Nationalrat legt Steuerstreit-Gesetz auf Eis

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Bern – Der Nationalrat ist nicht bereit, die Katze im Sack zu kaufen. Er hat am Mittwoch beschlossen, das Gesetz zur Lösung des Steuerstreits mit den USA nur zu behandeln, wenn er zusätzliche Informationen vom Bundesrat erhält. SP und SVP hatten ihre Kräfte vereint, um diese Forderung durchzusetzen. Beide Fraktionen beurteilen das Steuerstreit-Gesetz vor allem darum kritisch, weil der Inhalt des Programms nicht bekannt ist, das die USA den Banken anbieten. Die US-Behörden betrachten dieses als Teil eines Justizverfahrens und lehnen eine politische Diskussion ab.

Davon will sich der Nationalrat nicht unter Druck setzen lassen. «Was ist das für ein Bundesrat, der sich von den Amerikanern vorschreiben lässt, was er uns Parlamentariern vorlegen darf und was nicht?», fragte Thomas Aeschi (SVP/ZG) im Rat. Aeschi hatte einen Ordnungsantrag eingereicht, der die Streichung der Vorlage von der Traktandenliste der laufenden Session verlangte.

Klare Fronten
Dieser fand im Nationalrat keine Mehrheit, wohl aber ein Ordnungsantrag von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL): Sie verlangte, das Geschäft auf Eis zu legen, bis der Inhalt des Programms für die Schweizer Banken bekannt ist. SP und SVP brachten zusammen mit Abweichlern von CVP und Grünen 100 Stimmen für den Ordnungsantrag aus den Reihen der SP zusammen, die Fraktionen von FDP, CVP, GLP und BDP unterlagen mit 90 Stimmen.

Die Mitteparteien hatten davor gewarnt, das Geschäft zu verzögern. «Die Vorlage wird auch nicht besser, wenn wir sie später behandeln», sagte FDP-Fraktionschefin Gabi Huber (UR). Das Programm, das die USA den Banken anbieten, werde dann aber ablaufen. Nur mit dem Gesetz könne eine erneute Eskalation des Steuerstreits mit den USA vermieden werden, sagte Hansjörg Hassler (BDP/GR). Das Parlament brauche nicht nicht zwingend Kenntnis zu haben von dem Banken-Programm, um dem Gesetz zuzustimmen.

Spekulationen und Behauptungen
Für die Gegner des Steuerstreit-Gesetzes überwogen die Bedenken. Dem Rat fehlten jegliche Informationen über die Folgen für die Banken und den Schweizer Finanzplatz, sagte Leutenegger Oberholzer. «Uns fehlen auch jegliche Informationen, was passiert, wenn wir ablehnen.» Es gebe nur Spekulationen und Behauptungen. «Meiner Meinung nach ist das Geschäft nicht entscheidungsreif.»

Bis Donnerstag können die Fraktionen ihre Fragen formulieren
Für mehr Klarheit muss nun die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) sorgen. In einer kurzfristig einberufenen Sitzung einigten sich die Fraktionsspitzen und WAK-Präsident Christophe Darbellay (CVP/VS) auf das weitere Vorgehen. Bis am Donnerstag haben die Fraktionen Zeit, ihre Fragen zum Steuerstreit-Gesetz zu formulieren. Diese will die WAK dann an den Bundesrat weiterleiten. Gewisse Fragen werde der Bundesrat beantworten müssen, damit die Kommission das Geschäft behandeln könne, sagte Darbellay der Nachrichtenagentur sda.

Der WAK-Präsident will auch die baselstädtische Finanzdirektorin Eva Herzog, die Zürcher Finanzdirektorin Ursula Gut und Peter Hegglin, Präsident der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) zu Anhörungen einladen. Darbellay will von ihnen wissen, wie sie zu dem Steuergesetz stehen. Die Basler und die Zürcher Kantonalbank sind neben anderen im Visier der US-Justiz.

Leutenegger Oberholzer verlangt Klarheit über das ganze Programm. So wolle sie etwa wissen, ob es tatsächlich von amerikanischer Seite eine Frist von 120 Tagen gebe, so dass die Dringlichkeit der parlamentarischen Behandlung nötig sei. Auch wolle sie erfahren, welche Banken betroffen seien und ob es einen Plan B gebe, sagte sie.

Fahrplan gefährdet
Weil die Bedingungen der USA nicht bekannt sind, lassen sich die Folgen des Entscheids des Nationalrats kaum einschätzen. Das Finanzdepartement gab vorerst keine Stellungnahme zur neuen Situation ab. Möglich ist, dass der Fahrplan des Bundesrats zur Behandlung des Geschäfts hinfällig wird. Die Regierung hatte das Parlament gedrängt, das Gesetz in der laufenden Session zu verabschieden, um es auf 1. Juli in Kraft setzen zu können.

Die Dringlichkeit hatte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf mit drohenden Verfahren gegen Banken begründet. Die USA seien nicht bereit, weiter zuzuwarten und träfen bereits Vorbereitungen, um weitere Banken zur Verantwortung zu ziehen. Durch die Dringlichkeit ist auch das Referendum gegen das auf ein Jahr befristete Gesetz ausgeschlossen.

SVP-Präsident Toni Brunner (SG) erwartet nicht, dass der Bundesrat dem Parlament zusätzliche Informationen zur Verfügung stellt. «Dafür müsste die amerikanische Seite grünes Licht geben, davon gehe ich nicht aus», sagte er der sda. Der Bundesrat könne daher den Auftrag des Nationalrats nicht erfüllen. Für Brunner ist das Geschäft damit faktisch von der Traktandenliste der Session gestrichen. (awp/mc/pg)

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