botschaft nicht nach Osaka in den Süden verlegen. Aussenministerin Calmy-Rey begründete dies unter anderem mit Fragen der Sicherheit. Das Botschaftsgebäude sei gut gegen Erdbeben gesichert, was für die Alternativen in Osaka nicht gelte. Zudem könne von Tokio aus die Rückkehr von Schweizer Bürgern aus logistischen Gründen einfacher organisiert werden. Wer in Japan bleiben will, kann auf der Botschaft Jodtabletten beziehen. Für die Abgabe dieses Mittels in der Schweiz sieht der Bundesrat hingegen keinen Anlass. Zurzeit bestehe in der Schweiz keine Gefahr, sagte Calmy-Rey. Es seien keine erhöhten Radioaktivitätswerte gemessen worden.

BAG rät von Kauf von Jodtabletten ab

Besondere Massnahmen seien deshalb nicht nötig. Das Bundesamt für Gesundheit rate insbesondere davon ab, Jodtabletten zu kaufen. Die Lagerbestände in der Schweiz seien genügend gross. Sie würden im Bedarfsfall an die Bevölkerung verteilt. Die Lage in der Schweiz werde derzeit sowohl vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) als auch von der nationalen Alarmzentrale genau beobachtet. Ab Donnerstag treffe sich auch der Ausschuss des Stabs für atomare, biologische und chemische Bedrohungen sowie für Naturgefahren (Bundesstab ABCN). Der Stab würde einberufen, falls die Schweiz von Radioaktivität betroffen wäre. Der Bundesrat sieht keinen Anlass, die in der Schweiz betriebenen Atomkraftwerke sofort abzuschalten. Hingegen unterstützt der Bundesrat die von Energie- und Umweltministerin Doris Leuthard am Montag verhängte Sistierung der drei Rahmenbewilligungsgesuche.

ENSI-Direktor äusserst beunruhigt
Der Bundesrat wolle die Lehren erst ziehen, wenn die Ereignisse in Japan in vollem Umfang bekannt seien, sagte Calmy-Rey. Auf Nachfragen von Journalisten, wie es um die Sicherheit von Schweizer AKW im Vergleich zu den in Deutschland vom Netz genommenen AKW steht, gaben sowohl die Bundespräsidentin als auch der ENSI-Direktor Hans Wanner ausweichend Auskunft. Wanner zeigte sich äusserst beunruhigt über die Entwicklung im AKW Fukushima. In Block 4 drohe die Freisetzung von grossen Mengen Radioaktivität. Bislang sei es dem Betreiber nicht gelungen, die Kühlung für die dort in einem Bassin gelagerten Brennelemente wieder in Gang zu setzen. «Sollte es innert zwei bis drei Tagen nicht gelingen, die Kühlung dieses Beckens wieder herzustellen, trocknen diese Becken aus und Radioaktivität wird in grossen Mengen freigesetzt», sagte er.

Schweizerische Post kann Japan nicht mehr beliefern
Seit Montag kann die Schweizerische Post an ihren Schaltern keine Briefe und Pakete mehr für Japan annehmen. Die Sendungen können nicht mehr transportiert werden, weil die Flugzeuge dorthin Kerosin für den Hin- und Rückflug tanken müssen und weniger zuladen können. Zudem hätten auf den verbleibenden Flügen die Hilfsgüter Priorität, teilte Postsprecher Mariano Masserini am Mittwoch mit. Die Post versuche eine Lösung zu finden. Die angestauten Sendungen nach Japan – insgesamt ungefähr 1’500 Kilogramm – seien am Mittwoch auf eine Alternativflugroute von Zürich via München nach Osaka geschickt worden. Am Freitag werde man wissen, ob diese Logistikkette funktioniere.  (awp/mc/ps)

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