Nationalrat steht im Grundsatz hinter der Energiestrategie

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Nationalratssaal. (Foto: parlament.ch)

Bern – Der Nationalrat hat am Montag mit der grossen Energiedebatte begonnen und erste Entscheide gefällt. Die Mehrheit zeigte sich überzeugt, dass die Schweiz den richtigen Weg einschlage. Nur die SVP und die FDP stellten sich gegen die Energiewende.

Die Mitte-Links-Allianz, die nach der Atomkatastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hatte, ist bereit für den nächsten Schritt: Die Produktion erneuerbarer Energien soll ausgebaut, der Energieverbrauch gedrosselt werden.

Der Nationalrat lehnte es deutlich ab, das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie an den Bundesrat zurückzuweisen. Zur Energiewende gebe es keine Alternative, sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen, lautete der Tenor im Rat. Die Vertreter der FDP und der SVP wurden als «Bremser», «Verzögerer» und «Nostalgiker» bezeichnet.

Für viele sei schon nach den Atomunfällen in den 1950er und 1970er Jahren klar gewesen, dass die Kernenergie keine Lösung sei, sagte Martin Bäumle (GLP/ZH). Weitere hätten dies erst nach Tschernobyl erkannt, wieder andere erst nach Fukushima. «Manche würden es wohl erst nach Fessenheim, Mühleberg oder Beznau begreifen – falls es dann noch etwas zu begreifen gäbe», sagte Bäumle.

Ersatz für Atomstrom vorhanden
Bastien Girod (Grüne/ZH) warnte insbesondere vor den Gefahren alternder Atomkraftwerke. Dabei existierten die Technologien für den Ausstieg bereits heute. Auf der Warteliste für die Gelder aus der kostendeckenden Einspeisevergütung stünden so viele Projekte, dass die ältesten drei Atomkraftwerke abgeschaltet werden könnten, wenn sie realisiert würden, sagte er.

Die Befürworter der neuen Energiestrategie sehen die Energiewende auch als Chance für die Wirtschaft. Die KMU hätten längst begonnen, die Herausforderungen zu packen, sagte Hans Grunder (BDP/BE). Nun müssten die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Irrweg gefährdet Stromversorgung
Die Vertreter der SVP und der FDP sprachen dagegen von einem Irrweg, der die sichere Stromversorgung gefährde. «Wir sehen wohl die Energie, aber wir erkennen hier keine Strategie», dichtete Toni Brunner (SVP/SG). «Eine Solaranlage auf jedem Dach oder ein Windrädli auf jedem Hügel – das sind doch Illusionen.» Die Berechnungen des Bundes seien abenteuerlich.

Christian Wasserfallen (FDP/BE) befand, die Energiestrategie sei nicht durchdacht. Trotz aller Subventionen sei nämlich noch immer unklar, was passiere, wenn die Sonne nicht scheine. Die Vertreter der SVP und der FDP warnten auch vor hohen Kosten und steigenden CO2-Emissionen im Zuge der Energiewende.

Fragwürdige Salamitaktik
Ausserdem warfen sie dem Bundesrat vor, eine fragwürdige «Salamitaktik» zu verfolgen. Mit dem ersten Massnahmenpaket würden die Ziele nicht erreicht. Dafür brauche es das zweite Paket mit der Lenkungsabgabe. Dass dieses noch nicht vorliege, sei ein Fehler. Der Bundesrat sollte ein Gesamtpaket vorlegen.

Energieministerin Doris Leuthard verteidigte das etappenweise Vorgehen. Bei der raschen Entwicklung in der Energiewelt könne die Schweiz nicht eine Politik über Jahrzehnte zimmern, gab sie zu bedenken. Im Übrigen betonte sie, dass die Strategie realistisch sei und wirtschaftliche Vorteile bringe.

Ziele im Gesetz verankert
Fürs Erste folgte der Rat der Energieministerin – und verankerte Ziele im Gesetz. Die durchschnittliche Jahresproduktion von Strom aus erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft soll im Jahr 2020 bei mindestens 4,4 Terawattstunden und im Jahr 2035 bei 14,5 Terawattstunden liegen.

Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2020 um 16% und bis 2035 um 43% sinken, gemessen am Stand des Jahres 2000. Der Stromverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2020 um 3% und bis 2035 um 13% sinken.

Nein zu Anträgen von links und rechts
SP und Grüne plädierten für ein ehrgeizigeres Ziel bei den erneuerbaren Energien, FDP und SVP für weniger ehrgeizige Ziele beim Verbrauch. Der Nationalrat lehnte die Anträge aber ab, mit 120 zu 70 Stimmen respektive 105 zu 82 Stimmen bei 5 Enthaltungen.

Nur knapp gescheitert ist die rechtsbürgerliche Seite mit einem weiteren Antrag: Sie wollte im Gesetz verankern, dass die Behörden freiwillige Massnahmen der Wirtschaft prüfen müssen, bevor sie Ausführungsvorschriften zum Gesetz erlassen. Der Rat verwarf dies mit 96 zu 95 Stimmen bei 2 Enthaltungen.

Energie als nationales Interesse
Zu reden gab am Montag weiter die Frage, ob Kraftwerke künftig unter Umständen auch in Naturschutzgebieten gebaut werden dürfen. Der Bundesrat möchte dies ermöglichen und schlägt deshalb vor, die Nutzung von erneuerbaren Energien zum nationalen Interesse zu erklären. Damit wäre eine Güterabwägung möglich, wenn es um den Bau von Anlagen in Landschaften von nationaler Bedeutung geht.

Dies wird von linksgrüner Seite bekämpft. Für den Ausbau der Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien sei dieser Schritt nicht nötig, argumentierte Silva Semadeni (SP/GR). Er führe lediglich zu unnötigen Konflikten und Verzögerungen. Darüber abstimmen wird der Rat erst am Dienstagmorgen, wenn er die Beratungen fortsetzt. (awp/mc/upd/ps)

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