Schweizer Startup-Branche trotzt globaler Unsicherheit

Michele Blasucci

Michele Blasucci, CEO und Gründer STARTUPS.CH. (Foto: zvg)

Winterthur – Trotz weltweiter geopolitischer Verwerfungen und zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit hat sich der Schweizer Startup-Sektor gut behauptet. Im ersten Halbjahr 2025 blieb die Zahl der neu im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit einem leichten Plus von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum stabil. Besonders erfreulich entwickelte sich der Kanton Genf, während das Tessin spürbar an Attraktivität eingebüsst hat. Dies zeigen die aktuellen Auswertungen und Hochrechnungen auf Ende Juni der Online-Plattform Startups.ch.

Insgesamt wurden in der Schweiz im ersten Halbjahr 2025 rund 27‘602 neue Unternehmen registriert – etwas mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. «Der Boom der letzten Jahre ist zweifellos vorbei», sagt Michele Blasucci, Gründer und CEO von Startups.ch. «Doch die Start-up-Branche zeigt sich bemerkenswert robust. Angesichts der globalen Lage ist diese Stabilität ein starkes Zeichen.»

Genf legt stark zu, Tessin verliert
Besonders dynamisch entwickelte sich die Zentralschweiz, die mit einem Wachstum von fast 8 Prozent zahlreiche Gründerinnen und Gründer aus der übrigen Deutschschweiz anzog – nicht zuletzt dank ihrer attraktiven Steuerpolitik.

Spitzenreiter unter den Kantonen ist Genf, wo die Zahl der Neueintragungen um mehr als 12 Prozent avancierte. Dabei profitiert die Region stark vom Wachstum des Grossraums «Greater Geneva» und einer dynamischen grenzüberschreitenden Entwicklung. Seit 2002 hat sich die Zahl der französischen Grenzgänger auf heute rund 92’000 fast verdreifacht – ein klarer Impuls für Unternehmensgründungen, die gezielt Marktbedürfnisse beidseits der Grenze adressieren. Hinzu kommen steuerliche Anreize, Förderprogramme für Forschung und Entwicklung sowie attraktive Regelungen für innovationsgetriebene Start-ups.

Weniger positiv hingegen verlief die Entwicklung im Tessin: Hier ging die Zahl der Neueintragungen um 4,9 Prozent zurück. Ein wesentlicher Grund dürfte darin liegen, dass Italien die steuerlichen Hürden für Italiener, die im Tessin ein Unternehmen gründen wollen, ausgebaut hat.

Verunsicherung bremst Gründungsdynamik
Internationale Spannungen und die unberechenbare Zollpolitik der USA führen zu einer allgemeinen Zurückhaltung bei Unternehmensgründungen. «Geht es den grossen Unternehmen schlechter, trifft das in der Folge auch ihre Zulieferer – und letztlich die kleinen Firmen», erklärt Michele Blasucci. Insbesondere potenzielle Gründer mit Geschäftsbeziehungen in die USA zeigen sich derzeit zögerlich. «Ein Vermögensverwalter mit US-Kunden wird sich aktuell gut überlegen, ob er den Schritt in die Selbstständigkeit wagt.»

Hinzu kommt, dass durch den technologischen Fortschritt einfache Dienstleistungen vermehrt durch Künstliche Intelligenz (KI) automatisiert und nicht mehr wie früher ausgelagert werden. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach spezialisierter Beratung im Bereich KI – mit dem Resultat, dass neue KI-Beratungsunternehmen derzeit wie Pilze aus dem Boden schiessen.

Sättigung im Konsumgütersektor und Handel
Die eigenen, von Startups.ch analysierten Daten zeigen zudem, dass der grösste Anteil der Gründerinnen und Gründer im ersten Halbjahr 2025 aus der Altersgruppe der 28- bis 37-Jährigen stammt (37 %). Ihr Anteil ist gegenüber dem Vorjahr um vier Prozentpunkte gestiegen. Rückläufig ist hingegen das Engagement bei den 18- bis 27-Jährigen – ein Zeichen dafür, dass das herausfordernde Umfeld besonders bei sehr jungen Personen für mehr Zurückhaltung sorgt.

Unverändert bleibt die Branchenverteilung: Die meisten Neugründungen entfallen auf die Sektoren Konsumgüter, Handel sowie IT- und Softwaredienstleistungen – insbesondere auf Beratungsfirmen. Doch die Dynamik in diesen Bereichen ist deutlich abgeflacht. Die Zeiten, in denen für jede Idee rasch ein Webshop oder ein Kleinunternehmen entstand, dürften vorerst vorbei zu sein.

Ausblick: Konsolidierung auf stabilem Niveau erwartet
Für das Gesamtjahr 2025 rechnet Startups.ch nicht mit einem neuen Rekord, sondern mit einer Konsolidierung auf dem Niveau des Vorjahrs. «In einem schwierigen internationalen Umfeld ist es wichtiger denn je, dass der Gründungsstandort Schweiz als verlässlich und innovationsfreundlich wahrgenommen wird», betont Michele Blasucci. (pd/mc/pg)

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