Die angekündigten EU-Zölle könnten der Schweizer Stahlindustrie endgültig das Genick brechen

Diana Gutjahr

metal.suisse-Präsidentin und SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr. (Foto: parlament.ch)

Basel – Nach der Ankündigung der EU, der Schweiz als Drittstaat die Zollkontingente auf Stahl zu kürzen und den generellen Zollsatz auf 50% zu erhöhen, droht der wichtigste Exportmarkt für Schweizer Stahl wegzubrechen. Die Schweiz steht nun am Scheideweg und droht ohne entsprechende Massnahmen der Landesregierung endgültig zum reinen Dienstleistungsland zu verkommen.

Metal.suisse bedauert den Vorschlag der Europäischen Kommission, Stahleinfuhren aus Drittstaaten mit 50 % Zöllen zu belegen. Zwar ist die Notwendigkeit eines Schutzes der europäischen Stahlhersteller vor billigen Importen aus Asien nachvollziehbar, jedoch könnte diese Massnahme den Schweizer Stahlexporteuren das wirtschaftliche Genick brechen und auch den Maschinenbau gefährden. Die Ankündigung kommt jedoch keineswegs überraschend. Seit Jahren schon fährt die EU einen zunehmend protektionistischen Kurs im Stahlsektor. Entsprechende Warnungen fanden beim Bundesrat nur wenig Beachtung und wurden lediglich stiefmütterlich behandelt. Diese Passivität rächt sich nun und ist das Resultat einer jahrelangen Verweigerung, schon frühzeitig Massnahmen ins Auge zu fassen.

EU-Zollankündigungen kommen einem Exportverbot gleich
Die jetzt angekündigten Massnahmen haben einen direkten Einfluss auf Schweizer Produzenten und kommt einem Exportverbot gleich. Sollte die Reduktion der Zollkontingente nicht mit einer für die Schweiz länderspezifischen Quote einhergehen, bricht der wichtigste Exportmarkt für Schweizer Stahl komplett weg. Ein «First Come, First Serve»-Prinzip ist für die Recyclingwerke, wie in der Schweiz, keine Option, da jeweils nur nach aktuellem Bedarf produziert wird und keine Möglichkeiten zur Lagerung im EU-Raum bestehen.

Stahlwerke in der Schweiz sind auch Recyclingdienstleister
Neben dem Wegfallen eines gesamten Industriezweigs steht auch eine wichtige Infrastruktur im Schrottrecycling auf dem Spiel. Die Schweizer Stahlwerke sind in unterschiedlichen Bereichen der Stahlproduktion tätig (Bewehrungsstahl in Gerlafingen, Spezialstähle in Emmenbrücke) und schliessen damit den Wertstoffkreislauf im Stahlschrott. Fallen diese Werke weg, könnte Schrott in Zukunft nur noch im Ausland verwertet werden. Bei einem allfälligen Transport ins Ausland drohen die logistischen Kapazitäten der Schiene und Strassen völlig zu überlasten.

Schweizer Stahlproduzenten tragen nicht zu Überkapazitäten bei
Die beiden Schweizer Hersteller gehören zu europäischen Gruppen. Die Produktion in der Schweiz spielt eine wichtige Rolle in deren Geschäftsmodellen und Versorgungsüberlegungen. Die Werke konkurrenzieren die EU-Hersteller nicht durch Überproduktion und Dumpingware, da sich die Produktion auf die Nachfrage ausrichtet. Recyclingwerke produzieren just-in-time – im Gegensatz zur Primärstahlroute. Zudem sind die Schweizer Werke eng mit den Wertschöpfungssystemen im nahen Ausland verwoben. Neben den beiden Stahlwerken gibt es darüber hinaus eine Vielzahl an kleineren Produzenten und Dienstleistern, die ebenfalls von den Massnahmen betroffen wären, was auch die europäischen Kunden vor Probleme stellen dürfte.

Verhandlungserfolg dringend nötig
Diese Argumente gilt es in den nun anstehenden Verhandlungen mit der EU-Kommission zum Ausdruck zu bringen. Die EU hat eine Bereitschaft signalisiert, dass Sondervereinbarungen möglich sein werden. Alles andere wäre tragisch für unsere Hersteller, aber auch für die gesamte Wertschöpfungskette in der Schweiz.

Der Bundesrat muss nun endlich reagieren
Für metal.suisse ist die Situation klar: Der Bundesrat steht nun in der Verantwortung zu reagieren und dafür zu sorgen, dass die direkt und indirekt von der Stahlindustrie abhängigen Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten bleiben. Neben Verhandlungen mit der EU-Kommission muss der Standort gesichert werden, indem die schädliche Energiestrategie 2050 angepasst und CO2freier Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar gemacht wird. Die Energiewende kann nicht nur auf dem Rücken der Grossverbraucher stattfinden. Netto-Null heisst, dass die Schweiz mit CO2-reduzierten Produkten für Industrie und Bau versorgt werden müssen. Das neue Beschaffungsrecht sowie das Klima- und Innovationsgesetz KlG gibt der Regierung die nötigen Mittel in die Hand, grüne Leitmärkte durch die öffentliche Beschaffung schnell umzusetzen.

Die Zeiten des passiven Zuschauens sind vorbei
Die EU hat erkannt, dass die Dekarbonisierung der Produktion eine Herkulesaufgabe ist, welche die Unternehmen finanziell überfordern wird. Die Produktionskosten für Stahl dürften sich aufgrund steigender CO2-Kosten und der notwendigen Investitionen mindestens verdoppeln. Hier fehlen verlässliche Signale aus der Schweiz. Der Bundesrat muss jedoch erkennen, dass in Zeiten unsicherer Lieferketten, volatiler Handelsbeziehungen und fortschreitendem Klimawandel eine passive Haltung massive, irreversible Schäden verursachen kann, welche die Schweiz in weitere Abhängigkeitsverhältnisse treibt. (metal.suisse/mc/ps)

Der Dachverband metal.suisse fördert die Stahl-, Metall- und Fassadenbauweise in der Schweiz und setzt sich für den Materialkreislauf der metallischen Werkstoffe ein. Der Verband ist überzeugt, mit seiner Bauweise und seinen Materialien einen zentralen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele der Schweiz beitragen zu können. So sind Recyclingmaterialien heute Standard und der Verband fördert Konzepte der Weiter- und Wiederverwendung von Gebäuden und Bauteilen und unterstützt deren Umsetzung.

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