Spitalmarkt im Wandel: Einige Herausforderungen und viele Chancen

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Starkes Nachfragewachstum entlang des Agglomerations-Gürtels von Zürich, Genf und Lausanne. (Foto: Martin Büdenbender/pixelio.de)

Zürich – Die Schweiz verfügt bezüglich Fläche über die vierthöchste Spitaldichte innerhalb der OECD. Rund 98% der Bevölkerung erreichen mit dem Auto ein Spital innerhalb von 20 Minuten. Die neue Spitalfinanzierung dürfte mittelfristig für einen erwünschten Wettbewerbs- und Konsolidierungsdruck im Schweizer Spitalmarkt sorgen. Dies geht aus der Studie «Gesundheitswesen Schweiz 2013 – Der Spitalmarkt im Wandel» der Credit Suisse hervor.

Nach Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse bietet dieser Strukturwandel aufgrund der wachsenden Spitalnachfrage mehr Chancen als Risiken. Sie prognostizieren vor allem dem erweiterten Agglomerationsgürtel von Zürich, Genf und Lausanne ein besonders starkes Nachfragewachstum. Problematisch ist hingegen die vielerorts veraltete Baustruktur, die finanzielle Herausforderungen für die Spitäler mit sich bringt. Schweizweit sind deshalb Bauprojekte im Umfang von knapp 9 Mrd Frankenm absehbar – Tendenz steigend.

Die Spitäler stellen mit rund 140’000 Beschäftigten die wichtigste Subbranche und den grössten Kostenblock des Gesundheitswesens dar. Mit der Anfang 2012 eingeführten neuen Spitalfinanzierung soll systematisch ein Qualitätswettbewerb implementiert und das anhaltende Kostenwachstum gedämpft werden. In welchem Ausmass der Wettbewerb auch tatsächlich einsetzt, wird sich noch zeigen müssen. Momentan lässt sich beobachten, dass die Kantone die KVG-Revision nicht einheitlich umsetzen, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen dürfte. Das schafft nicht nur bei Spitälern und Gesundheitspolitikern erhebliche Unsicherheiten, sondern auch bei Anbietern von privatwirtschaftlichen Finanzierungslösungen wie etwa den Banken.

Starkes Nachfragewachstum in den Wirtschaftsräumen Zürich und Genf/Lausanne
Zwei gegenläufige Trends prägen die Spitalbranche: Einerseits wird sich die laufende Verschiebung vom stationären in den ambulanten Bereich fortsetzen, was die durchschnittliche Behandlungsdauer und damit die nötige Bettenkapazität weiter reduzieren wird. Andererseits wird die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen in Spitälern weiter zunehmen. Das Wachstum fällt in den einzelnen Regionen aufgrund des unterschiedlichen Bevölkerungswachstums und der Altersstruktur jedoch divergent aus. Künftig dürfte die Nachfrage gemäss dem Prognosemodell der Credit Suisse im äusseren Agglomerationsgürtel von Zürich, in der Zentralschweiz und – abgesehen von den Kernstädten Genf und Lausanne – in der Genferseeregion überdurchschnittlich wachsen. In vielen Randregionen, aber auch im Raum Basel und Bern dürfte sich die Nachfrage hingegen unterdurchschnittlich entwickeln.

Hohe Versorgungsdichte in den Zentren und in grossen Teilen der Westschweiz
Der Spitalmarkt ist stark distanzgebunden. Im neuen wettbewerblichen Umfeld spielen deshalb die künftige Entwicklung der regionalen Nachfrage und der Versorgungsdichte eine wichtige Rolle. Die Versorgungsdichte – sprich das Spitalangebot im Verhältnis zur Nachfrage – fällt insbesondere in den grossen Zentren überdurchschnittlich hoch aus. Die Studie zeigt zudem ein Gefälle zwischen der westlichen und östlichen Landeshälfte. Die Versorgungsdichte ist in den Städten Genf, Basel, Lausanne oder Bern höher als in Zürich. In Regionen mit einem tiefen künftigen Nachfragewachstum und einer hohen heutigen Versorgungsdichte stehen insbesondere kleinere Spitäler vor Herausforderungen und sie dürften vermehrt gezwungen sein, sich zu spezialisieren und mit anderen Institutionen, auch interkantonal, zu kooperieren. Sofern die Politik nicht strukturerhaltend eingreift, führt diese Entwicklung zwangsläufig zu einem Konsolidierungsprozess – wohl meist begleitet von politischen Nebengeräuschen.

Luxuriöse Spitalabdeckung – notwendige Konsolidierung bietet Chancen
Die Schweizer Bevölkerung hat hohe Ansprüche an die zeitliche Erreichbarkeit von Spitälern. Diese ist hierzulande beeindruckend: Trotz der schwierigen Topografie der Schweiz erreichen heutzutage 98,4% der Bevölkerung mit dem Auto ein Allgemeinspital innerhalb von 20 Minuten. Zentrumsversorgungsspitäler, die Spitzenmedizin anbieten, können gemäss den Berechnungen der Studie von mehr als 90% der Bevölkerung innerhalb einer halben Stunde erreicht werden. Diese dichte Abdeckung ist teuer und hat auch aus Versorgungssicht nicht nur Vorteile. Viele kleine Spitäler bieten eine breite Palette an Behandlungen an, was zur Folge hat, dass bestimmte Behandlungen nur selten durchgeführt werden. Es ist weitgehend unbestritten, dass die Qualität einer spezifischen Behandlung vielfach mit deren Fallzahl steigt. Aus diesem Grund ist für die CS-Ökonomen eine Konsolidierung nicht nur aus Effizienz- sondern teilweise auch aus Versorgungs- und Qualitätssicht wünschenswert.

Grosser Investitionsstau bei Spitalimmobilien
Im wettbewerblich geprägten Umfeld gewinnen die Spitalimmobilien an Bedeutung. Betriebswirtschaftlich effiziente und auf die Bedürfnisse der Patienten ausgerichtete Immobilien dienen auch der erfolgreichen Positionierung im Markt. Die Spitäler stehen mit ihren zum Teil in die Jahre gekommenen Immobilien jedoch vor grossen finanziellen Herausforderungen. Während sich die Ausgaben für Spitalleistungen gegenüber 1995 fast verdoppelt haben, bewegten sich die Investitionen in Um- und Neubauten von Allgemeinspitälern 2011 nur 8% über dem Niveau von 1995. Die Infrastruktur der Spitäler ist in den einzelnen Kantonen unterschiedlich gut für das neue Umfeld gerüstet.

Auffällig ist beispielsweise die bis 2011, relativ zu den Fallzahlen, starke Investitionstätigkeit aller Zentralschweizer Kantone mit Ausnahme von Schwyz. Am anderen Ende der Skala finden sich Kantone aus allen Landesgegenden wie zum Beispiel beide Appenzell, der Jura oder das Tessin. Die Spitäler treten im Hinblick auf die Finanzierbarkeit der Infrastruktur mit erheblich unterschiedlich langen Spiessen in den neuen Wettbewerb. Die Versäumnisse in der Vergangenheit müssen nun vielerorts nachgeholt werden. Schweizweit sind zurzeit Bauprojekte im Umfang von knapp 9 Mrd Franken absehbar. Damit stehen für die kommenden 5 bis 15 Jahre Investitionsabsichten im Raum, die dem Bauvolumen der letzten 17 Jahre entsprechen. Das geplante Volumen dürfte dabei erst die Spitze des Eisberges an Plänen der Spitäler sein.

Neues Umfeld: Herausforderungen bieten auch Chancen
Die Herausforderungen, mit denen sich die Spitäler und Kantone konfrontiert sehen, sind gemäss der Studie grundsätzlich lösbar. Konkurrierende Spitäler müssen sich, unterstützt von der kantonalen und idealerweise interkantonal koordinierten Spitalplanung, miteinander abstimmen und ein komplementäres Angebot bereitstellen. Eine weitere Möglichkeit besteht im Ausbau von Grössenvorteilen an einem Standort, während andere Spitäler als Satelliten zur Erstversorgung betrieben werden. Diese Veränderungen gehen nicht zwingend einher mit der Reduktion von Personal und Leistungsumfang im Spitalwesen. Viel mehr dürfte es zu Umverteilungen innerhalb der Branche kommen. Insgesamt dürften aber die Kosten sinken und die Qualität zunehmen.

Das neue Finanzierungsregime bietet ferner Raum für private Investoren, bestehende oder zusätzliche Dienstleistungen, welche über die medizinischen Kernleistungen hinausgehen, an einem Standort zu übernehmen und anzubieten. Im Idealfall stärkt ein Spital mit der Auslagerung solcher Dienstleistungen seine Ertragskraft und positioniert sich mit den attraktiven Zusatzangeboten besser am Markt. In Zukunft wird daher in einem Spital neben qualifizierten Ärzten und dem Pflegepersonal auch unternehmerisches Handeln gefragt sein. (Credit Suisse/mc/pg)

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