Die Startup Nights und die Swiss Startup Association machen gemeinsame Sache. Und das aus gutem Grund. Zusammen wollen sie Gründerinnen und Gründer sichtbarer machen, politisch unterstützen und die Innovationskraft der Schweiz international positionieren.
Im Interview geben vier führende Stimmen einen Einblick in die Hintergründe, Ziele und Visionen der neuen Allianz.
Die Startup Nights gelten als wichtiges Event für die Schweizer Gründerszene. Nun wird die Swiss Startup Association offizieller Co-Host. Was war der Impuls für diese neue Partnerschaft?
Michael Kubli: Ein entscheidender Impuls für die Partnerschaft war, dass wir beide Organisationen eine gemeinsame Vision teilen: Wir wollen das Schweizer Start-up-Ökosystem stärken, Gründerinnen und Gründer unterstützen und damit letztlich auch die Schweizer Wirtschaft weiterentwickeln. Start-ups sind für uns Treiber von Innovation und wirtschaftlicher Erneuerung. Die Startup Nights sind aus Winterthur gewachsen, haben in der Szene Fuss gefasst, und mit dem nationalen Wachstum wurde klar: Eine Partnerschaft mit der SSA macht absolut Sinn, weil sie das schweizweite Netzwerk und die politische Expertise mitbringt.
Alyssia Kugler: Uns war es wichtig, den grössten nationalen Startup-Event auch wirklich national zu verankern. Wir wollen das Netzwerk vergrössern, alle in der Schweiz ansprechen. Wenn man einen Event mit so viel Strahlkraft weiterentwickeln will, braucht es starke Partner. Die Zusammenarbeit mit der Swiss Startup Association bedeutet, dass wir unsere Ressourcen bündeln und Synergien nutzen.
Regula Bleuler: Die Startup Nights haben sich in den letzten Jahren zu einem der bedeutendsten Treffpunkte für Gründerinnen und Gründer, Investorinnen und Investoren sowie Innovationspartner in der Schweiz entwickelt. Für uns als Swiss Startup Association war schnell klar: Dieses Format bietet eine ideale Plattform, um unser Engagement für bessere Rahmenbedingungen und stärkere Sichtbarkeit von Startups noch breiter zu verankern. Der Impuls für die Partnerschaft war deshalb strategischer Natur: Gemeinsam mit dem Team der Startup Nights wollen wir das Event als nationale Bühne weiter ausbauen – und gleichzeitig das ganze Jahr über neue Austauschformate schaffen.
Warum ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für diese Zusammenarbeit?
Raphael Tobler: Wir haben die Startup Nights über viele Jahre hinweg erfolgreich aufgebaut und etabliert. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, über den Tellerrand hinauszudenken und grössere Fragen zu stellen: Wie erreichen wir noch mehr Gründerinnen und Gründer? Wie können wir die Wirkung des Events vergrössern? Die Partnerschaft ist dafür ein logischer nächster Schritt. Wir wissen, dass grössere Events eine grosse Strahlkraft haben und wir uns europaweit positionieren können.
Michael: Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Lage merken wir, wie wichtig starke Netzwerke und gute Rahmenbedingungen sind. Viele Startups wandern ins Ausland ab, weil sie in der Schweiz keine passenden Finanzierungen finden. Das ist eine Chance, aber auch ein Alarmzeichen. Wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen und unsere Stärken bündeln, können wir ein besseres Ökosystem schaffen und das ist genau jetzt dringend nötig.
Im Interview
Alyssia Kugler
Alyssia Kugler ist Geschäftsführerin der Startup Nights. Mit viel Engagement bringt sie Gründerinnen und Gründer, Politik und Investorinnen und Investoren zusammen.
Raphael Tobler
Raphael Tobler ist Gründer der Startup Nights und war über Jahre hinweg prägend für die Entwicklung des Events. Er ist Präsident der Swiss Startup Association.
Michael Kubli
Michael Kubli ist Präsident des Entrepreneur Club Winterthur (ECW) und war massgeblich an der Weiterentwicklung der Startup Nights beteiligt.
Regula Bleuler
Regula Bleuler ist CEO der Swiss Startup Association, der mit über 1’800 Mitgliedern grössten Interessenvertretung für Startups in der Schweiz. Sie setzt sich für bessere Rahmenbedingungen und mehr Sichtbarkeit von Gründerinnen und Gründern ein.
Wie würden Sie das Schweizer Start-up-Ökosystem und die Initiativen aktuell einordnen?
Alyssia: Es gibt sehr viele Angebote und Events für Startups in der Schweiz – es ist schon fast ein kleiner Dschungel geworden. Das Ökosystem ist sehr granular. Uns geht es darum, diese vielen Angebote sinnvoll zu verknüpfen, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und so den Impact zu erhöhen. Denn oft arbeiten Initiativen nebeneinander statt miteinander. Das wollen wir ändern. Wenn die Initiativen besser zusammenarbeiten, können wir auch mehr Synergien nutzen.
Regula: Das Schweizer Startup-Ökosystem ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Das ist grundsätzlich eine positive Entwicklung. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass viele Initiativen isoliert voneinander agieren. Unser Ziel ist es, nicht noch ein zusätzliches Angebot zu schaffen, sondern als verbindende Kraft zu wirken.
Michael: Unsere Hochschulen sind exzellent, die Innovationskraft ist da. Aber wenn es um die Skalierung geht, also um das internationale Wachstum erfolgreicher Startups, wird es schwierig. Es fehlen die globalen Netzwerke, das Risikokapital und teilweise auch das regulatorische Umfeld. Die Hürden beim Zugang zu Mitarbeitenden aus dem Ausland oder bei Mitarbeiterbeteiligungen sind hoch. Zudem haben wir in der Schweiz nach wie vor zu wenig Diversität in der Gründerszene. Frauen sind stark unterrepräsentiert. Das ist ein riesiges, bislang zu wenig ausgeschöpftes Potenzial.
Sie sprechen davon, dass die Schweiz zur führenden Startup-Nation Europas werden soll. Was bedeutet das konkret?
Raphael: Führend zu sein bedeutet für uns weit mehr als einen grossen Event zu veranstalten. Es geht um Substanz: Wie viele Start-ups werden im internationalen Vergleich in der Schweiz gegründet? Wie viele schaffen den Sprung zur Skalierung? Wie viele Investitionen fliessen, wie viele Arbeitsplätze entstehen durch Innovation? Das sind die Indikatoren, an denen sich echter Fortschritt messen lässt. Gleichzeitig fehlen uns jedoch verlässliche Daten, um den tatsächlichen Impact des Startup-Ökosystems umfassend zu erfassen. Ein Umstand, den wir dringend verbessern sollten.
Was muss sich politisch, kulturell und strukturell ändern, damit die Schweiz ihr volles Start-up-Potenzial ausschöpft?
Raphael: Wir brauchen ein Bildungssystem, das unternehmerisches Denken früh vermittelt in der Schule, in der Lehre und im Studium. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, kreative Lösungen zu entwickeln und die Welt aktiv mitzugestalten. Ebenso wichtig ist, dass Scheitern nicht als Makel gilt, sondern als wertvoller Teil des Lernprozesses verstanden wird. Unternehmertum darf nicht mit Risiko allein assoziiert werden, sondern auch mit Mut, Gestaltungskraft und gesellschaftlichem Beitrag. Gleichzeitig müssen wir den Begriff ‚Wirtschaft‘ positiver aufladen. Gründer sind nicht nur Topverdiener in Konzernen, sondern jene, die für ihre Idee brennen, monatelang auf Lohn verzichten, Arbeitsplätze schaffen und jeden Tag unternehmerische Verantwortung tragen. Dieses Engagement verdient mehr Anerkennung – gerade in der öffentlichen Wahrnehmung.
Wie zeigt sich die Kooperation auf der Bühne der Startup Nights?
Alyssia: Wir wollen neue Formate aufbauen, neue Zielgruppen ansprechen, die Startup Nights mit SSA-Events unter dem Jahr verknüpfen. Die SSA veranstaltet viele lokale und fachspezifische Events in allen Regionen der Schweiz.
Michael: Start-ups profitieren von einem erweiterten Netzwerk. Es geht darum, schweizweit Austausch zu fördern und mehr Sichtbarkeit zu schaffen. Wenn wir es schaffen, noch mehr Gründende aus allen Landesteilen einzubeziehen, dann haben wir viel gewonnen.
Was möchten Sie in fünf Jahren über die Partnerschaft lesen?
Michael: Wenn wir dann sagen können: Wir haben nun in der Schweiz mehr Gründungen, mehr Skalierungen, mehr Exits und Unicorns, dann war es richtig. Und wenn wir es geschafft haben, internationale Aufmerksamkeit auf die Schweizer Start-up-Szene zu lenken, wäre das ein echter Erfolg.
Regula: In fünf Jahren möchte ich lesen, dass die Startup Nights zu einer der führenden Startup-Plattformen Europas geworden sind, mit Strahlkraft weit über die Schweiz hinaus. Dass aus einer starken Partnerschaft zwischen der Swiss Startup Association und den Startup Nights ein nationales Leuchtturmprojekt entstanden ist, das Gründerinnen und Gründer aus allen Regionen zusammenbringt, internationale Aufmerksamkeit erzeugt und einen echten Beitrag zu mehr Gründungen, Skalierungen und Erfolgen in der Schweiz leistet.
Wenn Sie der Schweiz einen Wunsch als Innovationsstandort frei hätten, welcher wäre das?
Raphael: Wirtschaft hat teilweise schon einen schlechten Ruf. Das soll sich ändern. Dabei ist die Wirtschaft unser Lebensarm. Ich wünsche mir, dass Unternehmertum genauso anerkannt wird wie ein Studium oder eine klassische Karriere. Dass es als genauso wertvoll gilt, eine Firma zu gründen wie bei einem Konzern einzusteigen.
Alyssia: Wir brauchen mehr Mut und Risikobereitschaft. Dazu gehört auch, disruptive Innovationen zu entwickeln und früh international zu denken.
Michael: Mein Wunsch ist ein offenes Umfeld, das Risiken belohnt und Unternehmer:innen als integralen Teil der Gesellschaft sieht. Wir brauchen eine Innovationskultur, in der gute Ideen gross werden dürfen. Nicht trotz, sondern dank unserer Strukturen.
Regula: Mein Wunsch ist, dass in der Schweiz die Erkenntnis reift: Startups sind keine Spielereien, sie sind auch die KMUs von morgen. Sie schaffen Jobs, treiben Innovation voran und sichern langfristig unseren wirtschaftlichen Wohlstand.Damit das gelingt, müssen wir die strukturellen Hürden abbauen: beim Zugang zu Kapital, bei regulatorischen Rahmenbedingungen und beim Talentzugang. Wir brauchen ein Umfeld, das Unternehmertum aktiv ermöglicht. (Startup Nights / Swiss Startup Association/mc/ps)