«Monitor Schweiz»: Mehr als nur eine Konjunkturdelle?

Fernglas

(Bild: © Kurhan - Fotolia.com)

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Zürich – Die Ökonomen der Credit Suisse belassen ihre diesjährige Wachstumsprognose für die Schweizer Wirtschaft unverändert bei 1%. Die Gesamtexporte haben zwar die Talsohle durchschritten, aber die steigende Arbeitslosenquote belastet den Konsum. Im Fokus der Frühjahrsausgabe des «Monitor Schweiz» steht die mittelfristige Entwicklung der Investitionen und des Arbeitsmarktes. Die Ökonomen der Credit Suisse zeigen, dass die Investitionen trotz Frankenstärke und politischer Unsicherheit bisher zwar nicht eingebrochen sind, dass aber die Dynamik der ausländischen Direktinvestitionen tendenziell nachgelassen hat. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt kommen die Ökonomen zum Schluss, dass trotz Frankenstärke und anhaltendem Strukturwandel kein permanenter Verlust von Arbeitsplätzen zu erwarten ist, sofern die Flexibilität der Wirtschaft erhalten bleibt. Zur letzteren trägt auch der Standortwettbewerb unter den Kantonen bei.

Margendruck und Kostensenkungen werden auch dieses Jahr das Wirtschaftsgeschehen dominieren. Die gesunkenen Unternehmensgewinne lasten auf dem Investitionsverhalten und die Arbeitslosenquote dürfte gemäss Ökonomen der Credit Suisse weiter steigen und Ende Jahr einen Wert von 3,8% erreichen. Eine derartige Zunahme beeinträchtigte in der Vergangenheit die Konsumneigung der privaten Haushalte. Hauptwachstumstreiber des privaten Konsums bleibt damit das Bevölkerungswachstum bzw. die Zuwanderung, welche sich aber gemäss Prognosen der Credit Suisse ebenfalls leicht abschwächen sollte. Während die Binnenwirtschaft somit weiter an Schwung verliert, dürfte der Exportsektor erst wenig zum Wachstum beitragen – schliesslich bleibt der Franken im Urteil der Ökonomen der Credit Suisse überbewertet und die Konjunkturerholung im Ausland nur schleppend. Das prognostizierte Wachstum von 1% liegt unter dem Potenzialwachstum und es vermag mit der steigenden Einwohnerzahl nicht Schritt zu halten. Das Preisniveau dürfte das fünfte Jahr in Folge sinken; die Ökonomen der Credit Suisse gehen von einem durchschnittlichen Preisrückgang um 0,5% aus.

Wird in der Schweiz noch investiert?
Die Schweiz war in der Vergangenheit als Zielland ausländischer Direktinvestitionen (FDI) sehr beliebt. Mit einem FDI-Bestand in der Höhe von CHF 756 Mrd. rangiert sie weltweit auf Platz 10. Ende 2014 waren hierzulande insgesamt 455’000 Personen (11% der Gesamtbeschäftigung) in Unternehmen tätig, die sich in ausländischem Besitz befinden. Wie die Ökonomen der Credit Suisse zeigen, haben aber sowohl das Wachstum des FDI-Bestands als auch das Beschäftigungswachstum in ausländischen Unternehmen jüngst stärker an Dynamik verloren, als dies aufgrund der konjunkturellen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. Die Entwicklung der Ansiedlungen, die durch die Wirtschaftsförderorganisationen der Kantone begleitet wurden, bestätigt den Eindruck, dass es der Schweiz derzeit weniger gut gelingt, ausländische Investitionen anzuziehen.

Hingegen gibt es gemäss den Analysen der Credit Suisse keine harten Indizien, dass Unternehmen stattdessen beschleunigt im Ausland investieren. Im Gegenteil, sowohl das Stellenwachstum bei Schweizer Unternehmen im Ausland als auch das Wachstum des FDI-Bestands der Schweiz im Ausland haben sich in den letzten Jahren abgeschwächt – und zwar im Urteil der Ökonomen der Credit Suisse sogar stärker, als dies gemäss dem globalen tieferen Wachstumstrend anzunehmen wäre. Die Importe von Telekom-, Informationstechnologie- und Geschäftsdienstleistungen, die weitgehend Verlagerungen entsprechender Dienste ins Ausland reflektieren, weisen ebenfalls nicht auf massive Verlagerungen hin, auch wenn der Trend angesichts der inhärenten Volatilität nicht eindeutig ist. Schliessich deutet auch eine Umfrage der Credit Suisse und von Switzerland Global Enterprise unter exportorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vom Dezember 2015 nicht auf eine ausgeprägte Verlagerungswelle hin. Jedes zweite Unternehmen gab jedoch an, dass Investitionen in der Europäischen Union (EU) trotz aller Krisennachrichten in den letzten Jahren attraktiver geworden sind. Eine Entwarnung ist gemäss den Ökonomen der Credit Suisse demnach nicht angebracht, scheint doch auch hier ein schleichender Trend zu einer abnehmenden Begeisterung für den Standort Schweiz feststellbar.

Nimmt die Arbeitslosigkeit bald wieder ab?
Eine Vielzahl der Stellen, die wegen der Frankenstärke verloren gegangen sind, dürfte gemäss der Analyse der Credit Suisse mittelfristig wieder besetzt werden. Mit Blick auf die Branchenstruktur unterscheidet sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit derzeit nämlich nicht grundsätzlich vom vergangenen konjunkturbedingten Muster. Das Verhältnis zwischen der Anzahl offener Stellen und der Anzahl Arbeitsloser – eine Masszahl für das Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt – liefert ein weiteres Indiz dafür, dass der Arbeitsmarkt nicht grundlegend aus den Fugen geraten ist. Die Ökonomen der Credit Suisse finden aber vor allem für die Industrie Anzeichen dafür, dass sich längerfristige Prozesse wie Outsourcing, Digitalisierung und Automatisierung jüngst beschleunigt haben. Entscheidend wird gemäss der Credit Suisse sein, inwieweit und mit welcher Geschwindigkeit Arbeitsplatzverluste, die strukturell bedingt sind, durch zusätzliche Stellen in zukunftsträchtigeren Bereichen ausgeglichen werden können. Dank der hohen Flexibilität der Schweizer Wirtschaft konnte der Arbeitsmarkt diesen strukturellen Wandel gemäss den Ökonomen der Credit Suisse in der Vergangenheit jeweils erfolgreich meistern.

Binnenwettbewerb macht Kantone fit
Ein wichtiger Baustein der nach wie vor hohen Standortqualität der Schweiz sind die Kantone. Aufgrund ihres Gestaltungsspielraums sind diese im Urteil der Credit Suisse zu einem erheblichen Grad für Wohlstand und Wertschöpfung mitverantwortlich. Die Kantone stehen untereinander in einem Wettbewerb und versuchen sich – abhängig von ihren politischen Zielen – optimal zu positionieren. Dieser Wettbewerb ist gemäss Ökonomen der Credit Suisse mitverantwortlich für die vergleichsweise solide Schuldensituation und die im internationalen Vergleich recht geringe Steuerlast. Der Finanzföderalismus erweist sich somit als Erfolgsmodell – auch für den globalen Wettbewerb. (Credit Suisse/mc/ps)

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