Fälschungen kosten Unternehmen 4,5 Milliarden Franken pro Jahr

Für die Medien inszenierte Vernichtungsaktion von gefälschten Schweizer Uhren. (Bild: stop-piracy.ch)

Bern – Schweizer Unternehmen ist 2018 wegen gefälschten Produkten ein Umsatz von rund 4,5 Milliarden Franken entgangen. Die «Swiss made»-Fälscherei ging zu Lasten von über 10’000 Stellen, die in der Schweiz zusätzlich hätten angeboten werden können.

Dies zeigt eine vom Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum (IGE) bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestellte Studie, die am Dienstag im Rahmen einer virtuellen Medienkonferenz präsentiert worden ist. Erstmals liegen damit genaue wissenschaftlich fundierte Zahlen zur zahlenmässigen Auswirkung der Fälschungsindustrie auf die Schweizer Wirtschaft vor.

Der Gesamtwert des Welthandels mit gefälschten Waren, die das geistige Eigentum der Schweiz verletzten, belief sich laut der Studie im Jahr 2018 auf bis zu 7 Milliarden Franken. Dies entspricht 2,3 Prozent aller echten Exporte des Landes. 2016 waren es noch 5,3 Milliarden Franken.

«Die Ergebnisse sind alarmierend», sagte Martin Forst, Head of Division bei der OECD. Die moderne und dynamische Wirtschaft der Schweiz mache sie anfällig für die globale Gefahr von Fälschungen. Dabei sei vieles wie Markenschäden und Reputationsverlust gar nicht quantifizierbar, ergänzte Piotr Stryszowski. Die Verluste allerdings resultierten lokal in gestohlenen Gewinnen und verlorenen Arbeitsplätzen.

Wie Wertschöpfung der Landwirtschaft
Der Umsatzverlust der Schweizer Unternehmen durch Markenpiraterie von rund 4,5 Milliarden Franken im Jahr 2018 entspricht der jährlichen Wertschöpfung der Schweizer Landwirtschaft oder 0,6 Prozent des Schweizer Bruttoinlandproduktes (BIP).

Am stärksten betroffen von den Fälschungen ist die schweizerische Uhrenindustrie. Ihr entging dadurch ein Umsatz von 3,35 Milliarden Franken und kostete sie 3700 Arbeitsplätze. Knapp 1,2 Milliarden gingen der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie verloren, was 2700 Stellen entspricht.

Bezogen auf die jeweiligen Exporte des Sektors verzeichnete der Bereich Bekleidung, Schuhe, Leder und verwandte Produkte mit einem Anteil von 12,5 Prozent die höchsten Verluste durch Fälschungen. Im Uhren- und Schmucksektor lag der entsprechende Anteil bei 6,1 Prozent des Exportes. Der öffentlichen Hand entgingen durch die Trickserei über 157 Millionen Franken an Einnahmen.

Aus China, Hongkong und Singapur
Die meisten gefälschten und raubkopierten Uhren, Haushaltgeräte, Lederwaren oder Medikamente kommen aus China, Hongkong, Singapur und der Türkei. An der Fälschung von Arzneimitteln war ausserdem Indien beteiligt, wie das IGE in einer Mitteilung schreibt.

Die meisten Käuferinnen und Käufer wussten jedoch, dass sie gefälschte Waren kauften, ihr Anteil ist sogar leicht angestiegen. Zwischen 2013 und 2016 waren es laut OECD-Studie 52,3 Prozent, von 2017 bis 2019 rund 54 Prozent. Andererseits hätten Kundinnen und Kunden auf der ganzen Welt über zwei Milliarden Franken für gefälschte «Schweizer» Produkte ausgegeben, im Glauben, ein Original zu erwerben.

Hauptverantwortlich sei das Internet. Die Konsumenten hätten sich unter dem Druck der Enge während der Corona-Pandemie ihre Waren vermehrt online beschafft, heisst es in der Studie. Entsprechend sei der Missbrauch des Online-Umfelds durch Fälscher «massiv». Die Zahl der am Schweizer Zoll im letzten Jahr beschlagnahmten Fälschungen ist um 50 Prozent gestiegen.

Botschaft ans Parlament
Die im Laufe von drei Jahren erstellte Studie biete nun die Grundlage für griffige gesetzliche Massnahmen gegen die Fälscherindustrie, sagte Felix Addor, stellvertretender Direktor des IGE, an der Medienkonferenz. Nun seien Bundesrat und Parlament gefordert.

Das IGE werde noch vor dem Sommer die Botschaft zur Vereinfachung der Massnahmen an der Grenze unterbreiten. So könne sich das Parlament in der zweiten Jahreshälfte mit dem Thema befassen.

Ein wichtiges Mittel für Mindeststandards zur Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten sind laut IGE Freihandelsabkommen wie jenes mit Indonesien oder China. Stop Piracy, die Schweizer Plattform gegen Fälschung und Piraterie, setzt zudem auf Sensibilisierungskampagnen, wie Präsidentin Anastasia Li-Treyer an der Medienkonferenz sagte. (awp/mc/ps)

Stop Piracy

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