Wahlkampfinserate: SVP ist anders als die anderen

SVP

Bern – Themen statt Köpfe, permanenter Wahlkampf, nationales Zielpublikum und eine Inserate-Fläche, die umgerechnet 150 Fussballfelder umfasst: So warb die SVP in den grössten Schweizer Zeitungen im Wahljahr 2011. Die anderen Parteien inserierten häufiger mit ihren Kandidierenden statt mit Inhalten und konzentrierten sich stärker auf die Regionalteile der Zeitungen statt auf den Inlandteil wie die SVP.

Ein Team der Année Politique Suisse am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern untersuchte zwischen Januar und November 2011 insgesamt 3’614 Inserate in den über 20 auflagenstärksten Tages- und Wochenzeitungen aus drei Sprachregionen (ohne Gratisblätter). Ihr Fazit: Die SVP fuhr eine andere Strategie als alle anderen.

150 Fussballfelder SVP-Inserate
Die beiden rechtsbürgerlichen Parteien SVP und FDP wandten im Wahlkampf am meisten Geld für Inserate auf – mit total 11.4 m2 für die SVP und 8.5 m2 für die FDP waren sie in der Presse deutlich präsenter als die SP (6.4 m2), die CVP (5.3 m2), die GPS (1.1 m2), die BDP (1.1 m2), die GLP (0.3 m2) und die übrigen Parteien (4 m2) zusammen. Berücksichtigt man die Auflagenstärke der einzelnen Zeitungen, würden alle Inserate der SVP zusammengelegt eine Fläche von 1.3 km2 ergeben: «Dies entspricht einer Fläche von rund 150 Fussballfeldern», sagt Dr. Marc Bühlmann vom Institut für Politikwissenschaft.

Migrationspolitik das dominierende SVP-Thema
Es ging den Forschenden aber nicht primär um den finanziellen Aufwand der Parteien, sondern um deren Werbestrategie. So fanden sich auf mehr als 80 Prozent der analysierten Inserate Köpfe oder Namen von Kandidierenden. Erstaunlich dabei: 42 Prozent der insgesamt 1’005 SVP-Inserate warben nicht mit Köpfen, sondern mit Themen oder mit der SVP als Partei. Die Themen-Inserate konzentrierten sich auf die Migrationspolitik (60 Prozent) und die bilateralen Beziehungen mit der EU (10 Prozent) oder beschränkten sich auf Parteilogo und -slogan (20 Prozent). Im Vergleich dazu stellten nur die CVP (13 Prozent) und die SP (11 Prozent) in wenigstens zehn Prozent ihrer Inserate einen Inhalt in den Mittelpunkt.

«Die SVP setzte damit gezielt auf jene Themen, mit denen sie seit Beginn der 1990er Jahre Erfolge verbucht», meint Bühlmann. Hinter der Konzentration auf kontroverse Themen statt lächelnder Kandidierenden stehe wohl eine langfristige Politmarketing-Strategie. Und: Im Gegensatz zu ihren Rivalinnen, die wesentlich häufiger in den Regionalteilen der Printpresse inserierten, verfolgte die SVP mit der Platzierung ihrer Wahlwerbung im Inlandteil der Zeitungen zudem das Ziel, eine bereits auf ihre spezifischen Themen sensibilisierte, politisch affine Wählerschaft anzusprechen und zu mobilisieren.

Kein «Sturm aufs Stöckli» erkennbar
Der von den Medien hochstilisierte «Sturm aufs Stöckli» der SVP fand zumindest in den Inseraten nicht statt: Die SVP bewarb ihre Ständeratsanwärter in nur gerade 16 Prozent ihrer Inserate. Im Gegensatz dazu reservierten etwa die SP und die BDP dafür ein Viertel ihrer Zeitungswerbung. Mit der strategischen Ausrichtung der Wahlwerbung auf ihre Themen und Nationalratskandidaturen scheint die Volkspartei ihrer Rolle als Oppositionspartei treu geblieben zu sein.

Ausgeprägter Sinn für das ideale Timing
Das Forscherteam attestiert der SVP auch einen ausgeprägten Sinn für das ideale Timing: Mit ihren auf Inhalte konzentrierten Inseraten konnte sie aktuelle Ereignisse direkt in den Wahlkampf einbauen – zum Beispiel eine Messerattacke junger Migranten auf einen Schweizer. Sie verknüpfte diesen Vorfall auch ikonografisch mit ihrer bekannten Kritik an der Migrationspolitik. An ihrer Delegiertenversammlung liess sie zudem alle Kandidierenden symbolisch den «Vertrag mit dem Volk» beschwören und unterzeichnen, um diesen in der Folge gehäuft als Inserat in der Printpresse zu schalten. Auch hier zeigt sich laut den Forschenden das im Vergleich zu anderen Parteien professionelle Politmarketing der SVP.

Das Fazit des Teams der Année Politique: Die SVP hebt sich in ihrer Wahlkampfstrategie, ihrem Themenmanagement und der permanenten Themenbesetzung nach wie vor deutlich von allen anderen Parteien ab. (Universtität Bern/mc/pg)

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